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"Freedom", immer wieder
Mit seinen im Gefängnis entstandenen Songs will El Bently 448 auch anderen Kraft geben.
© DJC Records
Leon Benson saß fast 25 Jahre unschuldig im Gefängnis. Als Rapper El Bently 448 ist er einer der Künstler, die beim Label Die Jim Crow erscheinen, das auf Musik von Häftlingen spezialisiert ist.
Von Arndt Peltner
"Ich bin in armen und rauen Verhältnissen in Flint, Michigan aufgewachsen, lebte in Detroit. Ich bin kein Unschuldsengel, aber ich habe diese Tat nicht begangen. Ich bin mit Kriminellen aufgewachsen, ich kannte die Straßen, aber ich war kein Killer."
Leon Benson sitzt in einem Sessel, er trägt ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift "Innocent born guilty". Während des Gesprächs bewegt er sich viel, mal vor, mal zurück, setzt seine Hände ein, um Wörtern mehr Ausdruck zu verleihen. Er ist freundlich, offen, erzählt von seinem Leben hinter Gittern.
Als 22-Jähriger wurde er für einen Mord an einem weißen Mann zu 60 Jahren Haft im Staatsgefängnis von Indiana verurteilt. Doch Benson war unschuldig. Am 9. März diesen Jahres kam er frei – mittlerweile 47 Jahre alt. Studierende der "Justice Clinic" an der University of San Francisco hatten Beweise dafür gefunden, dass Benson zu Unrecht verleumdet und verurteilt wurde. Zudem hatte der leitende Ermittler es versäumt, Bensons Verteidigung Dutzende Seiten Ermittlungsnotizen und Berichte zu übergeben, die darauf schließen ließen, dass der wahre Mörder ein Mann namens Joseph Webster war. Zurückgehalten wurden auch Informationen, die einen Zeugen widerlegten, der angeblich gesehen hatte, wie Benson den Mord begangen hatte.
Mit der Kraft der Musik
"Ich hatte Angst, ins Gefängnis zu kommen. Bei dem Gedanken, für 60 Jahre, also den Rest meines Lebens, ins Gefängnis zu gehen, fielen mir all die Geschichten ein, die ich gehört hatte, über die Gewalt dort. Und dann war ich dort und musste schnell lernen, mich zu schützen." Leon Benson erzählt, dass niemand hören wollte, dass er unschuldig war. "Immer, wenn es mir schlecht ging, habe ich Songs über Freiheit geschrieben und sie mir vorgesagt wie ein Mantra." Er beginnt im Gespräch zu rappen: "Freedom", immer wieder.
Leon Benson glaubte an sich und das gab ihm Kraft. Als Rapper El Bently 448 hat er nun auf dem Label Die Jim Crow Records sein Erstlingswerk "Innocent born guilty" veröffentlicht. Sämtliche Songs entstanden während seiner Haft. Er konzentrierte sich in den fast 25 Jahren im Gefängnis auf seine Musik, die ihm niemand nehmen konnte. Sein Rap wurde immer besser, er trat in der Haftanstalt auf, und die Leitung übertrug die Konzerte im gefängniseigenen Kanal, der die Gefangenen informieren und unterhalten soll.
In seinen Texten drückte Benson aus, was viele seiner Mitgefangenen nicht selbst sagen konnten. Und sie respektierten ihn dafür. "Das Publikum da drin ist hart", erzählt er. "Wenn sie dich nicht mögen, jagen sie dich von der Bühne und machen dich nieder." Das sei ihm aber nie passiert, im Gegenteil: "Sie umarmten mich, egal woher sie kamen und welche Hautfarbe sie hatten." Er erinnert sich vor allem an die Reaktion eines Mitglieds der rassistischen Aryan Nation, einer brutalen Gang, die in vielen Gefängnissen der USA herrscht. Der Mann habe ihn nach seinem Auftritt angesprochen und sich für die Lieder bedankt, erzählt Leon Benson.
In der Zelle aufgenommene Songs
Einer der Songs ist "Murderdaworld", den er 2001 schrieb. "Ich hätte damals die ganze Welt ermorden können", erzählt der Rapper. "Es war dieses Gefühl: Ihr habt mich hierher ins Gefängnis gebracht, ich verliere alles." Heute sieht er den Song anders, trägt ihn mit einer anderen Message vor: "Jetzt ermorde ich die Welt der Armut, die Welt der Ungerechtigkeit, die Welt des Rassismus, die Welt der Diskriminierung und Unterdrückung."
Schon während seiner Haft nahm Leon Benson Kontakt zu Fury Young auf. Dieser hat eine gemeinnützige Organisation gegründet, um Musik im Gefängnis zu fördern – mit Ratschlägen, gespendeten Instrumenten und sogar Aufnahmesessions, wenn die Gefängnisleitung zustimmt. Benson und Young schrieben sich Briefe und telefonierten. Schließlich habe ihm Leon Benson aka El Bently 448 ein paar Songs geschickt, erinnert sich Fury Young: "Er hatte sie selbst aufgenommen, weil ich einfach keinen Zugang zum Gefängnis in Indiana bekam. Keine Ahnung, wie er das geschafft hat, aber er schickte sie mir, und ich fand sie richtig gut."
"Man ist irgendwie Eigentum des Staates"
Young ist auch Gründer des Labels Die Jim Crow Records, das Musik von Häftlingen und entlassenen Strafgefangenen veröffentlicht. Auslöser sei das Buch "The New Jim Crow" der Juristin Michelle Alexander über das rassistische Strafrechtssystem in den USA gewesen, sagt er. "Während ich es las, hörte ich 'The Wall' von Pink Floyd und dachte: Wie kann es sein, dass dieses Album quasi genau das Buch vertont hat? Und wie kann es sein, dass die besten Aufnahmen aus einem Gefängnis fast 80 Jahre alt sind?"
Fury Young hatte seine Mission gefunden. Er wollte Musik hinter Gittern und dicken Mauern fördern und der Welt präsentieren. "Kunst ist eine Möglichkeit, seine eigene Identität zu finden", sagt er. "Im Gefängnis ist das besonders wichtig, denn man ist in einer einheitlichen Umgebung, jeder trägt quasi das gleiche, alle paar Stunden wird man durchgezählt, man ist irgendwie Eigentum des Staates. Da ist es unglaublich kraftvoll, durch die Kunst der eigenen Texte Freiheit und eine kreative Ausdrucksmöglichkeit zu finden."
Leon Benson gewöhnt sich langsam an das Leben in Freiheit. Für die 25 Jahre, die er unschuldig im Gefängnis saß, hat er nicht einmal eine Abfindung des Bundesstaates Indiana erhalten. Ja, er sei tief verletzt, sagt er. Er habe seine Kinder nicht aufwachsen sehen, Verwandte und Freunde seien gestorben, ohne dass er sich von ihnen verabschieden konnte. "Die verlorene Zeit, die Wut, die Frustration, die Depression, das alles ist sehr schmerzhaft", sagt er. Doch er blickt nach vorn, ohne Hass, und hofft, dass er mit seinen Liedern, die nun bei Die Jim Crow Records erschienen sind, andere erreichen und berühren kann.
Das Album von El Bently 448 und Hörbeispiele gibt es auf zum Beispiel auf Bandcamp.