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Treue Kunden, teure Waffen
Messe für Verteidigung und Sicherheit, Rio de Janeiro, April 2013.
© Vanderlei Almeida/AFP/Getty Images
Dem Panzerhersteller Krauss-Maffei Wegmann und der deutschen Kleinwaffenindustrie kommen die Aufrüstungspläne des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro entgegen.
Von Hauke Friederichs
Für ihren ersten Panzer aus deutscher Produktion mussten die brasilianischen Generäle weit reisen. Fast zehn Jahre ist es her, dass Vertreter von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) am Firmensitz in Kassel den ersten von 220 Kampfpanzern an die brasilianische Armee übergaben. Die alten Modelle des Leopard-1 stammten noch aus den Depots der Bundeswehr. 2009 begann KMW, sie zur Variante A5 zu modernisieren.
Um den treuen Kunden lange Reisen über den Atlantik zu ersparen, eröffnete der deutsche Panzerbauer 2011 einen Standort in Brasilien – eine lohnende Investition: Gleich mehrere Brückenlege- und Pionierpanzer orderte die brasilianische Regierung noch im selben Jahr. Fünf Jahre später erfolgte eine weitere Ausweitung des deutschen Engagements: KMW-Geschäftsführer Frank Haun eröffnete in Santa Maria im Bundesstaat Rio Grande do Sul den Gebäudekomplex "KMW do Brasil Sistemas de Defesa Ltda." Am Sitz der Südamerika-Zentrale des Konzerns betreuen Techniker seitdem den Kampfpanzer Leopard, den Flugabwehrpanzer Gepard sowie Trainingssimulatoren.
Das langjährige Engagement von Krauss-Maffei Wegmann könnte sich bald besonders auszahlen. Denn der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro steht den Militärs nahe, er selbst diente als Hauptmann in der Truppe, und er will weiter aufrüsten. Die Leopard-1-Panzer sind auch nach der Modernisierung nicht auf dem neusten Stand. Sie wurden schon seit 2003 bei der Bundeswehr aussortiert. Dort wird gerade der Leopard 2A7 eingeführt, der besser im "urbanen Umfeld", also auch im Straßenkampf eingesetzt werden kann, wie es bei der deutschen Armee heißt. Das brasilianische Heer soll sich neue Fahrzeuge wünschen.
Die aufstrebende Regionalmacht verfügt in Lateinamerika bereits über das stärkste Militär – das wiederum viel Ansehen im Land selbst genießt. "Das brasilianische Militär hat eine herausragende Stellung in der Gesellschaft", konstatiert das rüstungskritische Bonner Zentrum für Konversion (BICC). Deutlich werde der Einfluss der Streitkräfte "unter anderem an dem in der Verfassung verankerten Grundsatz in Artikel 142, der dem Militär eine Wächterfunktion über die Staatsgewalt zubilligt und es als Hüter über die innere Ordnung einsetzt".
Bereits die Regierungen vor Bolsonaro setzten deshalb auf Aufrüstung. Brasilien konkurriert dabei mit Kolumbien und Venezuela um Verträge – die Anschaffung von Atom-U-Booten, neuen Hubschraubern und Drohnen steht auf dem Programm; zudem soll die eigene Rüstungsindustrie massiv ausgebaut werden.
Auch wenn die wichtigsten Waffenlieferanten der vergangenen Jahre die Vereinigten Staaten und Frankreich waren, laufen auch die Geschäfte mit deutschen Unternehmen hervorragend: Beim Verkauf von Großwaffensystemen belegte die Bundesrepublik 2018 Platz drei. Doch auch deutschen Kleinwaffenherstellern dürfte Bolsonaro Mut machen: Nach seinem Wahlsieg ließ er rasch die Waffengesetze ändern, sodass Brasilianer nun 5.000 Schuss Munition pro Jahr erwerben dürfen; bislang waren es 50 Schuss. Generell soll der Import von Waffen vereinfacht werden.
In Berlin stoßen die Pläne Bolsonaros zumindest verbal auf Ablehnung. "Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass eine strenge Regelung des Waffenrechtes der beste Schutz der Bevölkerung gegen die von Waffen ausgehenden Gefahren ist", teilte die Bundesregierung im Februar auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion mit. Ändern will die Regierung Merkel ihre Rüstungsexportpolitik gegenüber dem südamerikanischen Partner vorerst dennoch nicht. "Die Bundesregierung verfolgt die Entwicklung in Brasilien genau und berücksichtigt diese im Rahmen ihrer Genehmigungspraxis", erklärte der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Ulrich Nussbaum, vor dem Bundestag.
Rüstungsgegnern geht das nicht weit genug. Nach Ansicht von Thomas Breuer, Leiter des neuen Friedensteams von Greenpeace, ist die politische Entwicklung in Brasilien ein "weiteres klares Signal an die deutsche Bundesregierung, Exporte von Handfeuerwaffen grundsätzlich zu verbieten". Mit 62.517 Morden allein im Jahr 2016 sei es eines der Länder mit den weltweit höchsten Mordraten, Merkels Kabinett könne es nicht verantworten, Waffen an die Regierung in Brasilia zu liefern. Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) kritisiert angesichts der "sehr schlechten" Menschenrechtslage ebenfalls die Ausfuhren; zudem seien die Auswirkungen auf die regionale Sicherheit "kritisch".
Deutschlands Waffenbauer sehen den Fall naturgemäß anders. Für die Rüstungsindustrie von der Nordsee bis zum Bodensee ist Brasilien ein ausgezeichneter Kunde. Im ersten Halbjahr 2018 genehmigte das Bundeskabinett die Ausfuhr von Rüstungsgütern in Höhe von knapp 59 Millionen Euro, darunter Flugkörperabwehrsysteme für Luftfahrzeuge, Teile für U-Boote und U-Boot-Dieselmotoren sowie Flugsimulatoren.
Die Gesamtzahlen für 2018 liegen noch nicht vor, dürften aber deutlich über denen des Vorjahres liegen. Denn 2017 importierte die Regierung in Brasília lediglich Rüstungsgüter im Wert von 63 Millionen Euro. Darunter waren Teile für Kampfpanzer und gepanzerte Fahrzeuge, Diesel-Motoren und Komponenten für U-Boote sowie Teile für Militärflugzeuge und Hubschrauber. Außerdem orderte Brasilien zuletzt auch Kommunikationsausrüstung und Ersatzteile für die Marine aus Deutschland.
In der Vergangenheit wurde brasilianischen Soldaten immer wieder vorgeworfen, Menschenrechte verletzt zu haben. Doch obwohl die Bundesregierung bei der Genehmigung von Rüstungsexporten angibt, besonders auf die Menschenrechte zu achten, ist mit steigender Ausfuhr zu rechnen. Brasilien selbst begründete den Kauf der Leoparden und Geparden in den vergangenen Jahren immer wieder defensiv mit Verweis auf die innere Sicherheit: So sollten sowohl die Olympischen Spiele als auch die Fußball-Weltmeisterschaft mit Militärfahrzeugen aus Deutschland geschützt werden.
Präsident Bolsonaro dürfte seine Bestellungen künftig offensiver verkaufen: Sein großes Vorbild ist Donald Trump, und der hat Brasilien in Aussicht gestellt, künftig als enges Partnerland der Nato zu fungieren. Brasilien rüstet deshalb auch mit amerikanischer Hilfe enorm auf. Deutschland hingegen kritisiert Trump seit Monaten heftig, weil hierzulande angeblich zu wenig Geld in den Verteidigungshaushalt gesteckt werde.