Aktuell Russische Föderation 26. Januar 2023

Russland: Auflösung der Moskauer Helsinki-Gruppe ist rechtswidrig

Das Bild zeigte mehrere Menschen, die vor Mikrofonen stehen

Mitglieder der Moskauer Helsinki-Gruppe und deren Anwalt (Mitte) beantworten in der russischen Hauptstadt Presseanfragen, nachdem die Menschenrechtsorganisation durch einen Gerichtsbeschluss aufgelöst worden war (25. Januar 2023).

Die russischen Behörden gehen weiter gegen Menschenrechtsorganisationen im Land vor. Nun wurde die Moskauer Helsinki-Gruppe geschlossen – die älteste Menschenrechtsgruppe in Russland. Diese Entscheidung ist rechtswidrig und muss umgehend rückgängig gemacht werden.

Am 25. Januar 2023 gab das Moskauer Stadtgericht dem Antrag des Justizministeriums statt, die 1976 in der Sowjetunion gegründete Menschenrechtsorganisation Moskauer Helsinki-Gruppe aufzulösen. Dazu kommentiert Marie Struthers, Direktorin für Osteuropa and Zentralasien bei Amnesty International:

"Russland gerät immer tiefer in eine Menschenrechtskrise. Die Verachtung der Menschenrechte und die Angst vor diesen Rechten und denjenigen, die sie vertreten, wird zur Staatspolitik. In einem Land, in dem die Menschenrechte entwertet und mit Füßen getreten werden, gibt es praktisch keinen Platz mehr für Menschenrechtsarbeit.

Nach der Auflösung der Organisationen Memorial, For Human Rights Movement und Open Russia sowie der Räumung des Moskauer Sacharow-Zentrums aus seinen Büros haben die Behörden nun die Helsinki-Gruppe in Moskau geschlossen. Dies ist besonders zynisch, wenn man bedenkt, dass Präsident Wladimir Putin 2017 die bekannte Vorsitzende der Moskauer Helsinki-Gruppe und Ikone der sowjetischen Dissident*innenbewegung, Ludmila Aleksejewa (Liudmila Mikhailovna Alekseeva), besuchte und bei ihrer Beisetzung 2018 Blumen niederlegte.

Die Auflösung der ältesten Menschenrechtsgruppe des Landes durch die russischen Behörden wird als beschämende Tat in die Geschichte eingehen. Die Entscheidung, die Moskauer Helsinki-Gruppe zu schließen, ist rechtswidrig und muss rückgängig gemacht werden. Die Unterdrückung der Zivilgesellschaft muss aufhören. Russland und die russische  Bevölkerung haben etwas Besseres verdient."

Hintergrund

Die Klage gegen die Moskauer Helsinki-Gruppe stützte sich auf eine Reihe angeblicher "Verstöße" der Organisation, zum Beispiel die Teilnahme von Mitgliedern der Gruppe an Veranstaltungen außerhalb Moskaus, wodurch die satzungsmäßigen Rechte der Organisation überschritten worden sein sollen.

Die Aussetzung und unfreiwillige Auflösung einer Organisation gehören zu den schwersten Einschränkungen des Rechts auf Vereinigungsfreiheit, das in Artikel 22 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte geschützt ist. In Anbetracht der Schwere der Maßnahme darf sie nur dann angewendet werden, wenn eine eindeutige und unmittelbare Bedrohung beispielsweise der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung vorliegt. Sie muss unbedingt erforderlich sein, in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Ziel stehen und darf nur dann angewendet werden, wenn weniger restriktive Mittel nicht ausreichen würden.

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