Kranke Mutter will inhaftierten Sohn sehen

Seitenaufnahme eines Mannes vor Hochhauskulisse.

Huang Qi, Gründer und Verantwortlicher der Website "64 Tianwang", wurde am 29. Juli 2019 zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Seine 87-jährige Mutter, Pu Wenqing, konnte ihn seit 2016 nicht mehr sehen und macht sich angesichts ihrer schlechten Gesundheit Sorgen, ob sie ihn überhaupt noch einmal sehen wird. Auch Huang Qi ist gesundheitlich stark angeschlagen. Zusätzlich ist er in der Haft einem erhöhten Risiko ausgesetzt, gefoltert oder misshandelt zu werden, da er keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl oder seiner Familie hat.

Appell an

Tang Yijun

Minister of Justice

6, Chaoyangmen Nandajie

Chaoyang Qu

Beijing Shi, 100051, CHINA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Volksrepublik China

S. E. Herrn Ken Wu

Märkisches Ufer 54


10179 Berlin 

Fax: 030-27 58 82 21

E-Mail: presse.botschaftchina@gmail.com

 

Amnesty fordert:

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass Huang Qi sofort und bedingungslos freigelassen wird, es sei denn, es liegen ausreichende glaubwürdige und zulässige Beweise vor, nach denen er eine international anerkannte Straftat begangen hat, und er erhält einen Prozess, der internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entspricht.
  • Stellen Sie dringend sicher, dass Huang Qi in der Haft regelmäßigen und uneingeschränkten Zugang zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand seiner Wahl erhält und dass er nicht gefoltert oder anderweitig misshandelt wird.
  • Gewähren Sie ihm bitte umgehend den regelmäßigen und uneingeschränkten Zugang zu der von ihm benötigten medizinischen Versorgung.

Sachlage

Huang Qi (黄琦) verbüßt derzeit eine zwölfjährige Haftstrafe im Gefängnis von Bazhong in der Provinz Sichuan, allein weil er friedlich sein Recht auf freie Meinungsäußerung ausgeübt hat. Seine 87-jährige Mutter, Pu Wenqing, ist schwer krank. Sie konnte ihren Sohn seit seiner Festnahme 2016 nicht mehr sehen.

Am 25. April 2020 veröffentlichte Pu Wenqing einen Offenen Brief im Internet. Darin schreibt sie, dass sie Huang Qi eigentlich zwei Monate nach seiner Verlegung in das Gefängnis von Bazhong im Dezember 2019 besuchen wollte. Doch nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie wurde ihr Besuch abgesagt, und es liegen keine weiteren Informationen darüber vor, wann sie Huang Qi sehen darf.

Huang Qi, Gründer und Verantwortlicher der in Sichuan ansässigen Website "64 Tianwang", wurde am 29. Juli 2019 vom Mittleren Gericht der Stadt Mianyang wegen der "Preisgabe von Staatsgeheimnissen" (故意泄露国家秘密罪) und "Weitergabe von Staatsgeheimnissen an eine ausländische Organisation" (境外非法提供情) zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener und es besteht Anlass zu großer Sorge, da er seit seiner Verurteilung keinen Kontakt mehr zu einem Rechtsbeistand hatte. Auch sein Gesundheitszustand ist schlecht: Er leidet an einer chronischen Nierenerkrankung, an Hydrozephalus sowie an weiteren Herz- und Lungenerkrankungen. Es ist unklar, ob er in Gewahrsam Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung erhält.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Anfang Dezember 2018 wurde die Mutter von Huang Qi, Pu Wenqing, von Angehörigen der Polizei in der Provinz Sichuan mitgenommen, als sie gerade auf dem Weg nach Peking war, um diplomatischen Beistand für ihren Sohn zu erbitten. Laut verschiedener Quellen wurde sie mehrfach von Polizist_innen bedroht, bevor man sie am 21. Januar 2019 aus der Haft entließ. In ihrem Offenen Brief berichtet sie, dass sie von Angehörigen der Staatssicherheit daran gehindert wurde, Menschenrechtsanwält_innen zu treffen und zu beauftragen. Außerdem betont sie, dass sich ihr Gesundheitszustand schnell verschlechtert. Sie hat Lungentumore und keinen Zugang zu einer adäquaten Behandlung. Außerdem leidet sie an Diabetes und hat Probleme mit ihrer Leber, ihrer Niere und ihrem Magen. Sie hat Angst, dass sie ihren Sohn nicht mehr sehen wird, bevor sie stirbt.

"64 Tianwang" (www.64tianwang.com) wurde 1998 von Huang Qi und seiner Frau Zeng Li gegründet. Die Website ist eine der wenigen mit Sitz auf dem chinesischen Festland, die über Protestaktionen von Petitionsstellenden in China berichten und diese dokumentieren. Die meisten derjenigen, die für die Seite über die Proteste und Festnahmen von Petitionsstellenden schreiben, waren früher selbst Petitionsstellende.

Berichten zufolge wurde Huang Qi während seiner Haft mehrfach misshandelt. Am 23. Oktober 2018 gab er gegenüber seinem Rechtsbeistand an, dass Ärzt_innen und Angestellte der Hafteinrichtung Untersuchungsergebnisse zu seinem Bluthochdruck gefälscht und Berichte zu seinem Gesundheitszustand beschönigt haben. Am 28. Juli 2017 hatte Huang Qi seinem Rechtsbeistand bereits erzählt, dass er seit seiner Inhaftierung Ende 2016 misshandelt und gezwungen worden sei, stundenlang zu stehen. Wie Huang Qi seinem Rechtsbeistand am 3. November 2017 mitteilte, wurde er zwischen dem 24. und dem 26. Oktober mit Wissen von mindestens einem Gefängnismitarbeiter im Gefängnis der Stadt Mianyang in der Provinz Sichuan von Mithäftlingen verprügelt.

Auch in den Vorjahren sind Huang Qi und weitere Mitwirkende der Website "64 Tianwang" von den chinesischen Behörden wiederholt festgenommen und drangsaliert worden. Huang Qi war zweimal inhaftiert. Er wurde zum ersten Mal im Juni 2000 festgenommen, am 11. Jahrestag des Massakers auf dem Tiananmenplatz. Im Mai 2003 erfolgten ein Schuldspruch wegen "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsmacht" und eine Verurteilung zu fünf Jahren Haft. Er wurde erneut zu drei Jahren Haft verurteilt, als sich herausstellte, dass er an der Aufdeckung des Bauskandals im Zusammenhang mit dem Erdbeben von 2008 in Wenchuan in der Provinz Sichuan beteiligt war.

Laut "64 Tianwang" sind die Bürgerjournalist_innen der Website seit dem Amtsantritt von Präsident Xi Jinping im Jahr 2012 über 100 Mal verhört und mindestens 30 von ihnen gefangen oder offiziell in Haft genommen worden. Zehn Journalist_innen von "64 Tianwang" befinden sich gegenwärtig in Haft, darunter Wang Jing, Zhang Jixin, Li Min, Sun Enwei, Li Chunhua, Wei Wenyuan, Xiao Jianfan, Li Zhaoxiu, Chen Mingyan und Wang Shurong.

Auch die Rechtsbeistände von Huang Qi sind zum Ziel von Vergeltungsmaßnahmen durch die chinesischen Behörden geworden. Im Februar 2018 setzte das Justizministerium der Provinz Guangdong den in Guangzhou niedergelassenen Rechtsbeistand Sui Muqing darüber in Kenntnis, dass man ihm die Lizenz entzogen hatte. Der Rechtsbeistand, der Huang Qi zuvor vertreten hatte, ist der Ansicht, dass dies mit seiner Vertretung von Menschenrechtsverteidiger_innen zusammenhängt. Einem weiteren Rechtsbeistand von Huang Qi, Liu Zhengqing, wurde im Januar 2019 ebenfalls die Anwaltslizenz entzogen.