Menschenrechtlerin wieder frei

Parisa Kakaei, Mitglied der iranischen Menschenrechtsorganisation "Committee of Human Rights Reporters" (CHRR), ist ohne Anklageerhebung freigelassen worden. Drei der CHRR-Mitglieder, die noch inhaftiert sind, haben gegenüber ihren Familien geäußert, dass sie bei den Verhören unter Druck gesetzt werden, "Geständnisse" abzulegen. Allen sechs noch inhaftierten Mitgliedern der Organisation drohen Folter und andere Misshandlungen.

Appell an

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street – End of Shahid Keshvar Doust Street, Tehran, IRAN
E-Mail: info_leader@leader.ir
oder über die Internetseite: http://www.leader.ir/langs/en/index.php?p=letter (Englisch) (korrekte Anrede: Your Excellency)

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT IN TEHERAN
Ali Reza Avaei
Karimkhan Zand Avenue
Sana'i Avenue, Corner of Ally 17, No 152
Tehran, IRAN (korrekte Anrede: Dear Mr Avaei)
E-Mail: avaei@Dadgostary-tehran.ir

Sende eine Kopie an

LEITER DER STAATLICHEN MENSCHENRECHTSBEHÖRDE
Exzellenz Mohammad Javad Larijani
Bureau of International Affairs
Office of the Head of Judiciary
Pasteur St. Vali Asr Ave., south of Serah-e Jomhouri Tehran 1316814737, IRAN
Fax: (00 98) 21 5 537 8827
E-Mail: bia.judi@yahoo.com

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 2. April 2010 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE

  • Fordern Sie von den iranischen Behörden die sofortige und bedingungslose Freilassung von Kouhyar Goudarzi, Mehrdad Rahimi, Saeed Kalanaki, Saeed Jalalifer, Saeed Haeri und Shiva Nazar Ahari und aller weiteren CHRR-Mitglieder, da sie offenbar gewaltlose politische Gefangene sind, die nur wegen des friedlichen Einsatzes für die Menschenrechte festgehalten werden.

  • Dringen Sie bei den Behörden darauf, sicherzustellen, dass sie vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt werden, und ihnen sofortiger und regelmäßiger Zugang zu einer anwaltlichen Vertretung, zu ihrer Familie und eventuell notwendiger medizinischer Versorgung gewährt wird.

  • Erinnern Sie die Behörden daran, dass erzwungene "Geständnisse" laut Artikel 38 der iranischen Verfassung verboten sind sowie nach Artikel 14 (g) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsstaaten der Iran gehört.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the Iranian authorities to immediately and unconditionally release Kouhyar Goudarzi, Mehrdad Rahimi, Saeed Kalanaki, Saeed Jalalifer, Saeed Haeri, Shiva Nazar Ahari and all other detained CHRR members, if, as it appears, they are prisoners of conscience held solely for their peaceful human rights activities;

  • Urging the authorities to ensure that they are protected from torture and other ill-treatment and are granted immediate and regular access to a lawyer, their families and any medical treatment they might require;

  • Reminding the authorities that confessions extracted under duress are prohibited under Article 38 of the Constitution of Iran and by the International Covenant on Civil and Political Rights, to which Iran is a state party.

Sachlage

Parisa Kakaei wurde am 17. Februar 2010 freigelassen. Am 1. Januar 2010 hatten Angehörige des Geheimdienstministeriums sie festgenommen. Aussagen von Mitgliedern der CHRR zufolge ist sie vor ihrer Freilassung in den Frauentrakt des Evin-Gefängnisses verlegt worden.

Die beiden inhaftierten Männer Mehrdad Rahimi und Kouhyar Goudarzi haben ihren Familien berichtet, dass sie bei den Befragungen von Angehörigen des Geheimdienstes unter Druck gesetzt werden, die Anschuldigungen gegen sie zu "gestehen". Sie werden der "Feindschaft mit Gott" (moharebeh) beschuldigt und wurden bereits zuvor unter Druck gesetzt, Verbindungen zu einer verbotenen Oppositionsgruppierung zu "gestehen". Für diesen Fall erwartet sie eine Anklage, die mit der Todesstrafe geahndet werden kann.

Am 11. Februar 2010 berichtete Shiva Nazar Ahari ihrer Familie in einem Telefonat, dass sie in eine "käfigartige" Isolationszelle verlegt wurde, in der sie ihre Beine und Arme nicht bewegen kann. Seit ihrer Festnahme am 20. Dezember 2009 wird sie ohne Anklage festgehalten und man hat ihr den Zugang zu einem Rechtsbeistand verwehrt. Des Weiteren sagte sie, dass sie gedrängt werde, die Vorwürfe gegen sie zu "gestehen". Es ist allerdings nicht bekannt, was man ihr zur Last legt.
Es gibt keine neuen Informationen zu den drei CHRR-Aktivisten Saeed Kalanaki, Saeed Jalalifer und Sareed Haeri, die ebenfalls im Evin-Gefängnis inhaftiert sind. Bislang hat man ihnen den Zugang zu einem Rechtsbeistand verwehrt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Das CHRR wurde 2006 gegründet und setzt sich gegen jegliche Art von Menschenrechtsverletzungen ein, unter anderem gegen Frauen, Kinder, Gefangene und ArbeiterInnen. Um den 21. Januar 2010 erklärte der Staatsanwalt von Teheran Abbas Ja’fari Dowlatabadi der Familie von Shiva Nazar Ahari bei einem Treffen: "Sachkundige des Falles haben herausgefunden, dass die Internetseite des CHRR Verbindungen zu den "Heuchlern" aufweist [als solche bezeichnen die iranischen Behörden die Volksmudschaheddin] und jedwede Zusammenarbeit mit dem Komitee stellt ein Verbrechen dar."

Saeed Kalanaki und Saeed Jalalifer wurden beide am 30. November 2009 festgenommen und befinden sich seitdem in einem öffentlichen Trakt des Evin-Gefängnisses. Dort können sie Kontakt zu anderen Gefangenen haben und Besuche empfangen. Saeed Kalanaki wurde in seinem Büro von in Zivil gekleideten Sicherheitskräften festgenommen. Die Sicherheitskräfte brachten ihn zunächst zu seiner Wohnung. Dort beschlagnahmten sie einige persönliche Gegenstände, darunter einen Computer und eine Fotosammlung. Die beiden Männer wurden gezwungen, zwei ihrer CHRR-KollegInnen anzurufen und sie dazu zu drängen, die Internetseite des Komitees zu löschen. Während des Gesprächs rissen die Vernehmungsbeamten den Hörer an sich und drohten den CHRR-Mitgliedern, dass man sich um sie kümmern werde – ob im Gefängnis oder außerhalb – wenn sie nicht sofort aufhörten, Informationen ins Internet zu stellen. Saeed Jalalifer durfte seine Familie bislang einmal am 31. Dezember 2009 sehen.

Saeed Haeri, Kouhyar Goudarzi und Shiva Nazar Ahari wurden am 20. Dezember 2009 von Polizeikräften und Bediensteten des Geheimdienstministeriums in Teheran festgenommen. Man hatte sie gezwungen, aus einem Bus auszusteigen, der kurz darauf in die nördlich gelegene Stadt Qom fahren sollte, in der am 21. Dezember 2009 die Beisetzung des islamischen Geistlichen Großayatollah Hosseinali Montazeri stattfand. Sie werden in der Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses festgehalten, die dem Geheimdienstministerium untersteht. Shiva Nazar Ahari, die ebenfalls nach den Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 drei Monate inhaftiert war, wird nun in Einzelhaft gehalten. Auf dem Weg zur Beisetzung im Dezember wurden im selben Bus zwei weitere Personen festgenommen: Ahmad Qabel und Mohammad Nourizad. Ahmad Qabel ist Berichten zufolge im Januar in den Hungerstreik getreten und hat seit seiner Festnahme keinen Kontakt zu seiner Familie aufnehmen dürfen. Amnesty International liegen weder Informationen zu Mohammad Nourizads Befinden noch zu seinem Aufenthaltsort vor.

Nach den Drohungen am Telefon beorderte das Geheimdienstministerium am 1. Januar vier Aktive des CHRR in seine Dienststelle in die Stadtmitte von Teheran. Parisa Kakaei und Mehrdad Rahimi kamen der Vorladung nach und wurden sofort inhaftiert. Am 2. Januar durfte Parisa Kakaei, die im Trakt 209 festgehalten wurde, ihre Familie anrufen, gegenüber der sie ihre Inhaftierung bestätigte. Mehrdad Rahimi ist ein gesellschaftlich engagierter Student und stellvertretender Vorsitzender des Komitees für die Wahrung der Bürgerrechte im Büro von Mehdi Karoubi.

Die Anklage "Feindschaft mit Gott" (moharebeh) wird für gewöhnlich gegen Mitglieder verbotener oppositioneller Parteien erhoben oder gegen Personen, die man des bewaffneten Kampfes gegen den Iran beschuldigt. Der Tatbestand der "Feindschaft mit Gott" kann mit vier Strafen geahndet werden: Hinrichtung, Kreuzamputation, Kreuzigung oder Verbannung (in der Regel Inhaftierung innerhalb des eigenen Landes).

Seit den umstrittenen Präsidentschaftswahlen vom Juni 2009 sind zahlreiche Menschen von Sicherheitskräften, die mit exzessiver Gewalt vorgingen, getötet worden. Außerdem wurden Tausende festgenommen, die meisten von ihnen willkürlich. Zahlreiche Menschen sind gefoltert oder in anderer Weise misshandelt worden. Hunderte Menschen sind in unfairen Gerichtsverfahren verurteilt worden. In solchen Schauprozessen hat man mindestens 80 Menschen zu Gefängnisstrafen und mindestens zwölf zum Tode verurteilt. In mindestens einem Fall wurde die Todes- in eine Gefängnisstrafe umgewandelt. Zwei Todesurteile sind am 28. Januar 2010 vollstreckt worden. Iranischen Medienberichten zufolge hat der stellvertretende Leiter der obersten Justizbehörde des Landes, Ebrahim Raisi, am 1. Februar die "baldige" Hinrichtung weiterer neun Personen angekündigt, obwohl der Teheraner Staatsanwalt Abbas Ja’fari Dowlatabadi am 3. Februar klarstellte, dass die Urteile der Betroffenen noch anfechtbar seien. Die Verurteilten haben kein faires Gerichtsverfahren erhalten, ihnen wurde zu Beginn ihrer Inhaftierung der Zugang zu einem Rechtsbeistand verweigert, und in nahezu allen Fällen wurden die "Geständnisse" offenbar erzwungen.