Amnesty Report 08. April 2020

Regionalkapitel Afrika 2019

Physische Landkarte von Afrika mit Amnesty-Report-Icon

Berichtszeitraum: 1. Januar bis 31. Dezember 2019

Die Afrikanische Union hatte sich ursprünglich vorgenommen, bis 2020 "die Waffen in Afrika zum Schweigen zu bringen". Ende 2019 war jedoch kein Ende der seit Jahren andauernden bewaffneten Konflikte in Sicht. In einigen Staaten südlich der Sahara kam es vielmehr zu neuen Wellen von Gewalt durch nichtstaatliche Akteure, darunter Tötungen, Folter, Entführungen, sexualisierte Gewalt und massenhafte Vertreibungen. In einigen Fällen handelte es sich dabei um völkerrechtliche Verbrechen.

Die seit Jahren existierenden Konflikte in der Zentralafrikanischen Republik, der Demokratischen Republik Kongo, im Sudan und Südsudan dauerten an und gingen mit wahllosen wie gezielten Angriffen auf Zivilpersonen einher. In Kamerun, Mali, Nigeria, Somalia und weiteren Staaten waren bewaffnete Gruppen für Menschenrechtsverstöße wie Tötungen, Entführungen und massenhafte Vertreibungen verantwortlich. Die Reaktion der Sicherheitskräfte war häufig von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, wie außergerichtlichen Hinrichtungen, Verschwindenlassen und Folter gekennzeichnet.

Diese Konflikte, eine von Unsicherheit geprägte Situation und neue Formen von Gewalt zwischen ethnischen und religiösen Gruppen in Äthiopien und anderen Staaten machten deutlich, dass Afrika noch weit davon entfernt ist, die tödliche Spirale aus bewaffneten Konflikten und Gewalt zu durchbrechen. 

Häufig brachte man nicht die Waffen zum Schweigen, sondern breitete vielmehr einen Mantel des Schweigens über Kriegsverbrechen und andere schwere Menschenrechtsverletzungen, anstatt diese zu ahnden. Ob in Nigeria, im Südsudan oder andernorts – unzähligen Opfern wurde der Zugang zu Gerechtigkeit und Wiedergutmachung verwehrt. 

Kennzeichnend für 2019 war zudem, dass abweichende Meinungen unterdrückt, friedliche Proteste niedergeschlagen und Medien, Menschenrechtsverteidiger_innen und Oppositionelle angegriffen wurden. In mehr als 20 afrikanischen Staaten verweigerte man der Bevölkerung durch rechtswidrige Verbote, exzessiven Gewalteinsatz, Schikanen, willkürliche Inhaftierungen und andere Maßnahmen das Recht auf friedliche Proteste.

In zwei Dritteln der von Amnesty International untersuchten Länder wurde das Recht auf freie Meinungsäußerung 2019 stark eingeschränkt. Einige Regierungen gingen besonders hart gegen Journalist_innen, Blogger_innen, zivilgesellschaftliche Gruppen und Oppositionelle vor, in einigen Fällen erfolgte dies verstärkt im Zusammenhang mit Wahlen. 

Gleichzeitig gab es große Versäumnisse beim Schutz und der Wahrung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte. Unter anderem in Nigeria, Simbabwe, Eswatini und Uganda kam es weiterhin zu rechtswidrigen Zwangsräumungen, ohne dass die Betroffenen entschädigt wurden. Großflächiger Landerwerb durch Unternehmen bedrohte die Lebensgrundlage Tausender Menschen in Angola. Der auf dem gesamten Kontinent bereits schlechte Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung wurde in Ländern wie Burkina Faso, Kamerun und Mali durch anhaltende Konflikte noch stärker erschwert.  

Dennoch gingen in ganz Afrika Aktivist_innen, Menschenrechtsverteidiger_innen und normale Bürger_innen auf die Straße. Von Khartum bis Harare, von Kinshasa bis Conakry trotzten friedlich Demonstrierende Geschossen und Schlägen, um Rechte zu verteidigen, die von der politischen Führung ihrer Länder ignoriert wurden. Und in einigen Fällen vollbrachten sie Großes: In Ländern wie Äthiopien und dem Sudan stießen sie grundlegende Änderungen politischer Systeme an und ebneten den Weg für umfassende institutionelle Reformen.
 

Bewaffnete Konflikte und Gewalt

In Afrika tobten 2019 noch immer einige der hartnäckigsten Konflikte weltweit, unter anderem in der Demokratischen Republik Kongo, in Kamerun, Nigeria, Somalia, dem Sudan, Südsudan und in der Zentralafrikanischen Republik. In diesen und weiteren Ländern, wie Äthiopien, Burkina Faso, Mosambik und Tschad, wurden zahlreiche Menschen bei Angriffen bewaffneter Gruppen und bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen ethnischen und religiösen Gruppen vertrieben, verletzt oder getötet. Die Sicherheitskräfte reagierten darauf in vielen Fällen mit Menschenrechtsverletzungen und Völkerrechtsverbrechen. 

Angriffe auf Zivilpersonen

In der sudanesischen Region Darfur waren Regierungstruppen und mit ihnen verbündete Milizen verantwortlich für rechtswidrige Tötungen, sexualisierte Gewalt, systematische Plünderungen und Vertreibungen. Die im Juli 2018 begonnenen Angriffe auf das Gebiet von Jebel Marra dauerten bis Februar 2019 an und zerstörten mindestens 45 Dörfer. Im Mai befanden sich mehr als 10.000 Menschen auf der Flucht. 

Im Südsudan wurden bei vereinzelten Zusammenstößen zwischen Regierungstruppen und bewaffneten Gruppen Zivilpersonen getötet. Die Konfliktparteien behinderten den Zugang zu humanitärer Hilfe, die Zahl der Kinder, die als Soldaten rekrutiert wurden, stieg an, und sexualisierte Gewalt war weit verbreitet, darunter Vergewaltigungen, Gruppenvergewaltigungen und Genitalverstümmelungen.

In Somalia führten die stark zunehmenden und wahllosen Luftangriffe durch Drohnen und Flugzeuge der US-Kommandozentrale für Afrika (AFRICOM) dazu, dass Zivilpersonen verletzt oder getötet wurden. 2019 gab es mehr als 50 derartige Luftangriffe und damit mehr als je zuvor. Dabei wurden mindestens drei Zivilpersonen getötet. Die Gesamtzahl der Zivilpersonen, die in den vergangenen zwei Jahren bei diesen Angriffen getötet wurden, stieg damit auf mindestens 17. 

Menschenrechtsverstöße bewaffneter Gruppen

Bewaffnete Gruppen setzten 2019 ihre brutalen Angriffe fort und verübten in Ländern wie Burkina Faso, der Demokratischen Republik Kongo, Kamerun, Mali, Nigeria, Somalia und der Zentralafrikanischen Republik zahlreiche Menschenrechtsverstöße. In einigen Fällen handelte es sich dabei um schwerwiegende Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht. Die Reaktionen der Sicherheitskräfte und ihrer Verbündeten auf derartige Angriffe gingen ebenfalls mit schweren Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht und internationale Menschenrechtsnormen einher.

Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden in Somalia bis Mitte November 2019 mehr als 1150 Zivilpersonen getötet. Für die meisten gezielten Angriffe war die bewaffnete Gruppe Al-Shabab verantwortlich, so zum Beispiel für einen Autobombenanschlag in Mogadischu im Dezember 2019, bei dem fast 100 Menschen getötet wurden. Bei Militäroperationen somalischer Kräfte und ihrer Verbündeten gegen Al-Shabab, bei denen es sich häufig um wahllose Angriffe handelte, wurden Dutzende Menschen verletzt oder getötet. 
In Kamerun verübten englischsprachige bewaffnete Separatistengruppen in den Regionen Nordwest und Südwest weiterhin Menschenrechtsverstöße, darunter Tötungen, Verstümmelungen und Entführungen. Das Militär reagierte mit unverhältnismäßiger Gewalt, beging außergerichtliche Hinrichtungen und brannte Häuser nieder. 
In Mali töteten bewaffnete Gruppen und selbsternannte "Selbstverteidigungsgruppen" zahlreiche Zivilpersonen. Die malischen Sicherheitskräfte reagierten darauf mit außergerichtlichen Hinrichtungen, Folter und zahlreichen anderen Menschenrechtsverletzungen.

Die äthiopischen Sicherheitskräfte wandten häufig unverhältnismäßige Gewalt an, nachdem eine Welle gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen ausgebrochen war, bei der Hunderte Menschen ihr Leben verloren. Bei dem Versuch, ethnische Konflikte in der Region Amhara einzudämmen, töteten die äthiopischen Streitkräfte im Januar 2019 mindestens neun Menschen, darunter drei Minderjährige. Die Armee sicherte zwar zu, die Vorfälle zu untersuchen. Bis zum Jahresende waren jedoch keine Ergebnisse veröffentlicht worden.

Fehlender Schutz der Zivilbevölkerung

Zahlreiche afrikanische Staaten, aber auch internationale Friedenstruppen kamen ihrer Verpflichtung nicht nach, Zivilpersonen vor Kriegsverbrechen und anderen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen -- wie Tötungen, Folter, Entführungen und massenhaften Vertreibungen -- durch bewaffnete Gruppen zu schützen.
In der Stadt Beni im Osten der Demokratischen Republik Kongo rückten weder die örtliche Polizei noch in der Nähe stationierte UN-Truppen aus, als bewaffnete Gruppen im November 2019 mindestens 70 Zivilpersonen töteten. 

Im Nordosten Nigerias war die Zivilbevölkerung mehr als 30 Angriffen der bewaffneten Gruppe Boko Haram schutzlos ausgeliefert. Mindestens 378 Zivilpersonen wurden dabei getötet, Tausende mussten fliehen. Bewohner der betroffenen Städte und Dörfer berichteten, die nigerianischen Sicherheitskräfte hätten sich kurz vor den Angriffen aus dem Gebiet zurückgezogen. 

Bei Protesten in der Region Extrême-Nord in Kamerun forderten Zivilpersonen staatliche Schutzmaßnahmen. Sie fühlten sich angesichts einer Welle von Angriffen durch Boko Haram, bei der mindestens 275 Menschen getötet und viele weitere verstümmelt oder entführt wurden, von der Regierung allein gelassen. 
 

Straflosigkeit

Einer der Hauptgründe für die endlose Spirale aus bewaffneten Konflikten und Gewalt in vielen afrikanischen Ländern war weiterhin, dass Völkerrechtsverbrechen und andere schwere Menschenrechtsverletzungen und Verstöße nicht gründlich untersucht und die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Zwar war in einigen Staaten 2019 ein gewisser Fortschritt zu erkennen, es fehlte jedoch durchweg an konkreten Maßnahmen, um Gerechtigkeit für die Betroffenen von Menschenrechtsverstößen herzustellen.

Im Südsudan genossen diejenigen, die sich während des bewaffneten Konflikts schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hatten, weiterhin Straffreiheit. Die Regierung blockierte nach wie vor die Schaffung eines mit internationalen und südsudanesischen Richtern besetzten Gerichtshofs (Hybrid-Gericht). Dieser soll der Afrikanische Union unterstehen und der Verfolgung von Gewalttaten sowie der Herstellung von Gerechtigkeit für die Opfer des bewaffneten Konflikts dienen.

Auch im Sudan wurden die Verantwortlichen für die im Laufe von mehr als 16 Jahren in Darfur verübten schweren Menschenrechtsverletzungen, darunter Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Genozid, nicht zur Rechenschaft gezogen.

Wie in den Jahren zuvor ergriff die Regierung Nigerias auch 2019 keinerlei wirksame Maßnahmen, um den zahllosen Menschen Gerechtigkeit zuteilwerden zu lassen, die im Nordosten des Landes Opfer von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Boko Haram und Regierungstruppen geworden waren.

Der Präsident von Mali verkündete die Einführung eines Gesetzes zur "nationalen Versöhnung". Doch befürchtete der UN-Experte für die Menschenrechtslage in Mali, dieses Gesetz könne "viele Opfer schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen daran hindern, ihre Rechte auf Zugang zu einem fairen und unparteiischen Rechtssystem, auf Wiedergutmachung und Aufklärung der in der Vergangenheit begangenen Verstöße wahrzunehmen". Trotz zahlreicher Menschenrechtsverletzungen und Verstöße seit Beginn des Konflikts 2012 wurden bisher kaum Täter vor Gericht gestellt, geschweige denn verurteilt. 

In vielen afrikanischen Staaten genossen nicht nur nichtstaatliche, sondern auch staatliche Akteure Straffreiheit und wurden nicht für Menschenrechtsverletzungen wie Folter und andere Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger_innen, zivilgesellschaftliche Aktivist_innen, Flüchtlinge und Migrant_innen, sowie für brutales Vorgehen gegen Demonstrierende strafrechtlich verfolgt.

Obwohl im Sudan bei wiederholten massiven Angriffen der Sicherheitskräfte auf die Teilnehmer_innen friedlicher Proteste 177 Menschen getötet und Hunderte weitere verletzt worden waren, kam 2019 nur ein einziger Fall vor Gericht. Im Oktober setzte die neue sudanesische Übergangsregierung einen unabhängigen Ausschuss ein, um schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen, die am 3. Juni 2019 in Khartum begangen wurden. An diesem Tag waren die Sicherheitskräfte brutal gegen die Teilnehmer_innen einer Demonstration vorgegangen. Der Ausschuss sollte seinen Bericht ursprünglich innerhalb von drei Monaten vorlegen, diese Frist wurde jedoch verlängert.

Die äthiopische Regierung hatte 2019 noch keine umfassenden und unabhängigen Ermittlungen zu Verstößen staatlicher und nichtstaatlicher Akteure auf den Weg gebracht, bei denen es unter anderem um die Tötung von Demonstrierenden sowie um zahlreiche Vorwürfe über Folter und andere Misshandlungen in Gefängnissen ging. 

In der Zentralafrikanischen Republik gingen Gerichte einigen Fällen von Menschenrechtsverstößen durch bewaffnete Gruppen nach. Beim neu eingerichteten Sondergericht des Landes, vor dem sich Personen verantworten sollen, denen schwere Menschenrechtsverletzungen und völkerrechtliche Verbrechen zur Last gelegt werden, wurden 27 Klagen eingereicht und Ermittlungen eingeleitet. Dies war jedoch nur ein kleiner Fortschritt, denn das Gericht erließ 2019 weder Haftbefehle noch fanden Verfahren statt. Außerdem wurden im Zuge des Friedensabkommens, auf das sich die Regierung und 14 bewaffnete Gruppen im Februar 2019 einigten, mutmaßliche Täter in die neue Regierung berufen, und Straffreiheit war weiterhin die Regel.

Auch in der Demokratischen Republik Kongo ergab sich 2019 ein gemischtes Bild. Militärgerichte befassten sich zwar mit einigen Fällen von Vergewaltigungen, die während des Konflikts begangen wurden. Hochrangige Staatsbedienstete und Militärs, die im Verdacht standen, völkerrechtliche Verbrechen begangen oder finanziert zu haben, wurden jedoch nicht zur Rechenschaft gezogen. Mehrere Politiker und hochrangige Armeeangehörige behielten ihre leitenden Positionen oder wurden auf solche Posten befördert, obwohl man sie verdächtigte, für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich zu sein.

Internationaler Strafgerichtshof

Vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) gab es neue Entwicklungen, was Fälle aus Côte d’Ivoire, der Demokratischen Republik Kongo, Mali und der Zentralafrikanischen Republik betraf. In Bezug auf Fälle aus Guinea, Nigeria und dem Sudan herrschte weiterhin Stillstand.

Das Jahr 2019 begann damit, dass der IStGH Laurent Gbagbo, den ehemaligen Präsidenten von Côte d’Ivoire, und seinen Vertrauten Charles Blé Goudé in allen Anklagepunkten freisprach. Ihnen wurden Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt, die 2010 und 2011 verübt worden waren. Die Anklagebehörde legte Rechtsmittel gegen das Urteil ein.
Im Dezember 2019 bestätigte ein Bericht der Chefanklägerin des IStGH erneut, dass die nigerianische Regierung keine wirksamen Maßnahmen ergriffen hatte, um Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ahnden, die während des Konflikts im Nordosten des Landes von der bewaffneten Gruppe Boko Haram und von den Sicherheitskräften begangen wurden. Die Chefanklägerin teilte nicht mit, ob nach fast zehnjährigen Vorermittlungen nun ein offizielles Untersuchungsverfahren eingeleitet werde, sie deutete jedoch an, diese Entscheidung könnte 2020 gefällt werden.  

Im April 2019 wurde der sudanesische Präsident Omar al-Bashir gestürzt. Die neue Regierung überstellte ihn und drei weitere Verdächtige jedoch nicht an den IStGH, obwohl Haftbefehle des Gerichtshofs wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in der sudanesischen Region Darfur vorlagen. 

Bezüglich der Fälle aus der Zentralafrikanischen Republik gab es 2019 gewisse Fortschritte. Im Januar wurde Patrice-Edouard Ngaïssona, oberster Koordinator einer Anti-Balaka-Milizenkoalition, an den Internationalen Strafgerichtshof überstellt. Ihm wurde vorgeworfen, für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Jahren 2013 und 2014 verantwortlich gewesen zu sein. Im Februar 2019 entschied die Vorverfahrenskammer, das Verfahren gegen ihn und einen weiteren Anführer einer Anti-Balaka-Miliz, Alfred Yekatom, zusammenzulegen. Im Dezember bestätigte sie die Anklage in Teilen und machte den Weg für das Hauptverfahren frei.

Im September 2019 bestätigte der IStGH die Anklagen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen Al Hassan Ag Abdoul Aziz Ag Mohamed Ag Mahmoud, den ehemaligen Anführer der islamischen Polizei in der malischen Stadt Timbuktu. 

Im November 2019 verurteilte der Gerichtshof Bosco Ntaganda, den ehemaligen Stabschef des militärischen Arms einer im Osten der Demokratischen Republik Kongo aktiven Miliz, zu 30 Jahren Haft. Er war im Juli wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen worden.
 

Unterdrückung Andersdenkener

Niederschlagung von Protesten

In mehr als 20 afrikanischen Staaten verweigerte man der Bevölkerung das Recht auf friedliche Proteste, unter anderem durch rechtswidrige Verbote, exzessiven Gewalteinsatz, Schikanen und willkürliche Festnahmen.

Übermäßige Gewaltanwendung und andere Verstöße bei der Auflösung friedlicher Demonstrationen führten in einigen Ländern zu rechtswidrigen Inhaftierungen, zu Verletzungen und zum Tod von Protestierenden.

Im Sudan beendeten friedliche Demonstrationen, an denen sich Tausende Menschen beteiligten, im April 2019 die jahrzehntelange repressive Herrschaft von Präsident Omar al-Bashir. Es gab Anlass zur Hoffnung, dass sich die Menschenrechtslage künftig verbessern könnte. Doch der Preis dafür war extrem hoch. Mindestens 177 Menschen wurden getötet und Hunderte weitere verletzt, als Sicherheitskräfte die friedlichen Demonstrationen in Khartum und anderen Städten auflösten und dabei auf scharfe Munition, Tränengas, Schläge und willkürliche Festnahmen zurückgriffen. 

In Simbabwe gingen die Sicherheitskräfte gewaltsam gegen Menschen vor, die im Januar 2019 gegen eine Anhebung der Benzin- und Dieselpreise protestierten. Mindestens 15 Personen wurden erschossen, 78 weitere verletzt und mehr als 1.000 willkürlich in Haft genommen.

In Guinea trugen die Sicherheitskräfte weiterhin durch exzessiven Gewalteinsatz zur Eskalation von Demonstrationen bei. Mindestens 17 Menschen starben bei Protesten gegen eine Verfassungsänderung, die es Präsident Alpha Condé ermöglichen würde, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren. 

Von April bis Juni 2019 töteten Sicherheitskräfte in Benin mindestens vier Demonstrierende und Unbeteiligte.

In Angola lösten Polizei und Sicherheitskräfte im Januar und Dezember 2019 Demonstrationen gewaltsam auf und nahmen zahlreiche Menschen willkürlich in Haft. Im Tschad wurden im April 13 Demonstrierende verprügelt und festgenommen, die gegen den Mangel an Butangas protestiert hatten. Die Polizei in der Demokratischen Republik Kongo löste mindestens 35 friedliche Demonstrationen unter Einsatz unverhältnismäßiger Gewalt auf. Dabei wurden mindestens 90 Personen verletzt und zahlreiche weitere willkürlich festgenommen. Im Südsudan unterband die Regierung im Mai einen friedlichen Protest in Juba, indem sie das Militär einsetzte, Hausdurchsuchungen vornahm und Protestierende einschüchterte. 

In anderen Ländern nutzten Regierungen behördliche Anweisungen und anderweitige Maßnahmen, um friedliche Proteste unrechtmäßig einzuschränken oder zu verbieten. So verbot die Polizei in zahlreichen nigerianischen Bundesstaaten fast das gesamte Jahr über friedliche Versammlungen. Zudem schränkte sie den Zugang zu einem Versammlungsort in der Hauptstadt Abuja ein, an dem häufig Demonstrationen stattfanden.

Im Senegal wurden die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit unter anderem durch ein Dekret von 2011 eingeschränkt, das Versammlungen im Zentrum von Dakar verbietet. In Tansania und Togo führten Gesetzesänderungen zu einer stärkeren Einschränkung der Rechte auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. In Guinea verboten die Behörden mehr als 20 Protestveranstaltungen aus vagen und unspezifischen Gründen. 

Vor allem vor, während und nach Wahlen wurden Proteste niedergeschlagen. Im Januar 2019 lösten die Behörden in Kamerun eine friedliche Demonstration gewaltsam auf, die sich gegen die Wiederwahl von Präsident Paul Biya 2018 richtete. Fast 300 Teilnehmer_innen wurden willkürlich festgenommen, darunter auch der Vorsitzende der Oppositionspartei Bewegung für die Renaissance Kameruns. In Benin erließen die Behörden im Vorfeld der Parlamentswahl im April 2019 ein allgemeines Demonstrationsverbot und nahmen Hunderte oppositionelle Aktivist_innen fest.

In den ersten Tagen nach der Präsidentschaftswahl in Mauretanien im Juni 2019 wurden politische Aktivist_innen willkürlich festgenommen und Demonstrationen oppositioneller Gruppen, die das Wahlergebnis anzweifelten, verboten. In Guinea wurden mehr als 60 Mitglieder des prodemokratischen Bündnisses Front National pour la Défense de la Constitution willkürlich inhaftiert. Während der Wahlen in Mosambik im Oktober 2019 kam es zur Festnahme von 18 Wahlbeobachter_innen, die anschließend lange Zeit ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten wurden.

Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger_innen und Oppositionelle

Die Unterdrückung abweichender Meinungen, die in vielen afrikanischen Ländern üblich war, zeigte sich auch in Angriffen auf Menschenrechtsverteidiger_innen, Aktivist_innen und zivilgesellschaftliche Organisationen. 

In Äquatorialguinea wurden Menschenrechtsverteidiger_innen und Aktivist_innen drangsaliert, eingeschüchtert und willkürlich in Haft genommen. Alfredo Okenve, einer der beiden Leiter des Centro de Estudios e Iniciativas para el Desarrollo (C.E.I.D.), wurde im März 2019 festgenommen. Zudem entzog man dem C.E.I.D., das zu den wenigen unabhängigen Menschenrechtsorganisationen des Landes gehört, per Dekret die Zulassung.

In Simbabwe sahen sich mindestens 22 Menschenrechtsverteidiger_innen und Aktivist_innen sowie führende Vertreter_innen der Zivilgesellschaft und der Opposition mit Anklagen konfrontiert, während andere das Land verließen. Man warf ihnen vor, die friedlichen Proteste gegen die Preiserhöhung für Benzin und Diesel im Januar 2019 organisiert zu haben. Zu den Festgenommenen gehörten auch der Pastor und Menschenrechtsverteidiger Evan Mawarire, der Generalsekretär des Gewerkschaftsdachverbands ZCTU (Zimbabwe Congress of Trade Unions) Japhet Moyo und der Präsident des ZCTU Peter Mutasa.

Auch in Burundi gingen die Behörden 2019 weiterhin hart gegen Menschenrechtsverteidiger_innen, Aktivist_innen und zivilgesellschaftliche Organisationen vor. Die Regierung ordnete die vorübergehende Schließung der zivilgesellschaftlichen Organisation PARCEM an. Ein Gericht bestätigte die Verurteilung des Menschenrechtsverteidigers Germain Rukuki zu 32 Jahren Haft. 

Nach einem Scheinprozess im Juni 2019 verurteilte ein Gericht im Südsudan den Akademiker und Aktivisten Peter Biar Ajak sowie fünf weitere Männer zu Haftstrafen. 

In Mauretanien nahm die Polizei Hausdurchsuchung im Juli 2019 den Anti-Sklaverei-Aktivisten Ahmedou Ould Wediaa bei einer willkürlich fest. Er hatte zuvor die Reaktion der Behörden auf Proteste nach der Präsidentschaftswahl kritisiert. In Nigeria wurden die Journalisten und Menschenrechtsverteidiger Omoyele Sowore, Olawale Bakare und Agba Jalingo auf Grundlage politisch motivierter Anklagen willkürlich festgenommen und inhaftiert. 

In der Demokratischen Republik Kongo gab es eine positive Entwicklung: Im März 2019 erklärte die Regierung, dass auf Anordnung des Präsidenten mehr als 700 Menschen aus dem Gefängnis entlassen und alle inoffiziellen Hafteinrichtungen des Geheimdienstes geschlossen worden seien. Zu den Freigelassenen gehörten auch gewaltlose politische Gefangene und Personen, die über lange Zeit willkürlich inhaftiert waren.
 

Meinungsfreiheit und Einschränkungen politischer Freiräume

Restriktive Gesetze

Einige afrikanische Staaten führten 2019 neue Gesetze ein, um die Aktivitäten von Menschenrechtsverteidiger_innen, Journalist_innen und Oppositionellen einzuschränken.

In Côte d’Ivoire wurde im Juni 2019 ein neues Strafgesetzbuch verabschiedet, das Bestimmungen enthielt, die eine Gefahr für das Recht auf Meinungsfreiheit darstellten. So ist künftig unter anderem die Beleidigung des Staatsoberhauptes und die "Veröffentlichung von Daten, die eine mögliche Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen" strafbar.

Im selben Monat novellierte Burkina Faso sein Strafgesetzbuch und führte weitgefasste Straftatbestände ein, die genutzt werden könnten, um den Zugang zu Informationen einzuschränken und gegen Menschenrechtsverteidiger_innen Aktivist_innen, Journalist_innen und Blogger_innen vorzugehen.

Guinea verabschiedete im Juli 2019 ein Antiterrorgesetz, dessen weitgefasste Bestimmungen sich dafür eignen, die legitime Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäußerung zu kriminalisieren. 

Das nigerianische Parlament begann im Dezember 2019 mit den Beratungen über zwei Gesetzentwürfe, die starke Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Internet enthalten. So sieht einer der Gesetzentwürfe die Verhängung der Todesstrafe für "Hassrede" vor. Die Gesetze würden es den Behörden erlauben, willkürlich den Zugang zum Internet zu blockieren, den Zugang zu sozialen Medien zu beschränken und Kritik an der Regierung mit bis zu drei Jahren Haft zu bestrafen.

Medienfreiheit

In mindestens 25 afrikanischen Staaten und damit in mehr als zwei Dritteln der von Amnesty International untersuchten Länder war 2019 festzustellen, dass die Medienfreiheit eingeschränkt war und Journalist_innen kriminalisiert wurden.

Besonders gravierend war die Lage in Somalia. In Süd-Zentral-Somalia und Puntland wurden Journalist_innen von Angehörigen der Sicherheitskräfte routinemäßig verprügelt, bedroht und willkürlich festgenommen. Die bewaffnete Gruppe Al-Shabab tötete zwei Medienschaffende und ging mit Drohungen, Schikanen und Gewalt gegen weitere vor. Darüber hinaus wurden Facebook-Konten von Journalist_innen gesperrt und Medienhäuser bestochen, um eine kritische Berichterstattung zu unterbinden. Mindestens acht Medienschaffende wurden mit dem Tod bedroht und mussten ins Exil gehen.

In 17 weiteren afrikanischen Staaten kam es 2019 zu willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen von Journalist_innen. In Nigeria dokumentierte Amnesty International 19 Fälle von Journalist_innen, die angegriffen, willkürlich festgenommen oder inhaftiert wurden. Gegen viele von ihnen wurden konstruierte Anklagen erhoben. Im Südsudan wurden mindestens 16 Medienschaffende inhaftiert und zahlreiche weitere drangsaliert. Bei einer Veranstaltung, an der auch Präsident Salva Kiir teilnahm, wurden zwei Journalistinnen tätlich angegriffen.

In Mosambik nahmen die Behörden im Januar 2019 den Journalisten Amade Abubacar fest und hielten ihn monatelang in Untersuchungshaft. In Tansania wurden der Investigativjournalist Erick Kabendera und zwei weitere Medienschaffende willkürlich festgenommen und auf Grundlage konstruierter Vorwürfe angeklagt. Im Oktober 2019 wurden zwei Journalistinnen und zwei Journalisten sowie ihr Fahrer in Burundi festgenommen, als sie auf dem Weg in den Nordwesten des Landes waren, um Berichten über Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und einer bewaffneten Gruppe nachzugehen. 
In Sierra Leone nutzten staatliche Stellen weiterhin das Gesetz über die öffentliche Ordnung, um Journalist_innen, Aktivist_innen und andere kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.

In zahlreichen afrikanischen Staaten waren vorübergehende oder dauerhafte Schließungen von Medienhäusern an der Tagesordnung. Im Januar 2019 schloss die Regierung der Demokratischen Republik Kongo mehrere Medien, um eine Veröffentlichung inoffizieller Wahlergebnisse zu verhindern. Auf diese Weise sollten die zahlreichen Demonstrationen eingedämmt werden, die den staatlichen Stellen massiven Wahlbetrug vorwarfen. In Uganda ordnete die staatliche Medienbehörde im Mai 2019 an, Beschäftigte von 13 unabhängigen Radio- und Fernsehsendern zu suspendieren, nachdem sie über die willkürliche Festnahme des Musikers und Oppositionellen Bobi Wine berichtet hatten. Auch in Ghana, Sambia, Tansania und Togo wurden Medien geschlossen. 

Wer unabhängige Nachrichten verbreiten oder abweichende Meinungen äußern wollte, dem blieb dafür zunehmend nur noch das Internet. In der Folge konzentrierten sich auch die Einschränkungen der Regierungen immer häufiger auf den Online-Bereich. Simbabwe ordnete beispielsweise während der Proteste gegen steigende Benzin- und Dieselpreise im Januar 2019 mehrfach eine Blockade des Internets an. In Benin, der Demokratischen Republik Kongo und Mauretanien wurde der Zugang zum Internet während und nach Wahlen beschränkt. Im Juli 2019 gab der Präsident des Tschads bekannt, er habe die maßgeblichen Internetanbieter angewiesen, Einschränkungen beim Zugang zu sozialen Medien aufzuheben. Zuvor hatten die Behörden stets bestritten, für die seit 2018 bestehenden Zugangsblockaden verantwortlich zu sein. 

Flüchtlinge, Migrant_innen und Binnenvertriebene

Die seit Jahren andauernden bewaffneten Konflikte und die damit einhergehenden humanitären Krisen und anhaltenden Menschenrechtsverletzungen zwangen Hunderttausende Menschen, aus ihren Wohnorten zu fliehen und andernorts Schutz zu suchen.

In Somalia zwangen der bewaffnete Konflikt, Dürren und Überschwemmungen sowie ein eingeschränkter Zugang zu humanitärer Hilfe mehr als 300.000 Menschen zur Flucht. In Kamerun flohen etwa 700.000 Menschen aufgrund der unsicheren Lage aus ihren Wohnorten in den Regionen Nordwest und Südwest. Angriffe von Boko Haram hatten mehr als 270.000 weitere Binnenvertriebene in der Region Extrême-Nord zur Folge. Ähnliche Entwicklungen waren auch in anderen afrikanischen Staaten zu verzeichnen: So wurden in Burkina Faso mehr als 500.000 Menschen, in Mali mehr als 200.000, im Tschad mehr als 222.000 und in der Zentralafrikanischen Republik sogar etwa 600.000 Menschen innerhalb des Landes vertrieben.

Flüchtlinge und Migrant_innen, die Schutz in angrenzenden Ländern suchten, waren zum Teil Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt oder wurden unter Zwang wieder in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt.

Ruanda beherbergte etwa 150.000 Flüchtlinge und Asylsuchende, die hauptsächlich aus Burundi und der Demokratischen Republik Kongo stammten. Ende 2019 war noch niemand für das Vorgehen ruandischer Sicherheitskräfte gegen drei Protestaktionen von Flüchtlingen im Jahr 2018 zur Rechenschaft gezogen worden. Der Einsatz von Schusswaffen hatte dazu geführt, dass mindestens elf kongolesische Flüchtlinge getötet und zahlreiche weitere verletzt worden waren.

Die Regierung Tansanias setzte weiterhin 160.000 Flüchtlinge und Asylsuchende aus Burundi unter Druck, in ihr Herkunftsland zurückzukehren, obwohl den Zurückgekehrten und anderen Personen, die der Regierung Burundis kritisch gegenüberstanden, dort schwere Menschenrechtsverletzungen drohten. Der Druck verstärkte sich im August 2019, als Tansania ein Abkommen mit Burundi schloss, das eine Rückkehr der Flüchtlinge auf "freiwilliger oder unfreiwilliger Basis" vorsah. 

Das unzulängliche Asylsystem in Südafrika führte dazu, dass Hunderttausende Antragsteller_innen über keine ordnungsgemäßen Ausweisdokumente verfügten. Asylanträge wurden in 96 Prozent der Fälle abgelehnt, und Ende 2019 waren noch schätzungsweise 190.000 Rechtsmittel- und Prüfverfahren anhängig. Im August und September 2019 wurden bei fremdenfeindlichen Gewalttaten mindestens zwölf südafrikanische und ausländische Staatsangehörige getötet. Begünstigt wurden die Taten auch dadurch, dass solche Verbrechen in der Vergangenheit nicht geahndet wurden. 
 

Diskriminierung und Ausgrenzung

Frauen und Mädchen

In vielen Ländern Afrikas litten Frauen und Mädchen weiterhin unter Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt. Oft waren dafür kulturelle Traditionen und Normen oder ungerechte Gesetze verantwortlich, die ihre Benachteiligung legitimierten. 
In zahlreichen Staaten des Kontinents wurden Frauen und Mädchen vergewaltigt und anderen Formen sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt, unter anderem in Burundi, in der Demokratischen Republik Kongo, Kamerun, Nigeria, Sierra Leone, Somalia, Südafrika, im Sudan, Südsudan und in der Zentralafrikanischen Republik. 

In Sierra Leone war insofern ein gewisser Fortschritt zu verzeichnen, als ein neues Gesetz verabschiedet wurde, das vorsieht, dass alle Sexualstraftaten direkt an das oberste Strafgericht weitergeleitet werden.

In Äquatorialguinea, Sierra Leone und Tansania waren schwangere Mädchen weiterhin vom Schulbesuch ausgeschlossen. Einen Hoffnungsschimmer bot ein Urteil des Gerichtshofs der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS) bezüglich des Schulverbots in Sierra Leone. Das Gericht entschied im Dezember 2019, dass es diskriminierend und damit unzulässig sei, schwangere Mädchen vom Schulbesuch und von der Teilnahme an Prüfungen auszuschließen.
Auch in einigen anderen Ländern gab es gewisse Verbesserungen, was den Schutz von Frauen und Mädchen vor Diskriminierung anging. Im November 2019 hob die Übergangsregierung im Sudan restriktive Gesetze zur öffentlichen Ordnung auf, die Vorschriften für den Aufenthalt von Frauen an öffentlichen Orten enthielten. In Ghana wurde ein Gesetz zur Chancengleichheit eingebracht, das vorsieht, 50 Prozent der Führungspositionen im Staatsdienst mit Frauen zu besetzen. Obwohl sich örtliche Frauenrechtsgruppen sehr für dieses Gesetz einsetzten, war es Ende 2019 noch nicht verabschiedet worden.

Menschen mit Albinismus 

Der Aberglaube, Körperteile von Menschen mit Albinismus hätten magische Eigenschaften, führte auch 2019 zu zahlreichen Gewalttaten gegen die Betroffenen. In Malawi wurde im Januar 2019 ein 60-jähriger Mann vor den Augen seines neunjährigen Sohnes verstümmelt und getötet. Von einem 14-Jährigen, der im Februar verschleppt worden war, fehlte jede Spur.

Im Juli 2019 nahm das Parlamentarische Forum der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika einen Antrag an, der die Diskriminierung, Angriffe, Entführungen und Tötungen verurteilt, von denen Menschen mit Albinismus in der gesamten Region betroffen sind.

Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche

Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche (LGBTI) litten in zahlreichen afrikanischen Ländern unter Diskriminierung, strafrechtlicher Verfolgung, Schikanen und Gewalt, so zum Beispiel in Angola, Ghana, Guinea, Nigeria, im Senegal, in Sierra Leone, Eswatini, Tansania und Uganda.

In Nigeria waren Festnahmen von Schwulen, Lesben und Bisexuellen an der Tagesordnung. Im Dezember 2019 wurden 47 Männer in Lagos vor Gericht gestellt, denen man vorwarf, ihre gleichgeschlechtliche Orientierung öffentlich zur Schau gestellt zu haben.

Im Senegal wurden mindestens elf Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität festgenommen. Neun von ihnen erhielten Haftstrafen, die von sechs Monaten bis fünf Jahren reichten. In Uganda nahm die Polizei im Oktober 16 LGBTI-Aktivist_innen fest und unterzog sie gegen ihren Willen Analuntersuchungen. In Tansania wurden sechs Gesundheitszentren für LGBTI geschlossen, nachdem man einigen von ihnen "Förderung unethischer Handlungen" vorgeworfen hatte.

Positive Entwicklungen waren in Angola und Botsuana zu verzeichnen. Das angolanische Parlament verabschiedete ein neues Strafgesetzbuch, das gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen nicht länger unter Strafe stellt. In Botsuana entkriminalisierte das Hohe Gericht in einer bahnbrechenden Entscheidung einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Erwachsenen.
 

Recht auf Bildung, Gesundheit und einen angemessenen Lebensstandard

Zahlreiche Regierungen afrikanischer Staaten sorgten nicht für den Schutz und die Wahrung der Rechte auf Gesundheit, Bildung und einen angemessenen Lebensstandard, zu dem auch das Recht auf Wohnen gehört.

Lebensgrundlagen in Gefahr

In Angola wurden große Flächen zu Weideland für die kommerzielle Haltung von Rindern umgewandelt. In der Folge fanden traditionelle Hirten nicht mehr ausreichend Futter für ihr Vieh, und ihre Gemeinden litten unter Ernährungsunsicherheit und Hunger. Eine vorherige Konsultation oder Entschädigung der Hirten fand nicht statt. 
Im Süden der Demokratischen Republik Kongo kamen bei einem Unfall in einer Mine 43 Arbeiter ums Leben. Militäreinsätze in zwei großen Kupfer- und Kobaltminen machten ebenfalls deutlich, dass es in dem Land um den Arbeitsschutz und die Rechte auf Gesundheit und einen angemessenen Lebensstandard schlecht bestellt war. In der Zentralafrikanischen Republik machte ein parlamentarischer Bericht ein Bergbauunternehmen für die Verschmutzung eines Flusses und die damit einhergehende ökologische Katastrophe verantwortlich.

Rechtswidrige Zwangsräumungen

In Ländern wie Nigeria, Simbabwe, Eswatini und Uganda verstießen rechtswidrige Zwangsräumungen gegen das Recht auf angemessenen Wohnraum. Tausende Menschen wurden Opfer dieser Räumungen, ohne Entschädigungen oder alternative Wohnangebote zu erhalten und ohne sich rechtlich dagegen wehren zu können. So ließen beispielsweise die nigerianischen Behörden im Bundesstaat Lagos im Laufe des Jahres mehr als 20 Gemeinden räumen.

In Eswatini waren Hunderte Menschen von rechtswidrigen Zwangsräumungen bedroht. Bei einem Treffen mit einer Amnesty-Delegation im Mai 2019 versprach die Regierung, ein Moratorium für alle Zwangsräumungen zu erlassen, was bis zum Jahresende jedoch noch nicht geschehen war.

Zugang zur Gesundheitsversorgung

In Ländern wie Burundi, der Demokratischen Republik Kongo, Madagaskar und Simbabwe war der Zugang zur Gesundheitsversorgung extrem schlecht. In der Demokratischen Republik Kongo starben mindestens 1.680 Menschen an Ebola, 5.000 an Masern und 260 an Cholera. In Burundi erlagen mehr als 3.100 Personen den Folgen einer Malariainfektion. In Kamerun wurden durch den bewaffneten Konflikt mehrere Gesundheitseinrichtungen zerstört.

In Südafrika gab es zahlreiche Meldungen über einen Mangel an Verhütungsmitteln und antiretroviralen Medikamenten sowie über fehlendes Personal in Einrichtungen, die Vergewaltigungsopfern Hilfe bieten. 

Zugang zu Bildung

Der Zugang zu Bildung war insbesondere in den Ländern stark eingeschränkt, in denen bewaffnete Konflikte wüteten. In Mali waren im Juni nach Angriffen auf Lehrpersonal und Schulgebäude 920 Schulen geschlossen. In Kamerun fand in den von Konflikten erschütterten Regionen Nordwest und Südwest Ende Dezember laut UN-Angaben nur in 17 Prozent der Schulen Unterricht statt, und nur 29 Prozent des Lehrpersonals konnte arbeiten. In Burkina Faso führten Angriffe von bewaffneten Gruppen zur Schließung von 2.087 Schulen mit mehr als 300.000 Schüler_innen und 9.000 Lehrer_innen.

Es gab aber auch eine positive Entwicklung: In der Demokratischen Republik Kongo wurde 2019 die kostenlose Grundschulbildung eingeführt, die in der Verfassung des Landes vorgesehen ist und Millionen Kindern Zugang zu Bildung ermöglicht. Bei der Umsetzung gab es jedoch Probleme aufgrund schlechter Planung, fehlender Infrastruktur und unzureichender Finanzierung.
 

Regionale Menschenrechtsinstitutionen

Afrikanische Regierungen beachteten nur sehr selten die Entscheidungen der regionalen Menschenrechtsinstitutionen. Diese zeigten sich enttäuscht angesichts der mangelnden Kooperation der Mitgliedstaaten und deren Versuchen, die Unabhängigkeit und Autonomie der Menschenrechtsinstitutionen zu untergraben.

Einige wenige Staaten übermittelten 2019 mit jahrelanger Verspätung Berichte an die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker (African Commission on Human and Peoples' Rights – ACHPR) und an den Afrikanischen Sachverständigenausschuss für die Rechte und das Wohlergehen von Kindern (African Committee of Experts on the Rights and Welfare of the Child – ACERWC). Die meisten Mitgliedstaaten reagierten nicht, wenn sie von den regionalen Menschenrechtsinstitutionen dringende Aufforderungen erhielten oder vorläufige Maßnahmen ergreifen sollten, selbst wenn es sich um Fälle handelte, bei denen den Betroffenen unwiederbringlicher Schaden drohte.

Nur wenige afrikanische Staaten stimmten Besuchen von Vertreter_innen regionaler Menschenrechtsinstitutionen zu. 2019 unterstützte kein einziges Land die Umsetzung dieser Besuche, und kein Staat richtete eine ständige Einladung an die ACHPR oder den ACERWC.

Im August 2019 sagte der Präsident von Simbabwe zu, das Protokoll zur Errichtung des Afrikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und Rechte der Völker zu ratifizieren. Bis zum Jahresende war dies jedoch noch nicht geschehen. Die Regierung Tansanias entzog Einzelpersonen und NGOs das Recht, beim Afrikanischen Gerichtshof für Menschenrechte und Rechte der Völker direkt Beschwerde gegen das Land einlegen zu können. Sie versuchte damit auf zynische Weise, ihrer Rechenschaftspflicht zu entgehen. 

Trotz zahlreicher Herausforderungen erarbeiteten die ACHPR und der ACERWC eine beachtliche Anzahl neuer Menschenrechtsstandards und -normen, wie zum Beispiel den Allgemeinen Kommentar Nr. 5 der ACHPR zum Recht auf Freizügigkeit.
 

Ausblick

Afrika sieht sich einer Vielzahl menschenrechtlicher Herausforderungen gegenüber. Der Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten, ein Ende der Unterdrückung von Menschenrechtsverteidiger_innen und Aktivist_innen, mehr Raum für politischen Dialog, ein Ende von Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Minderheiten und die Sicherstellung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte schutzbedürftiger Menschen sind nur einige davon. Aber wenn es eine Lehre aus dem Jahr 2019 gibt, dann die, dass dauerhafte Lösungen auf Rechenschaftspflicht und Gerechtigkeit fußen und dass sie getragen werden von der Kraft und Standhaftigkeit der Menschen, die eine tatsächliche Verbesserung der Menschenrechtslage erreichen wollen.

Die Afrikanische Union hat 2020 als das Jahr betitelt, in dem "die Waffen zum Schweigen gebracht werden". Das Ziel, alle bewaffneten Konflikte in Afrika zu beenden, liegt jedoch noch immer in weiter Ferne. Es kann nur erreicht werden, wenn die weitverbreitete Kultur der Straffreiheit beendet und Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für die Opfer von schweren Menschenrechtsverletzungen gewährleistet wird.
 

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