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Meister der Mikrokosmen
Alaa Al-Aswani hat mit dem Roman "Die Republik der Träumer" dem Arabischen Frühling ein Denkmal gesetzt.
Von Hannah El-Hitami
Wer nach Ägypten reist, sollte dieses Buch nicht dabei haben. Der neue Roman des ägyptischen Schriftstellers Alaa Al-Aswani ist dort nämlich verboten. Kein Wunder, denn in "Die Republik der Träumer" setzt der erfolgreichste zeitgenössische Autor des Landes der ägyptischen Revolution ein Denkmal und analysiert zugleich ihr Scheitern.
Als Schuldige benennt er klar die korrupten Eliten eines Systems, von dem vor zehn Jahren nur die oberste Spitze gestürzt werden konnte. Militär und Geheimdienste, staatstreue Medien, wirtschaftliche Profiteure und religiöse Autoritäten haben indes dafür gesorgt, dass alles beim Alten bleibt. Sie alle haben in Al-Aswanis Roman ihren Auftritt: die Fernsehmoderatorin Nurhan, die in ihren Talkshows Lügen verbreitet, um das Volk gegen die Revolutionäre aufzuhetzen; der fromme Familienvater Alwani, der zugleich als Geheimdienstchef Folter anordnet; oder der opportunistische Imam Scheich Schamil, der den Koran immer zugunsten seiner Geldgeber zu deuten weiß.
Revolution hautnah
Ihnen gegenüber steht die Jugend des Tahrir-Platzes in Gestalt eines Gewerkschafters, einer oppositionellen Studentin, eines ungleichen Liebespaares und zahlreichen anderen. Sie alle seien von realen Personen inspiriert, sagt der Autor, denn er hat die Revolution selbst hautnah erlebt. Aus mehr als einem Dutzend verschiedenen Perspektiven beleuchtet Al-Aswani in seinem neuen Werk das hoffnungsvollste und zugleich deprimierendste Ereignis der jüngeren ägyptischen Geschichte.
Der 63-Jährige ist ein Meister der Mikrokosmen: In all seinen Werken, das bekannteste davon "Der Jakubijan-Bau", bildet er die ägyptische Gesellschaft anhand mehrerer Protagonisten ab, deren Geschichten sich miteinander verflechten. Leider mangelt es den Figuren in seinem neuen Buch durch ihre große Anzahl etwas an Tiefe – ein paar weniger hätten der Geschichte vielleicht gut getan. So wirkt die Handlung teilweise wie eine politische Analyse, die in vereinfachte Metaphern verpackt ist. Das hat Al-Aswani schon subtiler hinbekommen.
Optimismus bewahrt
Nichtsdestotrotz bleibt er ein begnadeter Erzähler, der auch auf mehr als 400 Seiten kaum einen Moment der Langeweile aufkommen lässt. Und er fasst facettenreich zusammen, was von den ersten Demonstrationen am 25. Januar 2011 bis zum Militärputsch im Sommer 2013 in Ägypten passiert ist – eine Geschichte, die sowohl Romanfiguren als auch reale Ägypter resigniert zurückgelassen hat. Nicht jedoch Alaa Al-Aswani, der, wie er sagt, einen realistischen Optimismus behalten hat, "dass die Revolution zwar verschoben, aber nicht verhindert werden kann." Wenn das Bewusstsein für die Revolution einmal zum Leben erweckt sei, sei es irreversibel, sagt der Autor, der mittlerweile in den USA im Exil lebt.
Alaa Al-Aswani: Die Republik der Träumer. Aus dem Arabischen von Markus Lemke. Hanser, München 2021, 464 Seiten, 25 Euro.
Hannah El-Hitami ist freie Journalistin und lebt in Berlin. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International wieder.