Sorge um inhaftierten Menschenrechtler

Huang Qi

Huang Qi, Gründer der Webseite "64 Tianwang" (Archivbild)

Huang Qi, Gründer und Verantwortlicher der in Sichuan ansässigen Website "64 Tianwang", konnte am 17. September 2020 endlich mit seiner Mutter sprechen - zum ersten Mal seit er vor über vier Jahren inhaftiert worden war. Sein Gesundheitszustand soll sich weiter verschlechtert haben, und er soll Symptome von Unterernährung aufweisen. Da Huang Qi ohnehin schon an ernsthaften Gesundheitsproblemen leidet, ist die Sorge um sein Wohlergehen groß. Im Januar 2019 wurde Huang Qi in einem Geheimverfahren zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der sich nur aufgrund der Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung in Haft befindet.

Appell an

Minister of Justice

Tang Yijun

6, Chaoyangmen Nandajie

Chaoyang Qu

Beijing Shi, 100051

VOLKSREPUBLIK CHINA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Volksrepublik China

S. E. Herrn Ken Wu

Märkisches Ufer 54

10179 Berlin

Fax: 030-27 58 82 21

E-Mail: de@mofcom.gov.cn

Amnesty fordert:

  • Stellen Sie dringend sicher, dass Huang Qi in der Haft regelmäßigen und uneingeschränkten Zugang zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand seiner Wahl erhält und dass er nicht gefoltert oder anderweitig misshandelt wird.
  • Gewähren Sie ihm bitte umgehend den regelmäßigen und uneingeschränkten Zugang zu der von ihm benötigten medizinischen Versorgung.

Sachlage

Huang Qi (黄琦) verbüßt derzeit eine zwölfjährige Haftstrafe im Gefängnis von Bazhong in der Provinz Sichuan, allein weil er friedlich sein Recht auf freie Meinungsäußerung ausgeübt hat. Seit seiner Verurteilung im Januar 2019 hatte er keinen Kontakt zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl.

Nachdem er vier Jahre ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten wurde, war es eine Erleichterung, dass ihm am 17. September 2020 ein Videoanruf mit seiner Mutter gestattet wurde. Es ist aber besorgniserregend, dass seine Mutter nicht weiß, ob sie wieder mit ihm sprechen darf. Es gibt bis jetzt keine Bestätigung für zukünftige Kommunikationsmöglichkeiten. Ohne regelmäßigen und uneingeschränkten Kontakt zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand seiner Wahl bleibt Huang Qi in Gefahr, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.

Seine Gesundheit soll sich weiter verschlechtert haben. Huang Qi leidet an einer chronischen Nierenerkrankung, an Hydrozephalus sowie an verschiedenen Herz- und Lungenerkrankungen. Deswegen muss ihm als erste Priorität umgehend der Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung gewährt werden.

Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener und muss umgehend und bedingungslos freigelassen werden, da er allein wegen der friedlichen Ausübung seiner Rechte inhaftiert wurde.

Hintergrundinformation

Hintergrund

"64 Tianwang" (www.64tianwang.com) wurde 1998 von Huang Qi und seiner Frau Zeng Li gegründet. Die Website ist eine der wenigen mit Sitz auf dem chinesischen Festland, die über Protestaktionen von Petitionsstellenden in China berichten und diese dokumentieren. Die meisten derjenigen, die für die Seite über die Proteste und Festnahmen von Petitionsstellenden schreiben, waren früher selbst Petitionsstellende. Huang Qi wurde am 29. Juli 2019 vom Mittleren Gericht der Stadt Mianyang wegen der "Preisgabe von Staatsgeheimnissen" (故意泄露国家秘密罪) und "Weitergabe von Staatsgeheimnissen an eine ausländische Organisation" (为境外非法提供情报罪) angeklagt.

Im April 2020 veröffentlichte seine Mutter Pu Wenqing einen Offenen Brief im Internet. Darin schrieb sie, dass sie Huang Qi eigentlich zwei Monate nach seiner Verlegung in das Gefängnis von Bazhong im Dezember 2019 besuchen wollte. Doch nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie wurde ihr Besuch abgesagt, und es lagen keine weiteren Informationen darüber vor, wann sie Huang Qi sehen durfte. Außerdem berichtete sie, dass sich ihr eigener Gesundheitszustand schnell verschlechterte. Sie habe Lungentumore, für die es keine Behandlung gäbe. Sie leidet zudem an Diabetes und hat Probleme mit ihrer Leber, ihren Nieren sowie ihrem Magen und hatte Angst, dass sie ihren Sohn nicht mehr sehen würde, bevor sie stirbt.

Huang Qi durfte am 17. September 2020 endlich mit seiner Mutter sprechen - zum ersten Mal seit er vor über vier Jahren inhaftiert worden war. Das Gespräch soll eine halbe Stunde gedauert haben und sich vor allem um die aktuelle Situation von Huang Qi gedreht haben. Pu Wenqing soll ihren Sohn außerdem gebeten haben, sie einmal im Monat per Videoanruf zu kontaktieren. Es ist jedoch unklar, ob die Behörden diesem Antrag stattgeben werden.

Huang Qi wurde 2016 erstmals festgenommen und Berichten zufolge während seiner Haft mehrfach misshandelt. Am 23. Oktober 2018 gab er gegenüber seinem Rechtsbeistand an, dass Ärzt_innen und Angestellte der Hafteinrichtung Untersuchungsergebnisse zu seinem Bluthochdruck gefälscht und Berichte zu seinem Gesundheitszustand beschönigt haben. Am 28. Juli 2017 hatte Huang Qi seinem Rechtsbeistand bereits erzählt, dass er seit seiner Inhaftierung Ende 2016 misshandelt und gezwungen worden sei, stundenlang zu stehen. Wie Huang Qi seinem Rechtsbeistand am 3. November 2017 mitteilte, wurde er zwischen dem 24. und dem 26. Oktober 2017 mit Wissen von mindestens einem Gefängnismitarbeiter im Gefängnis der Stadt Mianyang in der Provinz Sichuan von Mithäftlingen verprügelt.

Auch in den Vorjahren sind Huang Qi und weitere Mitwirkende der Website "64 Tianwang" von den chinesischen Behörden wiederholt festgenommen und drangsaliert worden. Huang Qi war zweimal inhaftiert. Er wurde zum ersten Mal im Juni 2000 festgenommen, am 11. Jahrestag des Massakers auf dem Tiananmenplatz. Im Mai 2003 erfolgten ein Schuldspruch wegen "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsmacht" und eine Verurteilung zu fünf Jahren Haft. Er wurde erneut zu drei Jahren Haft verurteilt, als sich herausstellte, dass er an der Aufdeckung des Bauskandals im Zusammenhang mit dem Erdbeben von 2008 in Wenchuan in der Provinz Sichuan beteiligt war.

Auch die Rechtsbeistände von Huang Qi sind zum Ziel von Vergeltungsmaßnahmen durch die chinesischen Behörden geworden. Im Februar 2018 setzte das Justizministerium der Provinz Guangdong den in Guangzhou niedergelassenen Rechtsbeistand Sui Muqing darüber in Kenntnis, dass man ihm die Anwaltslizenz entzogen hatte. Der Rechtsbeistand, der Huang Qi zuvor vertreten hatte, ist der Ansicht, dass dies mit seiner Vertretung von Menschenrechtsverteidiger_innen zusammenhängt. Einem weiteren Rechtsbeistand von Huang Qi, Liu Zhengqing, wurde im Januar 2019 ebenfalls die Anwaltslizenz entzogen.