Aktuell Syrien 12. März 2025

Syrien: Grausame Tötungen von Zivilist*innen müssen untersucht werden

Bewaffnete Männer auf Jeeps, im Hintergrund schwarzer Qualm

In der syrischen Stadt Latakia im Westen des Landes kam es zu Gefechten zwischen Anhängern des gestürzten syrischen Machthabers Baschar al-Assad und Truppen der neuen Regierung (7. März 2025).

Nach gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen syrischen Sicherheitskräften und Anhängern des gestürzten Machthabers Baschar al-Assad sollen Berichten zufolge nahezu 1.000 Zivilist*innen getötet worden sein. Darunter befinden sich viele Angehörige der alawitischen Minderheit. Amnesty International fordert, dass die Zivilbevölkerung von der syrischen Regierung geschützt wird und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Das Ausmaß der Gewalt ist erschütternd. Im Nordwesten Syrien kam es in der vergangenen Woche zu heftigen Gefechten zwischen syrischen Sicherheitskräften und Anhängern des gestürzten Machthabers Baschar al-Assad. Assad-treue Männer griffen dabei die staatlichen syrischen Sicherheitskräfte in der syrischen Küstenstadt Latakia an. Regierungsnahe Einheiten und Milizen gingen zum Gegenangriff über, woraufhin es Berichten zufolge zu einer Reihe von Angriffen in verschiedenen umliegenden Gebieten kam. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete später, dass dabei mehr als 973 Zivilist*innen getötet wurden – die meisten von ihnen Alawit*innen.

Heba Morayef, Regionaldirektorin von Amnesty International für den Nahen Osten und Nordafrika, verurteilte die Gewalttaten und fordert Konsequenzen: "Die Behörden müssen rasch handeln, um sicherzustellen, dass die Zivilbevölkerung in laufenden oder künftigen Kämpfen geschützt wird. Sie müssen weitere rechtswidrige Tötungen und andere Menschenrechtsverletzungen verhindern. Wenn jetzt nicht entschlossen gehandelt wird - das heißt, unabhängige, unparteiische und wirksame Ermittlungen durchzuführen und die Täter vor Gericht zu bringen - wird das diejenigen ermutigen, die glauben, sie könnten ungestraft töten."

November 2024: Das Ende der Assad-Herrschaft

Die Familie Assad, die Syrien jahrzehntelang regierte, gehört der alawitischen Minderheit an. Der Sturz des langjährigen Machthabers, der für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen an der syrischen Bevölkerung verantwortlich ist, begann im November 2024: Hay'at Tahrir al-Sham (HTS), ein Zusammenschluss verschiedener islamistischen Milizen, sowie verbündete bewaffnete Oppositionsgruppen starteten eine Militäroffensive, die zur Einnahme des Gouvernements Aleppo führte. Am 8. Dezember 2024 nahmen die bewaffneten Oppositionsgruppen Damaskus ein und der damalige Präsident Baschar al-Assad floh aus dem Land.

Am 29. Januar 2025 ernannte das Syrische Militärische Operationskommando den ehemaligen HTS-Anführer Ahmad al-Sharaa zum Übergangspräsidenten. Am selben Tag kündigten die Übergangsbehörden an, dass alle militärischen Gruppierungen aufgelöst und in die staatlichen Institutionen integriert werden würden. 

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Heba Morayef appelliert an die Verantwortung der neuen syrischen Regierung: "Zusätzlich zu ihren Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht ist die syrische Regierung auch verpflichtet, die Menschenrechte aller in Syrien lebenden Menschen zu wahren. Die Behörden müssen dringend Maßnahmen ergreifen, um sicherstellen, dass keine Person oder Gruppe wegen ihrer ethnischen oder vermeintlichen politischen Zugehörigkeit diskriminiert, angegriffen oder sogar getötet wird

Die schrecklichen Bilder der Leichen auf den Straßen und der Angehörigen, die um ihre Liebsten trauern, sind eine düstere Erinnerung an die Grausamkeiten, die Syrer*innen in der Vergangenheit erlitten haben. Sie bergen die Gefahr, religiöse Spannungen zu schüren und weitere tödliche Gewalt zu entfachen. Die Menschen in Syrien verdienen eine Zukunft, die auf Gerechtigkeit und Würde beruht.

Eine transparente und unabhängige Untersuchung ist notwendig

Die Regierung hat zwar einen unabhängigen Untersuchungsausschuss angekündigt und zugesagt, die für die Verbrechen verantwortlichen Personen der Justiz zu überstellen. Doch ist es entscheidend, dass dieser Prozess transparent ist und im Einklang mit internationalen Standards durchgeführt wird. Der Untersuchungsausschuss hat den Auftrag, der Regierung innerhalb von 30 Tagen einen Bericht vorzulegen, doch diese Ergebnisse müssen auch veröffentlicht werden. Denn ohne Transparenz haben die Opfer und die breite Öffentlichkeit keinen Grund, darauf zu vertrauen, dass die Ermittlungen glaubwürdig und sorgfältig durchgeführt wurden.

Das Versprechen von Präsident Ahmad al-Sharaa, die Täter 'mit aller Entschlossenheit und ohne Nachsicht' zur Rechenschaft zu ziehen, bleibt leer, wenn die Justiz die Opfer nicht einbindet, nicht auf die Menschenrechte achtet und parteiisch ist – unabhängig davon, wer verantwortlich ist.

Zusätzlich zu den von der Regierung geleiteten Ermittlungen sollten die Behörden unabhängigen nationalen und internationalen Ermittlungsteams Zugang zu Syrien gewähren, damit sie eigene Untersuchungen durchführen können. Auch in den Küstengebieten.

Diese schrecklichen Ereignisse unterstreichen einmal mehr die Dringlichkeit umfassender Maßnahmen seitens der syrischen Behörden, um Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für alle Opfer von schweren Menschenrechtsverletzungen in Syrien zu gewährleisten."

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