Mosambik: Eskalation der Gewalt im Kampf gegen Terrorismus

Eine Spur der Zerstörung: Überreste eines Hauses in einem Dorf in der Provinz Cabo Delgado im Norden Mozambiks nach einem Angriff der bewaffneten Gruppierung al-Shabaab.
© Hizidine Achá
Schon seit drei Jahren verübt die bewaffnete Gruppe al-Shabaab in der mosambikanischen Provinz Cabo Delgado brutale Gewalttaten. Die Behörden haben bisher darin versagt, mutmaßliche Verantwortliche vor Gericht zu stellen und die Straflosigkeit zu beenden. Recherchen von Amnesty International belegen nun, dass auch die mosambikanischen Sicherheitskräfte in ihrem Kampf gegen al-Shabaab für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind.
Sie plündern Dörfern, enthaupten ihre Bewohner_innen und vertreiben Hunderttausende. Schon seit drei Jahren sorgen Mitglieder der bewaffneten Gruppe al-Shabaab in der mosambikanischen Provinz Cabo Delgado für Angst und Schrecken. Die ersten Angriffe starteten sie im Oktober 2017 im Distrikt Mocímboa da Praia. Seither hat die Gewalt zugenommen, mehr als 2.000 Menschen wurden bisher getötet. Die Angriffe in Cabo Delgado sind in den ersten vier Monaten des Jahres 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 300 Prozent gestiegen. Die Gewalt hat außerdem eine humanitäre Krise ausgelöst: Mehr als 300.000 Menschen wurden vertrieben, Hunderttausende haben keine sichere Nahrungsversorgung.
"Diese Gewaltakteure sind für unsägliches Leid in Cabo Delgado verantwortlich. Sie haben die Häuser der Menschen mithilfe koordinierter Brandanschläge in Schutt und Asche gelegt. Sie haben Zivilisten getötet und enthauptet, Lebensmittel und Eigentum geplündert und Hunderttausende dazu gezwungen, ihre Häuser zu verlassen", sagte Deprose Muchena, Regionaldirektor für das östliche und südliche Afrika von Amnesty International.
Im Zuge der Verfolgung von Personen, die verdächtigt werden, mit der bewaffneten Gruppe in Verbindung zu stehen, werden auch der mosambikanischen Armee und Polizei Missbräuche vorgeworfen. In den letzten Wochen gab es wiederholt Berichte über Folter und andere völkerrechtliche Verbrechen, die von Sicherheitskräften in Cabo Delgado begangen wurden. In einer Untersuchung konnte Amnesty International nun die Echtheit von Filmmaterial aus der Region verifizieren, das diese Gräueltaten dokumentiert.
Die Videos und Bilder zeigen Versuche von Enthauptungen, Folter und anderen Misshandlungen von Gefangenen, die Verstümmelung von mutmaßlichen Mitgliedern von al-Shabaab, mögliche außergerichtliche Hinrichtungen und den Transport sowie das Abladen einer großen Anzahl von Leichen in offensichtliche Massengräber.
Im September 2020 wurde ein Video über soziale Medien verbreitet, das die Tötung einer nicht identifizierten, nackten Frau in Mocímboa da Praia zeigt: Die Frau wurde mitten auf der Straße R698 vor dem Umspannwerk auf der Westseite der Stadt Awasse in Cabo Delgado getötet. Sie hatte versucht, die Straße entlang nach Norden zu fliehen, als sie von Männern angesprochen wurde, die offenbar Mitglieder der mosambikanischen Armee waren und ihr folgten. Nachdem die Soldaten sie mit einem Holzstock geschlagen hatten, erschossen sie die Frau und ließen ihre Leiche auf der Straße liegen.
Amnesty-Video zur Tötung einer unbekannten Frau in Cabo Delgado durch mosambikanische SIcherheitskräfte
© Amnesty International
Amnesty International konnte die Echtheit dieses Videos und den Ort des Vorfalls verifizieren. Der Fall zeigt, mit welcher unvorstellbaren Gewalt mosambikanische Sicherheitskräfte gegen mutmaßliche Mitglieder der bewaffneten Gruppe al-Shabaab vorgehen und sich dabei schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig machen.
Die Armee war auch beteiligt an Entführungen und willkürlichen Verhaftungen von Medienschaffenden, Forschenden, Gemeindeführer_innen und anderen Personen, die versuchten, die Übergriffe aufzudecken.
Zuletzt gab es auch Bombendrohungen gegen zivilgesellschaftliche Akteure wie Adriano Nuvunga. Adriano Nuvunga ist Exekutivdirektor des Zentrums für Demokratie und Entwicklung (CDD), einer zivilgesellschaftlichen Organisation, die sich für Demokratie und Menschenrechte in Mosambik einsetzt. Er forderte eine unabhängige Untersuchung der durch Sicherheitskräfte begangenen Gewaltakte im Kampf gegen al-Shabaab. Er erhielt seit dem Abend des 3. Oktober 2020 anonyme Anrufe, in denen ihm mitgeteilt wurde, dass in seinem Haus eine Bombe gelegt worden sei. Inzwischen hat er das Haus mit seiner Familie verlassen.
"Die Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung müssen sofort beendet werden. Die mosambikanischen Behörden müssen sicherstellen, dass kein mutmaßlicher Täter ungestraft bleibt, auch nicht in den Reihen der Sicherheitskräfte. Sie müssen eine unabhängige und unparteiische Untersuchung dieser schweren Menschenrechtsverletzungen einleiten. Sofern ausreichende Beweise vorliegen, müssen die mutmaßlichen Verantwortlichen in fairen Verfahren vor zivilen, nicht-militärischen Gerichten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden", sagte Deprose Muchena, Regionaldirektor für das östliche und südliche Afrika bei Amnesty International.