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Massive Fluchtbewegung aus Venezuela stellt Hauptaufnahmeländer vor große Herausforderungen
Sie fliehen vor Gewalt, Verfolgung und der humanitären Krise in ihrem Heimatland: Mehr als 7,7 Millionen Menschen haben in den vergangenen Jahren Venezuela verlassen. Das ist mehr als ein Viertel der venezolanischen Gesamtbevölkerung. Die meisten von ihnen flohen nach Kolumbien, Peru, Ecuador und Chile. Doch diese Länder kommen ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen bei der Aufnahme der Venezolaner*innen nicht nach. Dies dokumentiert ein neuer Amnesty-Bericht.
Eine komplexe humanitäre Notlage hat Venezuela fest im Griff. Sie ist zurückzuführen auf massive wirtschaftliche und soziale Rechtsverletzungen sowie systematische Verletzungen der bürgerlichen und politischen Rechte. Mittlerweile ermittelt sogar die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs wegen möglicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Amnesty International ist der Ansicht, dass Venezolaner*innen, die aus dieser Situation fliehen, internationalen Schutz benötigen und daher als Flüchtlinge anerkannt werden sollten.
Die anhaltend kritische Situation hat dazu geführt, dass mehr als 7,71 Millionen Menschen Venezuela auf der Suche nach Schutz verlassen haben. Dies entspricht mehr als 25 Prozent der Gesamtbevölkerung Venezuelas. Die Lage hat sich in den vergangenen Monaten weiter zugespitzt: Allein zwischen Mai 2022 und August 2023 haben 1,4 Millionen Menschen das Land verlassen.
Etwa 70 Prozent der insgesamt mehr als 7,71 Millionen geflüchteten Venezolaner*innen sind nach Kolumbien, Peru, Ecuador oder Chile geflohen. Aber diese Länder kommen ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen bei der Aufnahme der Venezolaner*innen nicht nach. Das zeigt der neue Amnesty-Bericht Regularize and Protect: International obligations for the protection of Venezuelan nationals.
Amnesty weist die Staaten, die Menschen aus Venezuela aufnehmen, darauf hin, dass sie dringend Zugang zu internationalem Schutz und ergänzenden Schutzmechanismen gewährleisten müssen. Dabei können ergänzende Schutzmechanismen eine Flüchtlingsanerkennung nicht ersetzen.
Schutzsuchende aus Venezuela am Grenzübergang "Simon Bolivar" in der kolumbianischen Stadt Cúcuta (Archivbild).
© Amnesty International/Sergio Ortiz
"Angesichts der beispiellosen Krise in der Region sind Kolumbien, Peru, Ecuador und Chile entweder nicht in der Lage oder nicht gewillt, die aus Venezuela fliehenden Menschen zu schützen. Die existierenden Maßnahmen und Programme, um Geflüchteten einen Aufenthaltstitel zu gewähren, entsprechen nicht den Standards des internationalen Rechts. Diese Staaten haben die Möglichkeiten und die Pflicht, die mehr als fünf Millionen Venezolaner*innen in ihrem Hoheitsgebiet zu schützen", sagte Ana Piquer, Direktorin der Region Amerikas bei Amnesty International.
Der Amnesty-Bericht analysiert bestehende rechtliche Konzepte für vorübergehenden Schutz, Maßnahmen zur Regularisierung, also der Legalisierung eines ursprünglich rechtswidrigen Aufenthalts, sowie bestehende Verfahren zur Flüchtlingsanerkennung im Hinblick auf tatsächliche Zugangsmöglichkeiten, Umfang und Effektivität. Anhand dieser drei Kriterien kommt Amnesty International zu dem Schluss, dass keiner der vier Staaten seinen Verpflichtungen nach nationalem und internationalem Recht nachkommt, Venezolaner*innen internationalen Schutz oder zumindest Schutz über ergänzende Schutzmaßnahmen zu gewähren.
Einige Staaten, wie beispielsweise Kolumbien und Peru, haben bereits Schutzprogramme für Menschen aus Venezuela geschaffen. Wenn Staaten solche vorübergehenden und ergänzenden Schutzprogramme beschließen, müssen sie sicherstellen, dass diese Programme rechtlichen Maßstäben genügen. Das beutet unter anderem, dass Schutzsuchende auch tatsächlich Zugang zu diesen Programmen haben müssen. Und ein aufgrund des Programmes gewährter Schutzstatus muss einen effektiven Schutz beinhalten.
Nach den nationalrechtlichen Definitionen von Asyl in Kolumbien, Peru, Ecuador und Chile müsste Menschen, die aus Venezuela fliehen, Asyl zuerkannt werden. Dennoch hat Amnesty dokumentiert, dass Venezolaner*innen in Kolumbien, Peru, Ecuador und Chile nur selten Asyl gewährt wird. Alle vier Länder sind Vertragsstaaten von völkerrechtlichen Verträgen, die konkrete Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen festlegen, insbesondere die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und die Erklärung von Cartagena aus dem Jahr 1984. Auf der Grundlage dieser Rechtsnormen sind diese Staaten verpflichtet, Venezolaner*innen zu schützen und ihnen Asyl zu gewähren.
Auch die deutschen Behörden müssen das Ausmaß der Menschenrechtskrise in Venezuela anerkennen und dürfen keine Personen nach Venezuela abschieben.