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Mauretanien 2023
© Amnesty International
Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023
Mindestens eine Person starb 2023 an den Folgen von Folter in Polizeigewahrsam. Ein Aktivist fiel dem Verschwindenlassen durch die mauretanische und die senegalesische Polizei zum Opfer. Die Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung wurden auf unzulässige Weise eingeschränkt, u. a. durch Störung des Internets und unverhältnismäßige Gewaltanwendung. Menschen wurden in Mauretanien nach wie vor aufgrund ihrer Herkunft versklavt. Expertinnen der Vereinten Nationen berichteten über eine Kultur der Straflosigkeit in Bezug auf geschlechtsspezifische Gewalt.
Hintergrund
Im Mai 2023 gewann die Regierungspartei die Parlaments-, Regional- und Kommunalwahlen, ein Jahr nachdem Mohamed Ould Ghazouani zum Präsidenten gewählt worden war. Einige Oppositionsparteien stellten das Wahlergebnis infrage und erhoben Betrugsvorwürfe. Im Dezember wurde der ehemalige Präsident Mohamed Ould Abdel Aziz wegen Korruption zu fünf Jahren Haft verurteilt.
Folter und andere Misshandlungen
Am 9. Februar 2023 wurde der Menschenrechtsverteidiger Souvi Ould Jibril Ould Cheine wegen unbezahlter Schulden auf die Polizeiwache Dar Naim 2 in der Hauptstadt Nouakchott vorgeladen und dort in Gewahrsam genommen. Einige Zeit später wurde er in das Sheikh-Zayed-Krankenhaus gebracht, wo er für tot erklärt wurde. Als Todesursache wurde zunächst ein Herzinfarkt genannt, doch da sein Körper Spuren von Folter aufwies, kam es zu Protesten. Das Gesundheitsministerium führte daraufhin eine Obduktion durch, bei der als Todesursache Ersticken durch Strangulation festgestellt wurde. In der Folge ordnete der Staatsanwalt die Festnahme des Kommissars und aller Polizeikräfte an, die an der Festnahme und der Vernehmung von Souvi Ould Jibril Ould Cheine beteiligt gewesen waren.
Im Juni 2023 machten Rechtsbeistände der Familie von Oumar Diop auf einer Pressekonferenz geltend, dass der junge Mann in Polizeigewahrsam gefoltert worden sei. Laut Polizeiangaben war Oumar Diop im Mai nach einer Schlägerei festgenommen und auf der Polizeiwache von Sebkha, einem Vorort von Nouakchott, vernommen worden. Anschließend sei er wegen Atemnot ins Krankenhaus gebracht worden, wo er kurz darauf verstorben sei. Der Obduktionsbericht führte seinen Tod auf einen durch übermäßigen Kokain- und Alkoholkonsum verursachten Herzstillstand zurück. Die Rechtsbeistände der Familie forderten eine eingehende Untersuchung des Todes von Oumar Diop.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Im Juni 2023 sperrten die Behörden mehrere Tage lang die mobilen Zugänge zum Internet, nachdem es wegen des Todes von Oumar Diop in Polizeigewahrsam (siehe "Folter und andere Misshandlungen") zu landesweiten Protesten gekommen war. Auch während der Hochschulprüfungen wurde der Internetzugang mehrfach gesperrt, wodurch laut Regierungsangaben Schummelversuche verhindert werden sollten.
Am 28. Juli 2023 wurde eine 19-jährige Oberschülerin im Frauengefängnis der Hauptstadt Nouakchott inhaftiert, weil sie in einer Prüfung "den Propheten beleidigt und verspottet" haben soll. Ihre Unterlagen waren von einem Prüfer in den Sozialen Medien geteilt und als blasphemisch bezeichnet worden. Blasphemie gegen den Propheten wurde in Mauretanien weiterhin mit der Todesstrafe geahndet.
Verschwindenlassen
Am 14. September 2023 wurde der mauretanische Aktivist Youba Siby, auch bekannt als Youba El Ghaouth, von der Kriminalpolizei im Senegal festgenommen. Daraufhin fiel er 20 Tage lang dem Verschwindenlassen zum Opfer, ohne dass die senegalesischen oder mauretanischen Behörden Informationen über sein Schicksal oder seinen Verbleib herausgaben. Am 6. Oktober berichtete die Nationale Menschenrechtskommission Mauretaniens, dass Youba Siby im Zivilgefängnis von Nouakchott festgehalten werde und keinen Kontakt zu einem Rechtsbeistand oder seiner Familie aufnehmen dürfe. Der Aktivist wurde schließlich wegen "Anstiftung zum Hass" und "Untergrabung der Moral der Armee" in den Sozialen Medien zu zwei Jahren Haft verurteilt.
Im Oktober 2023 kam der UN-Ausschuss gegen das Verschwindenlassen zu dem Schluss, dass die Vorschläge zur Einrichtung eines Mechanismus für Wahrheit und Versöhnung bezüglich der zwischen 1989 und 1992 begangenen schweren Menschenrechtsverletzungen nicht genügend geprüft worden seien. In diesem Zeitraum war es in Mauretanien aufgrund von Auseinandersetzungen mit dem Nachbarland Senegal zu Unruhen gekommen, die zur Inhaftierung, Abschiebung und Hinrichtung sowie zu dem Verschwindenlassen unzähliger Menschen geführt hatten. Der UN-Ausschuss forderte, alle Fälle des Verschwindenlassens aus diesem Zeitraum zu untersuchen und die Verantwortlichen – auch hochrangige Militärangehörige und Sprecher*innen der Zivilgesellschaft – strafrechtlich zu belangen.
Recht auf friedliche Versammlung
Am 27. September 2023 veranstaltete die Anti-Sklaverei-Bewegung Initiative for the Resurgence of the Abolitionist Movement (IRA) eine friedliche Sitzblockade vor dem Justizministerium, um gegen die Inhaftierung von Youba Siby zu protestieren (siehe "Verschwindenlassen"). Obwohl die Sicherheitskräfte im Voraus über die Aktion informiert worden waren, lösten sie die Veranstaltung unter Einsatz von Gewalt auf. Die IRA meldete mehr als zehn Verletzte, die in verschiedenen Krankenhäusern behandelt wurden.
Diskriminierung
Sklaverei
In seinem Bericht zu Mauretanien stellte der UN-Sonderberichterstatter über zeitgenössische Formen der Sklaverei im Juli 2023 fest, dass in bestimmten Teilen des Landes sowohl herkunftsbedingte als auch moderne Formen der Sklaverei fortbestünden. In dem Bericht wurde auf die soziale, wirtschaftliche und politische Ausgrenzung hingewiesen, mit der versklavte Menschen und ihre Nachkommen früher wie auch gegenwärtig konfrontiert waren bzw. sind. Der Bericht erkannte zwar die Bemühungen an, das Bewusstsein für die Anti-Sklaverei-Gesetze zu schärfen, betonte gleichzeitig aber, wie wichtig es sei, dass die Betroffenen über ihre Rechte und die Verfahren zur Wiedergutmachung informiert werden.
Rechte von Frauen und Mädchen
Die UN-Arbeitsgruppe gegen die Diskriminierung von Frauen und Mädchen besuchte Mauretanien 2023 und hob in ihrem Bericht vom Oktober positiv hervor, dass das Land Schritte unternommen habe, um den institutionellen, politischen und rechtlichen Rahmen für Geschlechtergleichstellung auszubauen. Gleichzeitig betonte die Arbeitsgruppe jedoch, dass Probleme wie der fehlende Zugang zur Justiz und die Kultur der Straflosigkeit bei geschlechtsspezifischer Gewalt noch überwunden werden müssten. Die Expert*innen forderten ein Ende schädlicher Praktiken wie der weiblichen Genitalverstümmelung sowie der Kinderehe, die häufig zulasten der Bildung und Gesundheit von Mädchen gehe und mit einem erhöhten Sterberisiko bei der Geburt verbunden sei.

