Amnesty Report Israel und besetzte Gebiete 28. März 2023

Israel und besetzte palästinensische Gebiete 2022

Drei Soldaten mit Helmen und Gewehren stehen auf einer Straße. Einer von ihnen drängt eine Person mit seinem rechten Arm zurück in eine hinter ihm stehende Gruppe.

Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022

Israel erhielt 2022 ein System der Unterdrückung und Diskriminierung der Palästinenser*innen in Israel und in den besetzten palästinensischen Gebieten aufrecht, welches den Tatbestand der Apartheid erfüllt und ein völkerrechtliches Verbrechen darstellt. Im August startete die israelische Armee einen dreitägigen Angriff auf den besetzten Gazastreifen, bei dem sie offenbar Kriegsverbrechen beging. Die Offensive verschärfte die Auswirkungen der seit 15 Jahren andauernden israelischen Blockadepolitik, die einer rechtswidrigen Kollektivstrafe gleichkommt und die palästinensischen Gebiete weiter geografisch zersplittert. Israel verschärfte sein hartes Vorgehen gegen das Recht der Palästinenser*innen auf Vereinigungsfreiheit. Außerdem verhängten die israelischen Behörden vor allem im nördlichen Westjordanland willkürliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und riegelten Gebiete willkürlich ab, was einer Kollektivstrafe gleichkommt. Sie reagierten damit Berichten zufolge auf bewaffnete Angriffe von Palästinenser*innen auf israelische Armeeangehörige und Siedler*innen. Die Zahl der Palästinenser*innen, die von israelischen Sicherheitskräften bei Militäroperationen im Westjordanland rechtswidrig getötet oder schwer verletzt wurden, nahm 2022 deutlich zu, und die Zahl der Palästinenser*innen in Verwaltungshaft erreichte den höchsten Stand seit 14 Jahren. Es gab weiterhin Berichte über Folter und anderweitige Misshandlungen. Israelische Sicherheitskräfte zerstörten zum 211. Mal das Dorf al-ʿAraqib in der Wüste Negev/Naqab. Weiteren 35 palästinensisch-beduinischen Dörfern in Israel wurde die offizielle Anerkennung verweigert, und deren Bewohner*innen lebten in ständiger Angst vor Zwangsumsiedelung. Tausende Asylanträge wurden von den Behörden entweder nicht bearbeitet oder ohne Begründung abgelehnt. Das Recht auf Arbeit der Asylsuchenden wurde eingeschränkt.

Hintergrund

Im März 2022 stellte der UN-Sonderberichterstatter über die Menschenrechtssituation in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten fest, das "politische System der verfestigten Herrschaft" im besetzten Westjordanland und Gazastreifen erfülle "die geltenden Beweisstandards für das Vorliegen von Apartheid". Im November kam der UN-Sonderberichterstatter über das Recht auf angemessenes Wohnen in Bezug auf Israels Politik der Hauszerstörungen zu demselben Schluss. Einige Staaten, darunter Südafrika, verurteilten die Maßnahmen, die den Tatbestand der Apartheid erfüllten, und schlossen sich damit Erklärungen palästinensischer, israelischer und internationaler Menschenrechtsorganisationen an. Trotz dieser zunehmend verbreiteten Einschätzung genoss Israel dank der Unterstützung seiner wichtigsten Verbündeten weiterhin Straffreiheit.

Die vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzte Unabhängige Internationale Untersuchungskommission für die besetzten palästinensischen Gebiete (einschließlich Ost-Jerusalem) und Israel kam im Oktober 2022 zu dem Schluss, dass die Besetzung der palästinensischen Gebiete aufgrund ihrer Dauerhaftigkeit und der gesetzlichen wie faktischen Annexion palästinensischen Landes rechtswidrig sei. Dazu zählten im Jahr 2022 Maßnahmen wie die rückwirkende Genehmigung von Siedlungsaußenposten, u. a. durch den Obersten Gerichtshof Israels.

Im November 2022 fand in Israel die fünfte Parlamentswahl innerhalb von drei Jahren statt, nachdem eine ideologisch heterogene Regierungskoalition gescheitert war, die Palästinenser*innen auf beiden Seiten der Grünen Linie weiterhin diskriminiert hatte. Bei der Wahl standen sich Befürworter*innen und Gegner*innen des ehemaligen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in zwei Blöcken gegenüber, die sich jedoch darin einig waren, dass die israelische Besatzung palästinensischer und syrischer Gebiete aufrechterhalten werden müsse. Der von Netanjahu und einer religiös-nationalistischen Koalition angeführte Rechtsblock erhielt die Mehrheit der Sitze und bildete im Dezember eine Regierung.

Apartheid

Im Februar 2022 veröffentlichte Amnesty International einen 280-seitigen Bericht darüber, wie israelische Regierungen ein institutionalisiertes System der Unterdrückung und Beherrschung von Palästinenser*innen geschaffen haben, indem sie deren Rechte einschränken, palästinensische Bürger*innen Israels und Bewohner*innen der besetzten palästinensischen Gebiete trennen und ausgrenzen, und palästinensischen Flüchtlingen das Recht auf Rückkehr verweigern. Die massive Beschlagnahmung von palästinensischem Land und Eigentum, rechtswidrige Tötungen, die Zufügung schwerer Verletzungen, Zwangsumsiedlungen, willkürliche Beschränkungen der Bewegungsfreiheit, die Verweigerung der Nationalität für Palästinenser*innen sowie andere unmenschliche Handlungen sind Bestandteile eines Systems, das nach internationalem Recht Apartheid darstellt. Israelische Staatsbedienstete könnten daher für ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich sein, das in die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs fällt.

Im März 2022 setzten die israelischen Behörden das Gesetz über die Staatsbürgerschaft und Einreise nach Israel (zeitlich befristete Bestimmung) erneut in Kraft. Es sieht weitreichende Einschränkungen für die Familienzusammenführung von palästinensischen Ehepartner*innen mit israelischer Staatsbürgerschaft bzw. Aufenthaltsrecht und ihren Ehepartner*innen aus den besetzten palästinensischen Gebieten vor und zielt darauf ab, eine jüdische Bevölkerungsmehrheit in Israel zu gewährleisten.

Im Juli 2022 bestätigte der Oberste Gerichtshof Israels ein Gesetz, das die Innenministerin ermächtigt, Bürger*innen die Staatsbürgerschaft abzuerkennen, wenn sie wegen Handlungen verurteilt wurden, die einen "Bruch der Loyalität gegenüber dem Staat" darstellen. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2008 wurde seine Anwendung nur bei palästinensischen Bürger*innen erwogen. Am 20. September 2022 bestätigte das israelische Berufungsgericht ein Urteil, wonach zehn in Jerusalem lebenden Palästinenser*innen – vier Kindern, drei Frauen und drei Männern – die dauerhafte bzw. befristete Aufenthaltsgenehmigung entzogen worden war, weil sie entfernte Verwandte eines palästinensischen Attentäters waren. Am 18. Dezember schoben die Behörden den französisch-palästinensischen Menschenrechtsverteidiger Salah Hammouri ab, nachdem sie ihm seinen dauerhaften Aufenthaltsstatus in Ost-Jerusalem entzogen hatten.

Rechtswidrige Angriffe und Tötungen

Bewaffneter Konflikt zwischen Israel und bewaffneten palästinensischen Gruppen im Gazastreifen

Am 5. August 2022 startete Israel eine Militäroffensive im besetzten Gazastreifen, die sich gegen den Palästinensischen Islamischen Dschihad (Palestinian Islamic Jihad) und dessen bewaffneten Flügel richtete. Dabei wurden etwa 1.700 palästinensische Häuser zerstört oder beschädigt und Hunderte Zivilpersonen vertrieben. Die israelische Armee und bewaffnete palästinensische Gruppen begingen während der dreitägigen Kampfhandlungen offenbar Kriegsverbrechen (siehe Länderkapitel Palästina).

Nach UN-Angaben wurden während der Offensive 49 Palästinenser*innen getötet, darunter 31 Zivilpersonen. Amnesty International stellte fest, dass 17 der Zivilpersonen von israelischen Streitkräften getötet wurden, darunter acht Minderjährige. Sieben Zivilpersonen, darunter vier Minderjährige, wurden allem Anschein nach von einer fehlgeleiteten Rakete getötet, die eine bewaffnete palästinensische Gruppe abgefeuert hatte. Eine israelische Rakete, die von einer Drohne abgefeuert worden sein soll und auf dem Al-Falluja-Friedhof im Flüchtlingslager Jabalia einschlug, tötete am 7. August 2022 fünf Jugendliche und verletzte ein Kind. Es handelte sich dabei offensichtlich um einen direkten Angriff auf Zivilpersonen oder um einen wahllosen Angriff.

Westjordanland

Im besetzten Westjordanland, einschließlich Ost-Jerusalem, töteten die israelischen Streitkräfte 2022 nach Angaben des UN-Amts für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten in den besetzten palästinensischen Gebieten (OCHA-OPT) 151 Palästinenser*innen und verletzten 9.875 weitere. Hintergrund war eine Welle militärischer Übergriffe, die mit unverhältnismäßiger Gewaltanwendung, rechtswidrigen Tötungen und offenbar auch außergerichtlichen Hinrichtungen einhergingen. Die Organisation Defense for Children International – Palestine berichtete, dass im Westjordanland und in Ost-Jerusalem 36 Minderjährige von israelischen Sicherheitskräften oder Siedler*innen getötet worden seien.

Am 11. Mai 2022 töteten israelische Armeeangehörige die palästinensisch-amerikanische Al Jazeera-Korrespondentin Shirin Abu Akleh und verletzten ihren Kollegen, als die beiden über eine Razzia der israelischen Armee im Flüchtlingslager Jenin berichteten. Im September räumten die israelischen Behörden ein, dass "wahrscheinlich" ein israelischer Soldat die Journalistin getötet habe, kamen jedoch zu dem Schluss, dass dies keine Straftat sei.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Die israelischen Behörden weigerten sich weiterhin, mit der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs zusammenzuarbeiten, obwohl diese 2021 eine Untersuchung der Lage in Palästina eingeleitet hatte. Die Behörden unternahmen auch keine Anstrengungen, Menschenrechtsverletzungen und völkerrechtliche Verbrechen angemessen zu untersuchen.

Recht auf Freizügigkeit

Im Westjordanland sorgten 175 ständige Kontrollpunkte, weitere Straßensperren und zahlreiche temporäre Barrieren sowie ein drakonisches Genehmigungssystem, das durch ein repressives biometrisches Überwachungssystem unterstützt wurde, weiterhin dafür, dass die Bevölkerung der besetzen palästinensischen Gebiete kontrolliert und gespalten wurde.

Im Oktober 2022 schränkten die israelischen Behörden die Bewegungsfreiheit im besetzten Westjordanland noch weiter ein, indem sie weitreichende und willkürliche Abriegelungen vornahmen, die das Alltagsleben empfindlich störten und einer rechtswidrigen Kollektivstrafe gleichkamen. Berichten zufolge handelte es sich um eine Reaktion auf palästinensische Angriffe gegen israelische Armeeangehörige und Zivilpersonen. Im April 2022 schloss die israelische Armee Kontrollpunkte an den Zufahrten zu Jenin, was offenbar darauf abzielte, die Geschäfte in der Stadt und den Handel mit palästinensischen Bürger*innen Israels zu unterbinden. Im Oktober schlossen die israelischen Streitkräfte die Zugänge zu Jenin erneut und riegelten die Stadt Nablus für drei Wochen und das Flüchtlingslager Shufat im besetzten Ost-Jerusalem für mehr als eine Woche ab. Damit wurde die Bewegungsfreiheit von Hunderttausenden palästinensischen Zivilpersonen in diesen Gebieten massiv beeinträchtigt und ihr Zugang zu medizinischer Hilfe und anderen grundlegenden Leistungen eingeschränkt.

Nach Angaben der für die besetzten Gebiete zuständigen Abteilung des Verteidigungsministeriums entzog Israel 2.500 Palästinenser*innen die Erlaubnis, in Israel zu arbeiten – eine Maßnahme, die einer Kollektivstrafe gleichkam.

Im Oktober 2022 trat ein neues, von den israelischen Militärbehörden erlassenes Verfahren in Kraft, das ausländischen Staatsangehörigen, die mit ihren palästinensischen Ehepartner*innen im Westjordanland leben, Einschränkungen auferlegte. Ihre Visa wurden auf maximal sechs Monate begrenzt und die Paare wurden verpflichtet, bei den israelischen Behörden einen dauerhaften Aufenthaltsstatus für das Westjordanland zu beantragen.

Im Gazastreifen ging die unrechtmäßige israelische Blockade 2022 in ihr 16. Jahr. Nach Angaben der im Gazastreifen ansässigen Menschenrechtsorganisation Al Mezan starben neun Patient*innen, darunter drei Minderjährige, während sie darauf warteten, dass die israelischen Behörden ihnen eine lebensrettende Behandlung außerhalb des Gazastreifens genehmigten. Sie waren die Leidtragenden eines komplexen bürokratischen Geflechts zwischen Israel, der Palästinensischen Behörde und der Hamas-Verwaltung.

Das einzige Kraftwerk im Gazastreifen musste im August für zwei Tage heruntergefahren werden, weil die israelische Regierung eine Woche lang alle Grenzübergänge sperrte und damit die Lieferung von Brennstoff verhinderte.

Rechtswidrige Zwangsräumungen

Zehntausende Palästinenser*innen in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten waren 2022 von rechtswidrigen Zwangsräumungen bedroht, darunter etwa 5.000 Beduin*innen, die in Hirtengemeinschaften im Jordantal und in den Bergen südlich von Hebron lebten. Die israelischen Behörden zerstörten im gesamten Westjordanland, einschließlich Ost-Jerusalem, 952 palästinensische Strukturen, wodurch 1.031 Palästinenser*innen vertrieben und die Lebensgrundlage Tausender Menschen beeinträchtigt wurde.

Am 4. Mai 2022 genehmigte der Oberste Gerichtshof Israels die Zwangsumsiedlung von mehr als 1.000 Dorfbewohner*innen, die in der Region Masafer Yatta in den Bergen südlich von Hebron auf ihrem angestammten Land lebten. Israel hatte das Gebiet als "Firing Zone 918" ausgewiesen und damit zu einer militärischen Übungszone erklärt, zu der Palästinenser*innen keinen Zugang hatten.

Im Juli 2022 legalisierte der Oberste Gerichtshof Israels den Siedlungsaußenposten Mitzpe Kramim, der auf privatem palästinensischem Land im besetzten Westjordanland errichtet worden war, mit der Begründung, das Land sei "in gutem Glauben erworben" worden. Damit wurde ein Urteil aus dem Jahr 2020 aufgehoben, das die Regierung aufgefordert hatte, den Außenposten zu räumen.

Nach Angaben von OCHA-OPT stieg 2022 die staatlich geduldete Gewaltanwendung von Siedler*innen gegen Palästinenser*innen in Ost-Jerusalem und im Westjordanland das sechste Jahr in Folge an. Einen Höhepunkt erreichte sie im Oktober während der Olivenernte. Die israelische Armee und Polizei gingen Beschwerden von Palästinenser*innen über gewaltsame Übergriffe durch Siedler*innen weiterhin nicht nach.

In Israel verweigerten die Behörden 35 palästinensischen Dörfern in der Wüste Negev/Naqab weiterhin die offizielle Anerkennung, wodurch ihnen wichtige Dienstleistungen vorenthalten blieben. Im Januar 2022 begannen der Jüdische Nationalfonds und die israelische Landbehörde damit, auf dem Land des Dorfes Saawa al-Atrash in der Wüste Negev/Naqab Bäume anzupflanzen, mit dem Ziel, die palästinensische Bevölkerung zwangsweise umzusiedeln.

Im Dezember 2022 rissen die israelischen Behörden zum 211. Mal seit 2010 Zelte und Gebäude im Dorf al-ʿAraqib in der Wüste Negev/Naqab ab.

Willkürliche Inhaftierung

Die israelischen Behörden griffen 2022 verstärkt auf Verwaltungshaftanordnungen zurück. Hunderte palästinensische Häftlinge boykottierten deshalb die Anhörungen vor israelischen Militärgerichten, darunter auch Salah Hammouri, der zusammen mit 29 weiteren Personen in den Hungerstreik trat, um gegen seine Inhaftierung ohne Anklage oder Gerichtsverfahren zu protestieren. Am Jahresende befanden sich 866 Personen in Verwaltungshaft, dies war der höchste Stand seit 14 Jahren. Bis auf zwei Personen waren alle Verwaltungshäftlinge Palästinenser*innen.

Am 15. April 2022 nahm die israelische Polizei bei einer Razzia auf dem Gelände der Al-Aqsa-Moschee in der Jerusalemer Altstadt mehr als 400 Palästinenser*innen fest, darunter Minderjährige, Medienschaffende und Gläubige. Nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmonds wurden dabei mindestens 152 Palästinenser*innen verprügelt und durch Gummigeschosse, scharfe Munition und Blendgranaten verletzt. Die meisten der Festgenommenen kamen nach einigen Stunden wieder frei.

Folter und andere Misshandlungen

Israelische Sicherheitskräfte folterten und misshandelten weiterhin palästinensische Häftlinge. Wie in den Vorjahren untersuchte die interne Ermittlungseinheit der Polizei (Mahash) Beschwerden über Folter nicht gründlich. Am 24. November 2022 verlängerte das Bezirksgericht in Be’er Scheva die Einzelhaft von Ahmad Manasra um weitere vier Monate. Er war 2015 als 13-Jähriger inhaftiert worden und befand sich seit November 2021 in Einzelhaft unter isolierten Bedingungen, was Folter gleichkam. Dasselbe Gericht hatte im September seinen Antrag auf vorzeitige Entlassung aus medizinischen Gründen abgelehnt, obwohl er in der Haft eine schwere psychische Erkrankung entwickelt hatte.

Rechte auf Vereinigungs- und Meinungsfreiheit

Am 18. August 2022 stürmten israelische Soldat*innen die Büros von sieben palästinensischen zivilgesellschaftlichen Organisationen in Ramallah, zerstörten Ausrüstung, beschlagnahmten Unterlagen und ordneten deren Schließung gemäß den Notstandsverordnungen von 1945 an.

Am 29. September 2022 schloss der israelische Zentrale Wahlausschuss die palästinensische Partei Balad von der Teilnahme an den Parlamentswahlen aus. Zur Begründung hieß es, die Partei fordere "einen Staat für alle Bürger" und verstoße damit gegen die israelischen Grundgesetze. Im Oktober hob der Oberste Gerichtshof Israels diese Entscheidung auf.

Am 24. November 2022 wurde die Haft der vier jüdisch-israelischen Teenager Einat Gerlitz, Evyatar Moshe Rubin, Nave Shabtay und Shahar Schwartz um weitere 45 Tage verlängert. Sie waren bereits im September inhaftiert worden, weil sie sich aus Gewissensgründen geweigert hatten, den obligatorischen Militärdienst anzutreten.

Klimakrise und Umweltzerstörung

Am 28. Juni 2022 brachte die Regierung einen Entwurf für ein Klimagesetz ein, der vorsah, die israelischen Treibhausgasemissionen bis 2030 um 27 Prozent zu senken. Eine Entscheidung darüber stand am Jahresende noch aus. Gleichzeitig ignorierte Israel weiterhin die Umweltschäden, die der militärisch-industrielle Komplex verursachte. Dies galt auch für die Auswirkungen der Militäroffensive im August im Gazastreifen, die die Umweltschäden früherer Angriffe noch verschlimmerte.

Im März 2022 besprühten israelische Flugzeuge die Pufferzone am Gazastreifen erneut mit Unkrautvernichtungsmitteln und richteten damit Schäden auf palästinensischem Ackerland an.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Am 14. Februar 2022 veröffentlichte das israelische Gesundheitsministerium ein Rundschreiben, das es Ärzt*innen verbot, sogenannte Konversionstherapien vorzunehmen, um die sexuelle Orientierung von lesbischen und schwulen Menschen zu ändern. Das Verbot wurde jedoch nicht gesetzlich verankert.

Frauenrechte

Für Eheschließungen und Scheidungen waren weiterhin ausschließlich religiöse Gerichte zuständig, was dazu führte, dass Frauen bei Personenstandsangelegenheiten systematisch diskriminiert wurden.

Trotz rechtlicher Schutzmechanismen gegen häusliche Gewalt wurden 2022 nach Angaben der israelischen Polizei 24 Frauen von ihren Partnern oder Verwandten getötet. Im Zeitraum zwischen Januar 2020 und August 2022 wurden in Israel etwa 69 Frauen getötet, davon waren 40 Palästinenserinnen. 58 Prozent der Femizide an palästinensischen Frauen wurden von der Polizei nicht aufgeklärt, während alle 29 Morde an jüdisch-israelischen Frauen aufgeklärt wurden.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Israel nahm 2022 Zehntausende Menschen auf, die aus der Ukraine geflohen waren, und gestattete Tausenden jüdischen Ukrainer*innen die Ansiedlung nach dem Rückkehrgesetz von 1950 (Law of Return), während palästinensischen Flüchtlingen das Recht auf Rückkehr weiterhin verwehrt blieb.

Israel lehnte weiterhin Asylanträge von fast 30.000 afrikanischen Asylsuchenden, vor allem aus Eritrea und dem Sudan, ohne gründliche Prüfung bzw. ohne Begründung ab. Nach einem Gerichtsurteil aus dem Jahr 2021 erhielten mehr als 2.000 Asylsuchende aus den sudanesischen Regionen Darfur, Blauer Nil und den Nuba-Bergen eine befristete Aufenthaltsgenehmigung, die den Zugang zur staatlichen Krankenversicherung und anderen staatlichen Leistungen einschloss.

Im Oktober 2022 kam eine vom israelischen Innenministerium eingesetzte Kommission zu dem Schluss, dass Asylsuchenden aus Darfur und den Nuba-Bergen nicht länger Verfolgung aus ethnischen Gründen drohe und sie deshalb ohne Bedenken in die sudanesische Hauptstadt Khartum zurückgeschickt werden könnten. Dies ließ Befürchtungen aufkommen, Israel könnte den generellen Abschiebestopp aufheben.

Ebenfalls im Oktober trat eine Regierungsvorschrift in Kraft, die es rund 20.000 Asylsuchenden verbot, in 17 israelischen Städten eine Arbeit aufzunehmen. Von dem Verbot ausgenommen waren Tätigkeiten im Baugewerbe, in der Landwirtschaft, im Gastgewerbe und in der Krankenpflege.

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