Amnesty Report Namibia 24. April 2024

Namibia 2023

Amnesty-Logo: Kerze umschlossen von Stacheldraht.

Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023

Das Recht auf friedliche Versammlung drohte 2023 noch stärker untergraben zu werden. Nach wie vor hatten weite Teile der Bevölkerung keinen ausreichenden Zugang zu Sanitärversorgung. Im Laufe des Jahres nahm die Zahl der von akuter Ernährungsunsicherheit betroffenen Menschen zu. Ein Gerichtsurteil erkannte die Rechte bestimmter gleichgeschlechtlicher Paare an. Indigene Bevölkerungsgruppen wurden in die Gespräche über Reparationen nicht angemessen einbezogen. Das Recht auf eine gesunde Umwelt war bedroht.

Recht auf friedliche Versammlung

Ungeachtet eines Verbots durch ein Hohes Gericht demonstrierten im März 2023 in der Hauptstadt Windhoek zahlreiche junge Leute gegen Arbeitslosigkeit. Die Polizei nahm mehrere Aktivist*innen und Politiker*innen, die sich im Jugendzentrum Katutura versammelt hatten, wegen ihrer Beteiligung an der Demonstration fest. Unter den Festgenommenen waren die Aktivisten Michael Amushelelo und Dimbulukeni Nauyoma sowie die Parlamentsabgeordnete Inna Hengari. 

Recht auf Gesundheit

In Namibia gab es 2023 große Probleme im Bereich der Sanitärversorgung. Das Zentrum für investigativen Journalismus (Center for Collaborative Investigative Journalism) berichtete im Mai 2023, dass 50 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zu sicheren und hygienischen Toiletten hatten. In informellen Siedlungen war die Problematik besonders extrem. Dort hatten bis zu 90 Prozent der Bewohner*innen keinen ausreichenden Zugang zu Toiletten und waren gezwungen, ihre Notdurft im Freien zu verrichten. Die Folgen waren Umweltverseuchung und die schnelle Ausbreitung von Krankheiten wie Cholera, Typhus und schwerer Diarrhöe.

Recht auf Nahrung

Die Integrated Food Security Phase Classification, ein internationales System zur Analyse der Ernährungssicherheit, berichtete für den Zeitraum Juli bis September 2023 von einer starken Zunahme der akuten Ernährungsunsicherheit in Namibia. Diese betreffe 22 Prozent der Bevölkerung (579.000 Menschen im Vergleich zu 350.000 im Jahr 2022). Der Anstieg wurde auf schlimme Dürreperioden, geringere Ernte- und Vieherträge, steigende Lebensmittelpreise, den wirtschaftlichen Abschwung und hohe Arbeitslosenzahlen zurückgeführt.

Diskriminierung

LGBTI+

Im Februar 2023 erkannte der Oberste Gerichtshof in einem Urteil das Recht von Ehegatt*innen namibischer Staatsbürger*innen an, ihren Einwanderungsstatus auf Grundlage von im Ausland geschlossenen gleichgeschlechtlichen Ehen zu legalisieren. Damit hob der Oberste Gerichtshof ein früheres Urteil eines Hohen Gerichts auf. Im Juli 2023 verabschiedete das Parlament jedoch ein Gesetz zum Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen. Sollte dieses Gesetz in Kraft treten, könnte es gleichgeschlechtlichen Paaren das Recht auf Anerkennung ihrer Ehen entziehen, selbst wenn diese Ehen in Übereinstimmung mit dem Recht eines anderen Landes geschlossen wurden. Das Urteil vom Februar 2023 wäre damit nach Artikel 81 der Verfassung wieder nichtig. Dieser Artikel sieht die Aufhebung einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vor, wenn sie "zu einem rechtmäßig erlassenen Gesetz des Parlaments im Widerspruch steht."

Indigene Gemeinschaften 

Im Februar 2023 äußerten sich sieben UN-Sonderberichterstatter*innen besorgt darüber, dass die namibische Regierung die zielführende Beteiligung der indigenen Nama- und Ovaherero-Völker an Reparationsverhandlungen nicht sicherstellte. Sie kritisierten auch, dass für die betroffenen Bevölkerungsgruppen keine direkten, wirksamen Wiedergutmachungsmaßnahmen vorgesehen seien. Die Nama und Ovaherero waren unter der deutschen Kolonialherrschaft Opfer von Völkermord geworden. Deutschland hatte seine Verantwortung im Jahr 2015 anerkannt, leistete jedoch keine direkte Wiedergutmachung an die Betroffenen, sondern hatte sich stattdessen zur Finanzierung von Entwicklungsprojekten verpflichtet. Die UN-Sonderberichterstatter*innen erklärten, dass beide Regierungen die Betroffenen zu wenig konsultiert und informiert hätten. Dadurch hätten die betroffenen Gemeinschaften nicht die Möglichkeit gehabt, ihre Anliegen in die Entschädigungsvereinbarung einzubringen.

Recht auf eine gesunde Umwelt

Im April 2023 befasste sich der Umweltminister mit Beschwerden gegen das in Kanada ansässige Ölunternehmen ReconAfrica. In einer Beschwerde machten Gemeindeorganisationen in den Regionen Kavango-Ost und Kavango-West geltend, dass ReconAfrica sie im Zusammenhang mit seinen Ölbohraktivitäten nicht im gebotenen Umfang konsultiert habe. Das Unternehmen habe zu wenig Informationen über die Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft bereitgestellt und es unterlassen, die freie, vorherige und informierte Zustimmung der Gemeinden einzuholen. In seiner Erwiderung auf die Vorwürfe gab ReconAfrica an, dass sich das Unternehmen mit den Gemeinden beraten und deren Zustimmung eingeholt habe. Eine parlamentarische Untersuchung ergab im September 2023, dass das Unternehmen gegen mehrere namibische Gesetze verstoßen hatte.

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