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Es wird weiter abgeschoben
Auch unter US-Präsident Joe Biden bleibt das Recht auf Asyl wegen der Corona-Pandemie vorerst ausgesetzt. Doch jeden Tag kommen weitere Geflüchtete aus Mittelamerika zur Grenze, die Mexiko und die USA trennt.
Von Kathrin Zeiske, Ciudad Juárez
Auf dem höchsten Punkt der Grenzbrücke von Santa Fe flattern die Fahnen Mexikos und der USA im Wind. Während Mitarbeitende von UN-Organisationen in blauen Westen Geflüchtete zur Fortsetzung ihres Asylverfahrens nach El Paso in Texas geleiten, schiebt die US-Grenzpolizei auf dem gegenüberliegenden Fußweg verzweifelte Familien nach Ciudad Juárez in Mexiko zurück.
"Mit Joe Biden hat sich die Situation an der Grenze nur für wenige geändert", sagt Blanca Navarrete von der Organisation Integrale Menschenrechte in Aktion (DHIA). So werden seit dem 19. Februar endlich diejenigen ins Land gelassen, die während der Amtszeit von Donald Trump zwar einen Asylantrag in den USA stellten, den Fortgang des Verfahrens aber in Mexiko abwarten mussten. Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) verklagte die US-Regierung, als diese im Januar 2019 das Asylrecht außer Kraft setzte. Seit 1948 ist es im Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen verankert.
Von den einst 71.000 Menschen, die sich seitdem auf Wartelisten eintrugen, haben nur schätzungsweise 15.000 die Pandemie in den gewaltgeplagten mexikanischen Grenzstädten überstanden. Menschenrechtsorganisationen sprechen von "Überlebenden" der Null-Toleranz-Politik Trumps. Die Grenzstädte Tijuana und Ciudad Juárez gehören zu den gefährlichsten Städten der Welt. In Matamoros auf mexikanischer Seite campierten zeitweise 2.500 Geflüchtete unter freiem Himmel, viele wurden Opfer von Morden und Übergriffen.
Corona-Infektion in Haft
"Das Recht auf Asyl ist weiterhin nicht vorhanden", erklärt Navarrete. Denn Biden nahm zwar migrationspolitische Dekrete seines Vorgängers Trump medienwirksam zurück, eine Anordnung der Gesundheitsbehörde CDC, die Regelungen zum Gesundheitsschutz missbraucht, um Migrant_innen Zugang zu einem Asylverfahren zu verwehren, bleibt jedoch bestehen. Er erlaubt es der US-Grenzpolizei, alle an der Grenze festgenommenen Personen wegen der Pandemie direkt nach Mexiko abzuschieben, ohne jegliche Möglichkeit, in den USA Asyl zu beantragen. In Ciudad Juárez sind dies pro Tag rund 100 Personen. Zehn Prozent der Abgeschobenen sollen sich in der Haft mit dem Coronavirus infiziert haben.
Die Herbergen der mexikanischen Grenzstädte sind überfüllt, und Sportstätten werden in Notunterkünfte für Abgeschobene verwandelt. Jeden Tag kommen aus dem Süden weitere Geflüchtete an. Professionelle Schleuser schüren in den Herkunftsländern Gerüchte, und an der Grenze warten Bewaffnete der Drogenkartelle, um ganze Gruppen zu entführen und ihre Familien zu erpressen. Frauen und Mädchen erleiden dabei oft sexualisierte Gewalt. Im Januar fielen 16 Menschen aus Guatemala im mexikanischen Bundesstaat Tamaulipas einem Massaker zum Opfer.
Fluchtgründe nicht anerkannt
"Die meisten Menschen haben eine ganze Reihe von Fluchtgründen", sagt Navarrete, "aber viele davon werden in den USA nicht anerkannt – wie Bandengewalt, häusliche Gewalt und Klimawandel." Im November zerstörten die Hurrikane Eta und Iota Teile von Honduras. Außerdem haben Lockdowns die hauptsächlich informelle Wirtschaft in Mittelamerika in die Knie gezwungen.
So stieg im März die Zahl derer, die beim Fluchtversuch in die USA festgenommenen wurden, auf 171.000 Personen, das sind mehr als je zuvor in den vergangenen 15 Jahren. Die Zahl der festgenommenen unbegleiteten Minderjährigen erreichte mit 19.000 ein bislang ungekanntes Ausmaß. Währenddessen verstärkte Mexiko unter dem Druck der USA seine Migrationskontrolle. Präsident Biden kündigte an, Vizepräsidentin Kamala Harris werde sich dem Problem an der Südgrenze widmen. Harris arbeite mit den Regierungen von El Salvador, Guatemala und Honduras zusammen, um eine weitere Flucht aus Mittelamerika schon dort zu unterbinden.
Kathrin Zeiske ist freie Journalistin, sie berichtet aus Mexiko und Mittelamerika. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International wieder.