Amnesty Report Korea (Süd) 29. März 2022

Korea (Süd) 2021

Zwei Frauen stehen an einem Geländer, hinter dem sich eine weite hügelige Landschaft erstreckt; öffentliche Ferngläser stehen vor dem Geländer.

Berichtszeitraum: 01. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021

Frauen erlebten Gewalt und Übergriffe durch Staatsbedienstete, aber auch im Internet. Lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen wurden in der Berichterstattung über die Corona-Pandemie, beim Militär und im Bildungswesen diskriminiert. Logistikunternehmen schützten ihr Personal nicht ausreichend, obwohl es während der Pandemie erhöhten gesundheitlichen Risiken ausgesetzt war.

Hintergrund

Ungeachtet einer Welle von Corona-Infektionen im Vorfeld fanden am 15. April 2020 planmäßig Parlamentswahlen statt, bei denen die Demokratische Partei die Mehrheit der Sitze gewann. Die Beziehungen zwischen den beiden koreanischen Staaten verschlechterten sich. Nordkorea warf der südkoreanischen Regierung vor, sie würde Gruppen von in den Süden geflüchteten Nordkoreaner_innen nicht daran hindern, politische Flugblätter mit Ballons und Drohnen über die Grenze nach Nordkorea zu schicken

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Das große Ausmaß von Gewalt und Missbrauch von Frauen und Mädchen im Internet wurde offenbar, als die Polizei im März 2020 den Hauptbetreiber des sogenannten "Nth Room" festnahm. Es handelte sich um ein Netzwerk, das über Chatrooms der Messenger-App Telegram Videos verbreitete, die Frauen und Mädchen sexuell ausbeuteten und sexualisierte Gewalt zeigten. Die Betreiber_innen und andere Täter_innen, die ähnliche "digitale Sexualverbrechen" verübten, hatten etwa 1.000 Frauen und Mädchen erpresst, die in den meisten Fällen zuvor dazu verleitet worden waren, Fotos und Videos zur Verfügung zu stellen, die sich für sexuelle Ausbeutung eigneten.

Um Frauen und Mädchen besser vor sexueller Ausbeutung, Missbrauch und Gewalt zu schützen, wurden neue Gesetze verabschiedet. Im April billigte das Parlament Gesetzesänderungen, die das Strafmaß für Sexualverbrechen im Internet erhöhten. Das Schutzalter für einvernehmliche sexuelle Handlungen wurde von 13 auf 16 Jahre angehoben, ohne Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität. Zudem wurde der Besitz, Kauf und die Nutzung rechtswidrig produzierter Inhalte, die der sexuellen Ausbeutung dienen, strafbar gemacht, was zuvor nicht der Fall war. Im Zuge der Reformen wurden auch die Verjährungsfristen für Straftaten in Zusammenhang mit der sexuellen Ausbeutung von Kindern aufgehoben.

Mehrere gewählte politische Amtsträger waren in Fälle mutmaßlichen Amtsmissbrauchs und sexuellen Fehlverhaltens verwickelt. Im April 2020 trat Oh Keo-don vom Amt des Bürgermeisters der Stadt Busan zurück, nachdem er eingeräumt hatte, eine Mitarbeiterin sexuell belästigt zu haben. Im Juli 2020 wurde Park Won-soon, der Bürgermeister der Hauptstadt Seoul, beschuldigt, eine ehemalige Sekretärin sexuell missbraucht zu haben. Nach seinem Freitod wenige Tage später stellte die Polizei die Ermittlungen ein. Die Nationale Menschenrechtskommission von Korea (NHRCK) leitete daraufhin eine unabhängige Untersuchung des Missbrauchsfalls ein. Im September 2020 wurden zwei Regierungsbeamte wegen sexuellen Missbrauchs einer Nordkoreanerin angeklagt. 

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI)

Nach einem Corona-Ausbruch in mehreren Clubs und Bars im Seouler Vergnügungsviertel Itaewon im Mai 2020 gab es Medienberichte, die völlig unbegründet einen Zusammenhang zwischen den Infektionen und sexueller Orientierung suggerierten. Einige Berichte enthielten persönliche Angaben zu Clubbesucher_innen, wie Alter, Wohnort, Arbeitsplatz, Beruf und Pendelverhalten, was einen Eingriff in deren Privatsphäre darstellte. Die diskriminierenden Berichte stigmatisierten LGBTI, die sich in der Folge vielfach nicht auf das Corona-Virus testen ließen, weil sie befürchteten, dadurch "geoutet" zu werden. Nachdem aus den Reihen der Zivilgesellschaft Forderungen laut wurden, die Regierung solle anonyme Tests anbieten, wurden diese landesweit zur Verfügung gestellt. Außerdem beendeten die Behörden ihre bis dahin übliche Praxis, persönliche Informationen zu veröffentlichen, sodass Daten wie der Standortverlauf eines Mobilgeräts nicht mehr von Dritten genutzt werden konnten, um eine Person zu identifizieren.

Im Juni 2020 brachte die Gerechtigkeitspartei gemeinsam mit fünf Parlamentsabgeordneten anderer Parteien einen Gesetzentwurf für ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz ein, das u. a. Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität verbietet. Über den Gesetzentwurf wurde Ende 2020 noch im zuständigen Ausschuss beraten. Das NHRCK wandte sich mit einer Eingabe an das Parlament, die ebenfalls forderte, ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz zu verabschieden, wie dies die internationale Gemeinschaft schon seit Jahren empfahl.

Transgeschlechtliche Menschen waren weiterhin institutioneller und anderweitiger Diskriminierung ausgesetzt. Im Januar entließ die Armee eine transgeschlechtliche Soldatin, nachdem diese sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen hatte. Nachdem die Militärbehörden ihren Einspruch ablehnten, reichte sie im August eine Verwaltungsklage bei Gericht ein. Eine andere Transfrau verließ nach ihrer Immatrikulation eine ausschließlich für Frauen bestimmte Universität, nachdem Kommilitoninnen gegen ihre Zulassung protestiert hatten.

Das Verfassungsgericht prüfte immer noch einen Fall, der Artikel 92-6 des Militärstrafgesetzes betraf, wonach einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen beim Militär strafbar waren.

Recht auf Gesundheit

Aufgrund der Abstandsregelungen während der Corona-Pandemie verzeichneten Lieferdienste 2020 einen sprunghaften Anstieg der Nachfrage. Nach Angaben einer Vereinigung zivilgesellschaftlicher Organisationen starben mindestens 16 Kuriere im Laufe des Jahres an Überarbeitung, während immer wieder Zweifel geäußert wurden, dass rechtzeitig Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten in der Branche ergriffen wurden. Mehr als 150 Personen infizierten sich mit dem Corona-Virus bei Ausbrüchen, die mit einem großen Logistikzentrum in der Nähe von Seoul in Verbindung standen. Medienberichten zufolge mangelte es in dem Unternehmen an Hygienerichtlinien, sauberer Dienstkleidung und geeigneter persönlicher Schutzausrüstung für die Beschäftigten.

Für Inhaftierte und Bedienstete in Justizvollzugsanstalten bestand eine erhöhte Gefahr, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren, weil die Einrichtungen überbelegt waren. Im Dezember 2020 waren in einem Gefängnis in Seoul mindestens 772 Personen, mehr als ein Drittel der Inhaftierten, infiziert. Die Behörden nahmen keine Rücksicht auf die spezifischen Bedürfnisse der Inhaftierten, was deren Gesundheit anging. Im Mai 2020 starb ein Mann, der an einer psychosozialen Störung litt, im Busan Detention Centre, nachdem man ihn von den Mitgefangenen getrennt und über Nacht in Einzelhaft gehalten hatte, bevor er auf Covid-19 getestet werden sollte. Seine Familie reichte später bei der NHRCK Beschwerde wegen Misshandlung ein.

Am Jahresende zeichnete sich eine Fristenregelung für Schwangerschaftsabbrüche ab, nachdem das Verfassungsgericht ein generelles Abtreibungsverbot 2019 für verfassungswidrig erklärt hatte. Es gab jedoch noch keine Regelungen, um einen sicheren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu gewährleisten.

Flüchtlinge, Asylsuchende und Migrant_innen

Seit der Ankunft von fast 500 Asylsuchenden auf der Insel Jeju im Jahr 2018 war die Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik zunehmend strikter geworden. So hatte das Justizministerium die im Flüchtlingsgesetz vorgesehenen Verfahren dahingehend interpretiert, dass Transitreisende am internationalen Flughafen Incheon keinen Asylantrag stellen durften. Das Bezirksgericht Incheon entschied im Juni 2020, dies sei rechtswidrig, doch legte das Ministerium Rechtsmittel gegen die Entscheidung ein. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil konnten Asylsuchende weiterhin auf dem Flughafen festgehalten werden. 

Berichte, wonach während der Corona-Pandemie einzelne Personen monatelang in der Transitzone des Flughafens festgehalten wurden, lösten juristische Bedenken aus. Südkoreanische Rechtsexpert_innen wiesen darauf hin, dass diese lange Einschränkung der Bewegungsfreiheit häufig ohne triftige Gründe erfolge und möglicherweise einer willkürlichen Inhaftierung gleichkomme, da sie die Frist von maximal sieben Tagen, die das Flüchtlingsgesetz vorsieht, um die Zulässigkeit eines Asylantrags zu prüfen, bei Weitem überschreite.

Kriegsdienstverweigerer

Seit dem 30. Juni 2020 konnten Männer, die den Wehrdienst verweigerten, erstmals einen Antrag auf einen zivilen Ersatzdienst stellen. Bei der neuen, dem Verteidigungsministerium unterstellten Prüfungskommission gingen 1.959 Anträge auf Zivildienst ein. Bis zum Jahresende hatte die Kommission lediglich die Anträge geprüft, die religiös begründet waren, und davon 730 genehmigt. Im Oktober begann die erste Gruppe ihren Zivildienst, der nur in Gefängnissen und anderen Hafteinrichtungen geleistet werden kann. Er war mit 36 Monaten wesentlich länger als der Militärdienst, der je nach Waffengattung 21 bis 24 Monate dauerte.

Todesstrafe

Am 16. Dezember 2020 stimmte die Regierung für eine von der UN-Generalversammlung verabschiedete Resolution, die ein Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe fordert. Südkorea hatte sich bei allen sieben früheren Resolutionen der UN-Generalversammlung bezüglich eines Hinrichtungsmoratoriums enthalten.

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