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Katar 2023
Amnesty-Aktion im Museum des Fußballweltverbandes FIFA in Zürich gegen die Ausbeutung von Arbeiter*innen im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar (9. März 2023)
© Amnesty International
Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023
Die Behörden schränkten weiterhin das Recht auf Meinungsfreiheit ein und brachten kritische Stimmen zum Schweigen. Arbeitsmigrant*innen waren nach wie vor mit einer Reihe von Menschenrechtsverstößen konfrontiert, darunter Lohndiebstahl, Zwangsarbeit und Ausbeutung. Zudem hatten sie nur unzureichenden Zugang zu Beschwerde- und Rechtsbehelfsmechanismen. Frauen wurden vor dem Gesetz und in der Praxis weiterhin benachteiligt. Diskriminierende Gesetze setzten lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) der Gefahr aus, inhaftiert zu werden.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Die Behörden schränkten nach wie vor die Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung ein, u. a. durch die willkürliche Inhaftierung von Personen, die friedlich von ihren Menschenrechten Gebrauch gemacht hatten.
Im Jahr 2023 erhielten Aktivist*innen zuverlässige Berichte, die bestätigten, dass das Berufungsgericht für Straftaten in Doha Mitte 2022 die Urteile gegen die Brüder Hazza und Rashed al-Marri aufrechterhalten hatte. Die beiden Rechtsanwälte waren in einer Reihe von Anklagepunkten für schuldig befunden worden: u. a. Anfechtung von Gesetzen, die der Emir ratifiziert hatte, "Bedrohung" des Emirs in Sozialen Medien, Gefährdung der Unabhängigkeit des Staates, Organisation nicht genehmigter öffentlicher Versammlungen und "Verletzung" sozialer Werte im Internet. Die beiden Männer hatten lebenslange Haftstrafen erhalten. Die Anklagen bezogen sich auf ihre Kritik am neuen Wahlgesetz des Landes, das Angehörige des al-Marri-Stamms, dem sie angehören, benachteiligt.
Zwei Aktivisten, die wegen Online-Postings inhaftiert waren, wurden nach Verbüßung ihrer Strafen freigelassen. Einer von ihnen, Abdullah al-Mohannadi, kam im August 2023 frei, nachdem er eine achtmonatige Haftstrafe verbüßt hatte, die ihm wegen Beiträgen und Aktivismus im Zusammenhang mit der Nationalen Kampagne für Bürger unter Reiseverbot (National Campaign for Travel-Banned Citizens) auferlegt worden war. Das Reiseverbot gegen Abdullah al-Mohannadi wurde jedoch nicht aufgehoben.
Rechte von Arbeitsmigrant*innen
Arbeitsmigrant*innen waren weiterhin mit schwerwiegenden Menschenrechtsverstößen konfrontiert, darunter Lohndiebstahl, Einschränkungen beim Arbeitsplatzwechsel und unzureichende Beschwerde- und Rechtsbehelfsmechanismen.
Anfang Januar 2023 protestierten Hunderte Wachleute und Angehörige des Sicherheitspersonals, die bei dem in Katar ansässigen Unternehmen Teyseer Security Services unter Vertrag standen und auf den Baustellen der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2022 übermäßig viele Überstunden ohne Ruhetage gearbeitet hatten. Bereits Tage vor Ablauf ihrer Verträge forderten sie die vollständige Auszahlung ihrer Löhne. Sie berichteten Amnesty International, dass Vertreter von Teyseer und der katarischen Regierung versprochen hätten, alle geleisteten Arbeitsstunden zu vergüten. Dieses Versprechen würde jedoch nicht eingelöst.
Der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zufolge war der monatliche Mindestlohn in Katar nach wie vor zu niedrig, um den Beschäftigten einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen oder sie aus der Schuldknechtschaft zu befreien, in die sie durch die Zahlung illegaler Anwerbegebühren gerieten.
Die Behörden setzten offenbar die katarischen Rechtsvorschriften über Hitzestress bei Arbeiter*innen im Freien im Bausektor um, nicht jedoch für Sicherheitspersonal.
Arbeitsmigrant*innen stießen weiterhin auf bürokratische Hürden, wenn sie ohne Erlaubnis ihres bisherigen Arbeitgebers den Arbeitsplatz wechseln wollten, obwohl eine solche Erlaubnis gesetzlich nicht mehr vorgeschrieben war.
Hausangestellte, bei denen es sich zumeist um Frauen handelt, waren weiterhin mit besonders harten Arbeitsbedingungen und Misshandlungen konfrontiert, da die Regierung die im Jahr 2017 eingeführten Maßnahmen zu ihrem Schutz nach wie vor nicht umgesetzt hat.
Arbeitsmigrant*innen war es 2023 nach wie vor untersagt, Gewerkschaften beizutreten oder diese zu gründen, ein Recht, das katarischen Staatsangehörigen zusteht.
Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung
Arbeitsmigrant*innen stießen noch immer auf Hindernisse beim Zugang zur Justiz und bei der Wiedergutmachung für eine Reihe von Verstößen, darunter auch solche, die länger zurücklagen. Zu den Problemen zählten: Verzögerung von Gerichtsverfahren um bis zu ein Jahr, Sprachbarrieren, Nichtzahlung von Gebühren, wenn Fälle vor Gericht gewonnen wurden, und in Entschädigungsverfahren der Ausschluss einiger Verstöße, darunter die Einforderung illegaler Anwerbegebühren. Zudem konnten Arbeitnehmer*innen aus dem Ausland keine rechtlichen Ansprüche mehr geltend machen, sobald sie das Land verlassen hatten.
Die Behörden machten für das Jahr 2023 keine Angaben zum staatlichen Entschädigungsfonds für Arbeitnehmer*innen, äußerten jedoch gegenüber Amnesty International, dass die Gesamtsumme der Entschädigungszahlungen aus dem Fonds gestiegen sei. Informationen zur Untermauerung dieser Behauptung standen noch aus. Der Fonds begrenzte die Entschädigungssumme auf 5.500 US-Dollar (etwa 5.060 Euro) pro Arbeitnehmer*in, was zur Folge hatte, dass einige Beschäftigte nicht ihren vollen Lohn erhielten.
Die Behörden gelang es nicht, den Tod von Arbeitsmigrant*innen wirksam zu untersuchen und Arbeitgeber*innen oder Behörden zur Rechenschaft zu ziehen, so dass nicht festgestellt werden konnte, ob der Tod mit der Arbeit des oder der Verstorbenen zusammenhing. Damit wurde den Familien die Möglichkeit genommen, eine Entschädigung zu erhalten. Katar und der Weltfußballverband FIFA unternahmen nichts, um für längst überfällige Abhilfemaßnahmen zu sorgen, einschließlich einer Entschädigung für die große Zahl von Arbeitnehmer*innen, deren Rechte ein Jahrzehnt lang bei der Arbeit an Projekten im Zusammenhang mit der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 verletzt worden waren.
Rechte von Frauen und Mädchen
Frauen und Mädchen wurden durch Gesetze und im täglichen Leben weiterhin diskriminiert. Aufgrund des Vormundschaftssystems benötigten sie nach wie vor die Erlaubnis ihres männlichen Vormunds – in der Regel war dies ihr Ehemann, Vater, Bruder, Großvater oder Onkel –, wenn sie heiraten, mit einem staatlichen Stipendium im Ausland studieren, im öffentlichen Dienst arbeiten oder Dienstleistungen im Bereich der reproduktiven Gesundheit in Anspruch nehmen wollten. Wenn sie unter 25 Jahre alt waren, galt dies auch für Reisen ins Ausland.
Obwohl das Familienrecht vorsieht, dass der Ehemann es "unterlässt [seine Frau] körperlich oder seelisch zu verletzen", sind Frauen nach wie vor nur unzureichend gegen häusliche Gewalt geschützt.
Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)
Die katarischen Gesetze diskriminieren lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+). Nach wie vor nahmen die Behörden Menschen allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder des Ausdrucks ihrer Geschlechtlichkeit in Haft.
Das Strafgesetzbuch stellt eine Reihe von gleichgeschlechtlichen einvernehmlichen sexuellen Handlungen zwischen Erwachsenen unter Strafe. Nach Paragraf 296 wird mit Freiheitsentzug bestraft, wer "einen Mann in irgendeiner Weise zu Unzucht oder Ausschweifung verleitet, anstiftet oder verführt" (Absatz 3) oder "einen Mann oder eine Frau in irgendeiner Weise zu sittenwidrigen oder rechtswidrigen Handlungen verleitet oder verführt" (Absatz 4).
In einem im September 2023 ausgestrahlten Fernsehinterview erklärte der Premierminister: "Dies [in Bezug auf eine Frage zu LGBTI-Rechten] ist etwas, das in unserem Glauben nicht akzeptabel ist (...). Solange sie sich in öffentlichen Bereichen an das Gesetz halten, ist die Sicherheit von niemandem in Frage gestellt."
Recht auf eine gesunde Umwelt
Katar gehörte weiterhin zu den fünf größten CO2-Emittenten pro Kopf der Bevölkerung weltweit. Das Land hat seine Produktion von Flüssigerdgas (LNG) ausgeweitet und im Juni 2023 ein Lieferabkommen über 27 Jahre mit China und europäischen Ölgesellschaften unterzeichnet.