Amnesty Journal 22. Oktober 2021

Klimagerechtigkeit braucht Menschenrechte

Eine Gruppe Demonstrierender vor der Reichstag, auf einem Transparent steht: „Save the Planet, Save the Human“.

Klimastreik in Berlin am 24. September 2021

Die Rechte auf Leben, Gesundheit und Nahrung werden verletzt, Menschen werden vertrieben, die Ungleichheit wächst. Es gibt viele Gründe, warum Amnesty ­International zur Klimakrise arbeitet.

Von Annelen Micus

Amnesty International befasst sich seit 2009 mit den menschenrechtlichen Aspekten der Klimakrise, dokumentiert die dadurch verursachten Menschenrechtsverletzungen und richtet menschenrechtliche Forderungen zur Bekämpfung der Klimakrise an Regierungen und Entscheider_innen. Zuletzt veröffentlichte die Organisation im Juni 2021 den Bericht "Stop Burning our Rights: What Governments and Corporations Must Do to Protect Humanity from the Climate Crisis".

Die Texte und Bilder im Schwerpunkt des Amnesty Journals 05/2021 geben einen exemplarischen Einblick in die vielfältigen menschenrechtlichen Dimensionen der Klimakrise. Zum Beispiel werden die Rechte auf Leben, Gesundheit oder auf Nahrung verletzt, Menschen werden aus ihren angestammten Gebieten vertrieben, und Ungleichheiten werden verstärkt.

Rechte künftiger Generationen

Wie auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Klimaschutzurteil feststellte, werden die Menschenrechte künftiger Generationen durch unzureichenden Klimaschutz beschnitten, da spätere Klimaschutzmaßnahmen umso schärfer aktuelle Versäumnisse aufholen müssen und die Auswirkungen der ­Erderwärmung sich verschlimmern.

Menschenrechtsverteidiger_innen, die sich für Klima- und Umweltgerechtigkeit einsetzen, sind in besonderem Maße Repressionen ausgesetzt und werden verfolgt. Andererseits ergeben sich aus den menschenrechtlichen Verpflichtungen von Staaten und Unternehmen Pflichten zu einem ambitionierten und menschenrechtsbasierten Klimaschutz.

Der schnelle Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energien muss im Einklang mit den Menschenrechten umgesetzt werden. Die Klimapolitik muss dabei patriarchale und rassistische Verhältnisse sowie sozioökonomische Ungleichheit mitdenken und angehen. Der Einsatz für Klimagerechtigkeit ist daher immer auch ein Einsatz gegen Rassismus, Sexismus, Armut und Ausbeutung. Menschen, die besonders von der Klimakrise betroffen sind, müssen bei deren Bekämpfung maßgeblich in Entscheidungsprozesse einbezogen werden.

#EinsKommaFuenf

Und schließlich dürfen Klimaschutzmaßnahmen nicht ihrerseits zu Menschenrechtsverletzungen führen. So darf etwa der zunehmende Ressourcenbedarf für mehr E-Mobilität nicht zu Menschenrechtsverletzungen beim Abbau von Kobalt in der Demokratischen Republik Kongo oder Lithium in den Anden führen.

Für die Bundestagswahl 2021 ist die Klimakrise eines von fünf Schwerpunktthemen für Amnesty International Deutschland.

Wir fordern von der neuen Bundesregierung insbesondere, dass sie die Klimakrise als Menschenrechtskrise anerkennt und eine konsequente 1,5-Grad-konforme Politik im Einklang mit den Menschenrechten umsetzt.

Die Bundesregierung sollte sich auch auf internationaler Ebene für multilaterale Lösungen und eine menschenrechts­basierte Klimapolitik engagieren und strukturell benachteiligte Staaten in ihren Transformationsprozessen unterstützen. Angesichts des bevorstehenden Klimagipfels im November 2021 soll sie gemeinsam mit der EU auf eine ambitionierte europäische Klimapolitik hinwirken.

Schließlich ist Amnesty solidarisch mit der globalen Klimabewegung und Klimaaktivist_innen weltweit, die ihre Menschenrechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit verwirklichen. Daher rufen wir gemeinsam mit Fridays for Future zum nächsten globalen Klimastreik am 24. September 2021 auf.

Die Bekämpfung der Klimakrise ist eine vordringliche Aufgabe unserer Zeit, um Menschenrechtsverletzungen jetzt und in der Zukunft, hier und weltweit entgegenzutreten. Die Klimakrise aus Perspektive der Menschenrechte zu beleuchten, Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren und menschenrechtliche Forderungen an Regierungen und Unternehmen

zu richten, ist der Beitrag, den Amnesty International leisten will.

Annelen Micus ist Referentin für menschen- und völkerrechtliche ­Grundsatzfragen bei Amnesty Deutschland.

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