Aktuell Algerien 21. Juni 2016

Warum die Maghreb-Staaten keine sicheren Herkunftsstaaten sind

Warum die Maghreb-Staaten keine sicheren Herkunftsstaaten sind

Keine Verschärfung der Asylpolitik! Amnesty-Aktion am 13. September 2015 vor dem Bundesministerium des Innern

20. Juni 2016 – Sind die Maghreb-Länder Marokko, Tunesien und Algerien sichere Herkunftsstaaten? Die Abstimmung darüber ist zumindest vorerst verschoben. Aus Sicht von Amnesty International ist die Antwort auf die Frage eindeutig.

Sind Algerien, Marokko und Tunesien "sichere Herkunftsstaaten"? Darüber entscheidet wahrscheinlich noch vor der Sommerpause der Bundesrat. Doch wären diese Staaten "sicher", dann dürfte es in keinem der Länder verfolgte Gruppen geben.

Homosexuelle werden im Maghreb kriminialisiert

Genau das ist aber der Fall. Besonders prägnant zeigt sich dies an der Situation von Homosexuellen, die in allen drei Ländern kriminalisiert werden. In Marokko wurden 2015 fünf Männer zu Gefängnisstrafen von bis zu drei Jahren verurteilt. Eine lesbische Frau in Tunesien wurde im gleichen Jahr viermal von Männern überfallen. Als sie dies bei der Polizei meldete, drohte man ihr, sie wegen ihrer sexuellen Orientierung zu inhaftieren. Auch die Diskriminierung von Menschen aufgrund der tatsächlichen oder angenommenen sexuellen Orientierung ist an der Tagesordnung.

Dazu kommen weitere Menschenrechtsverletzungen. So hat Amnesty Folter und Misshandlung in Marokko und Tunesien dokumentiert. Seit letztem Jahr gilt in Tunesien zudem der Ausnahmezustand, Notstandsgesetze werden unverhältnismäßig repressiv angewendet. Anfang 2016 wurden 37 Männer im Süden des Landes wegen Verletzung einer Ausgangssperre zu Haftstrafen von bis zu drei Jahren verurteilt. In Algerien und Marokko wird zunehmend repressiv gegen kritische Journalistinnen und Journalisten sowie Aktivistinnen und Aktivisten vorgegangen und sie werden vermehrt zu Haftstrafen verurteilt.

Diese Beispiele zeigen ganz klar: Homosexuelle Menschen und andere Gruppen werden im Maghreb verfolgt. Algerien, Marokko und Tunesien als "sicher" zu bezeichnen, ist vor diesem Hintergrund sowohl menschenrechtlich als auch verfassungsrechtlich falsch und nicht zu rechtfertigen.

Abschiebung in die Verfolgung?

Bereits am vergangenen Freitag hätte der Bundesrat über den Gesetzentwurf der Bundesregierung abstimmen sollen. Wenn auch die Mitglieder des Bundesrats die Maghreb-Staaten als 'sichere Herkunftsländer' einstufen, hat das gravierende Folgen für viele Asylsuchende aus dieser Region – darunter auch Menschen, die vor staatlicher Verfolgung fliehen. Das Recht, Asyl zu suchen, wäre für diese Menschen eingeschränkt. Ihre Anträge würden voreingenommen geprüft, ihre Rechte während des Verfahrens beschnitten und sie würden schlimmstenfalls, wenn ihr Schutzbedarf nicht erkannt wird, in die Verfolgung abgeschoben werden.

Da es an der Mehrheit für den Gesetzentwurf fehlte, wurde die Entscheidung vertagt. Jetzt wäre ein guter Moment, den Gesetzentwurf nicht weiter blind zu verteidigen, sondern ihn zurück zu ziehen. Kosmetische Veränderungen wie eine Befristung des Gesetzes oder eine Ausnahme bestimmter Gruppen ändern nichts an den menschenrechtlichen Bedenken. Wenn die deutsche Politik Länder wie Marokko, Tunesien und Algerien für 'sicher' erklärt, verschließt sie die Augen vor der tatsächlichen Situation. Dadurch legitimiert sie Menschenrechts-verletzungen und gefährdet die Arbeit der Menschen, die sich vor Ort für die Menschenrechte einsetzen.

Weitere Informationen zum Thema Flüchtlinge und Asyl finden Sie auf www.amnesty.de/fluechtlinge

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