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Afghanistan: Abschiebungen stoppen!
Bei einem Anschlag mit einer Autobombe in der afghanischen Hauptstadt Kabul starben am 4. August 2021 mehrere Zivilpersonen.
© IMAGO / Xinhua
Anlässlich der aktuellen Abschiebungspraxis nach Afghanistan vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Sicherheitslage appelliert Amnesty International gemeinsam mit 26 weiteren humanitären und menschenrechtlichen Organisationen und Verbänden – darunter Brot für die Welt, Caritas und Pro Asyl – an die Bundesregierung, die Abschiebungen in das vom bewaffneten Konflikt gezeichnete Land zu stoppen.
In Afghanistan vergeht kaum ein Tag ohne Anschlag. Seit dem Abzug der NATO-Truppen sind die Taliban auf dem Vormarsch: Mehr als die Hälfte der Bezirke in Afghanistan steht schon unter Kontrolle der Taliban, viele weitere sind umkämpft. Die dritte Welle der Covid-19-Pandemie verschärft die humanitäre Situation im Land zusätzlich. Die Lage am Hindukusch ist dramatisch und wird sich aller Voraussicht nach weiter verschlechtern.
Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, fordert: "Ein Stopp aller Abschiebungen aus Deutschland nach Afghanistan ist spätestens jetzt dringend geboten. Jede Abschiebung nach Afghanistan verstößt aktuell gegen das Völkerrecht."
Die afghanische Regierung hat bereits im Juli die europäischen Staaten aufgefordert, vorläufig keine Abschiebungen mehr durchzuführen. Zahlreiche Staaten sind dieser Aufforderung bereits nachgekommen. Auch die Grenzschutzagentur Frontex hat Anfang August bekanntgegeben, keine Abschiebungen nach Afghanistan mehr unterstützen zu wollen.
Zudem hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer Eilentscheidung am 2. August eine Abschiebung aus Österreich nach Kabul, die ursprünglich gemeinsam mit Deutschland stattfinden sollte, mit Verweis auf die dortige Sicherheitslage gestoppt. Nicht so die Bundesregierung: Am 5. August bat Bundesinnenminister Horst Seehofer gemeinsam mit den Innenministern fünf weiterer EU-Mitgliedstaaten die EU-Kommission, sich bei der afghanischen Regierung für die Fortsetzung von Abschiebungen in das Land einzusetzen.
"Wer in der aktuellen Situation Menschen nach Afghanistan abschiebt, verletzt grob die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik. Deutschland muss dem Beispiel von Norwegen, Schweden und Finnland folgen und die Abschiebungen aussetzen bis sich die Sicherheits- und Menschenrechtslage in Afghanistan deutlich verbessert hat. Hier scheint ein Machtwort der Bundeskanzlerin gegenüber dem völkerrechtswidrigen Agieren der Innenminister und Innenministerin in Bund und Ländern überfällig", sagt Markus N. Beeko.
Rechtsstaat heißt, dass grundlegende menschenrechtliche Prinzipien eingehalten und auch nicht in einem Wahlkampf zur Verhandlung gestellt werden. Hierzu gehört das völkerrechtliche Nicht-Zurückweisungsgebot (Nin-Refoulement-Prinzip), das aus dem absoluten Folterverbot abgeleitet wird und das Abschiebungen bei zu erwartenden schwersten Menschenrechtsverletzungen verbietet. Dieses Abschiebungsverbot gilt unabhängig von individuellem Verhalten für alle Menschen.