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"Es droht die Abschiebung"
#Gleichbehandeln: Janina Gach von Ärzte der Welt.
© Privat
Ein Bündnis aus mehr als 80 zivilgesellschaftlichen Organisationen – darunter IPPNW, GFF, Amnesty International, Ärzte der Welt, Diakonie, Pro Asyl und AWO – fordert mit der Kampagne "Gleichbehandeln" ein Ende der Übermittlungspflicht von Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus im Gesundheitswesen. Janina Gach, Fachreferentin für Inlandsprogramme von Ärzte der Welt, erklärt, was für viele davon abhängt.
Interview: Frédéric Valin
Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus haben nur einen begrenzten Zugang zum Gesundheitssystem. Warum ist das so?
Sie haben keine Versicherung und müssen sich – wenn es sich nicht um akute Notfälle handelt – Behandlungsscheine vom Sozialamt ausstellen lassen. Nach Paragraf 87 des Aufenthaltsgesetzes hat das Sozialamt aber eine Meldepflicht gegenüber der Ausländerbehörde oder der Polizei, und dadurch droht sofort die Abschiebung und damit der Verlust der Existenz in Deutschland, teils auch von Familienmitgliedern. Deswegen lassen sich diese Menschen oft nur in Notfällen medizinisch versorgen.
Gibt es Zahlen dazu, wie viele Menschen in Deutschland derzeit ohne geregelten Aufenthaltsstatus leben?
Dazu gibt es keine verlässlichen Zahlen. Anhand älterer Daten und der praktischen Erfahrung gehen wir von mehreren Hunderttausend aus.
Inwiefern hat sich die Pandemie auf das Leben dieser Menschen ausgewirkt?
Corona hat bewirkt, dass es die Menschen, die schon benachteiligt waren, noch härter trifft. Schon die Praxis, dass überall Daten angegeben werden müssen, schließt sie aus vielen Bereichen aus, insbesondere in der Gesundheitsversorgung. Ob Tests oder Impfungen, man braucht immer Dokumente. Hinzu kommt, dass bei vielen das Einkommen wegfällt, weil sie in Hotels arbeiten, in Restaurants, in der Altenpflege, als Haushaltshilfen oder in der Sexindustrie. Da das irreguläre Beschäftigungsverhältnisse sind, haben sie keine Absicherung. Und selbst wenn der Job noch da ist, haben sie keine Möglichkeiten, auf die Einhaltung des Gesundheitsschutzes zu pochen.
Unter dieser Situation leidet ihre Gesundheit. Gleichzeitig hat die Gesundheit für sie oft nicht die erste Priorität, weil es drängendere Probleme gibt. Erst wenn eine Krankheit schwer beeinträchtigend, chronisch oder akut lebensbedrohlich ist, wird sie zum existenziellen Problem. Es ist unter diesen Umständen schwierig, gut auf die eigene Gesundheit aufzupassen.
Was muss passieren, damit sich diese Situation ändert?
Die Abschaffung der Übermittlungspflicht wäre ein erster wichtiger Schritt, um allen Menschen Zugang zur Gesundheitsversorgung zu verschaffen. Es wäre sehr einfach, im Grunde ist es nur ein Satz. Im Bildungs- und Erziehungsbereich geht es ja auch, da wurde die Übermittlungspflicht 2011 aufgehoben, damit Kinder ohne Angst vor Abschiebung in die Schule gehen können. Deutschland hat sich verpflichtet, für alle Menschen das Recht auf Gesundheit zu gewährleisten, aber es wird nicht umgesetzt. Selbst der UN-Sozialausschuss hat diese Meldepraxis kritisiert und die Abschaffung gefordert. Es gab dazu auch Eingaben im Bundestag, die aber immer blockiert wurden.
Was kann "Gleichbehandeln" daran ändern?
Wir hoffen, genug öffentlichen Druck zu erzeugen, dass sich die künftige Regierung des Themas annimmt. Alle Menschen haben das gleiche Recht auf medizinische Versorgung. Das ist nach jetziger Rechtslage nicht gegeben, da Asylsuchenden und Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus nur eingeschränkte Leistungen zustehen. Die Abschaffung der Übermittlungspflicht würde dafür sorgen, dass Menschen das in Anspruch nehmen können, was ihnen rechtlich zusteht.
Frédéric Valin ist freier Autor und Journalist. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International wieder.
Weitere Infos unter gleichbehandeln.de.