Aktuell Russische Föderation 19. März 2019

Amnesty kritisiert Justizfarce beim Verfahren gegen Menschenrechtler Oyub Titiev

Ein Mann lehnt sich an graue Gitterstäbe, durch die er die Arme streckt, um seine Hände zu falten

Menschenrechtsverteidiger Oyub Titiev, Leiter des Büros der Organisation Memorial in Grosny, vor Gericht im August 2018

Zum heutigen Urteil wegen angeblichen Drogenbesitzes gegen Oyub Titiev, den Leiter des Büros des Menschenrechtszentrums Memorial, erklärt Peter Franck, Russlandexperte bei Amnesty International in Deutschland:

Was zu befürchten war, ist eingetreten. Gestern hat das Stadtgericht von Schlali in Tschetschenien umgesetzt, was Ramsan Achmatowitsch Kadyrow, Präsident der russischen Teilrepublik, von ihm erwartet hat: Das Gericht hat den Menschenrechtler wegen unerlaubten Drogenbesitzes zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Peter
Franck
Russlandexperte bei Amnesty International in Deutschland

Bereits wenige Tage nach der Festnahme des Václav-Havel-Preisträgers im Januar 2018 hatte Kadyrow im staatlichen Fernsehen behauptet, dass es sich bei Titiev um einen Drogenabhängigen handele.

"Das Gericht hat keine Entlastungsbeweise zugelassen, aus denen sich eindeutige Hinweise hätten ergeben können, dass Titiev die Drogen bei einer Polizeikontrolle untergeschoben worden waren. Überaus zweifelhaften Belastungszeugen hat es dagegen geglaubt", sagt Franck.

Fast zehn Jahre ist es inzwischen her, dass die Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa, die in Tschetschenien ebenfalls für Memorial gearbeitet hatte, Opfer eines nie aufgeklärten Mordes wurde. Mit dem heutigen Urteil beenden Polizei und Justiz nun die Arbeit ihres Kollegen Titiev.

Peter
Franck
Russlandexperte bei Amnesty International in Deutschland

Geht es nach Kadyrow wird es bei Memorial keinen Nachfolger für Titiev geben. Tschetscheniens Präsident hatte sich im Sommer 2018 an die Strafverfolgungsbehörden gewandt und angekündigt, Sanktionen gegen Menschenrechtsverteidiger zu verhängen, weil sie angeblich "unser Volk daran hindern, in Frieden zu leben". Nach dem Ende des Prozesses gegen Oyub Titiev, so Kadyrow weiter, dürften diese Personen die Region nicht mehr betreten.

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