Pressemitteilung Aktuell Russische Föderation 28. Februar 2022

Russland: Kreml zensiert Medien, Tausende Demonstrierende festgenommen

Eine Frau hält ein Pappschild mit russischer Schrift in der Hand, während zwei Polizisten sie an den Armen packen und wegzerren.

"Kein Krieg!": Polizisten nehmen in der russischen Stadt St. Petersburg eine Demonstrantin fest, die mit ca. 1000 weiteren Menschen gegen die russische Invasion der Ukraine protestiert hatte (24. Februar 2022).

+++ Dieser Artikel wurde am 28. Februar 2022 um 13:02 Uhr mit einer deutschen Übersetzung aktualisiert. +++

 

In Russland werden Medien zensiert, Antikriegsproteste aufgelöst und alle diejenigen verfolgt, die sich öffentlich gegen den russischen Einmarsch in der Ukraine aussprechen. Dazu sagte Marie Struthers, Direktorin für Osteuropa und Zentralasien bei Amnesty International:

"Während in ganz Russland Tausende Menschen auf die Straße gehen, um gegen den Krieg zu protestieren, setzt der Kreml weiterhin alles daran, Kritiker_innen zum Schweigen zu bringen – und zwingt zu diesem Zweck die heimischen Medien zur Unterstützung seiner politischen Maßnahmen. Die russischen Behörden wenden Gewalt und Zwang an, um Antikriegsproteste aufzulösen und die Presse zu zensieren; damit setzen sie immer stärker auf staatliche Repression, während die öffentliche Meinung sich zunehmend gegen den Krieg wendet.

Die russische Führung ist so verzweifelt darauf bedacht, kritische Stimmen zu unterdrücken, dass sie nun auch staatlich kontrollierte Unternehmen einsetzt, um diejenigen zum Schweigen zu bringen, die sich gegen den Konflikt aussprechen. Die Geringschätzung der Behörden gegenüber der Pressefreiheit lässt sich deutlich an den jüngsten Vorfällen ablesen: So wurde die Show von Fernsehmoderator Ivan Urgant offenbar aus dem Programm genommen und die angesehene Journalistin Elena Chernenko aus einem Pressepool der Regierung ausgeschlossen, weil sie in einem Brief den Krieg verurteilt hatte.

"Russland verletzt mit wahllosen Angriffen in der Ukraine das humanitäre Völkerrecht und tritt gleichzeitig im eigenen Land die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit mit Füßen, um die Kreml-Version des Konflikts durchzusetzen. Das brutale Vorgehen der Behörden gegen Personen, die sich gegen den Krieg aussprechen, muss sofort aufhören."

Hintergrund 

Am 24. Februar 2022 wies die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadzor die Medien an, bei der Berichterstattung über den Einmarsch Russlands in der Ukraine nur Informationen aus offiziellen staatlichen Quellen zu verwenden. Wer sich dieser Anordnung widersetzt, muss mit der Sperrung seiner Website und einer Geldstrafe von bis zu 55.500 Euro rechnen. Am 28. Februar blockierte die Medienaufsichtsbehörde die Website des Fernsehsenders Nastoyashchee Vremya, ein Projekt unter der Schirmherrschaft von Radio Free Europe/Radio Liberty, wegen mutmaßlichen Verbreitens "unzuverlässiger Informationen von öffentlichem Belang" über den Konflikt.

 

Am 27. Februar gab die russische Generalstaatsanwaltschaft eine Stellungnahme ab, in der sie mit einer strafrechtlichen Verfolgung wegen "Hochverrats" gegen alle diejenigen drohte, die "ausländische Staaten, internationale bzw. ausländische Organisationen oder deren Vertreter_innen bei Aktivitäten unterstützen, die gegen die Sicherheit der Russischen Föderation gerichtet sind".

In den ersten vier Tagen der Invasion der Ukraine ging die russische Polizei regelmäßig mit Gewalt gegen die landesweiten Antikriegsproteste vor. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation OVD-Info wurden in mindestens 67 Städten und Ortschaften im ganzen Land mehr als 5.900 friedliche Demonstrierende festgenommen. Am 24. Februar wurde der politische Philosoph Grigory Yudin von der Polizei bewusstlos geschlagen und musste kurzzeitig im Krankenhaus behandelt werden.

Weitere Artikel