Zwangsgeständnisse

Sieben Mitglieder der iranischen Menschenrechtsorganisation "Committee of Human Rights Reporters" (CHRR) befinden sich in Teheran in Haft. Sie werden unter Druck gesetzt Verbindungen zu einer verbotenen Oppositionsgruppierung zu gestehen. Für diesen Fall erwartet sie eine Anklage, die mit der Todesstrafe geahndet werden kann. Drei der sieben Personen gehören zu der Gruppe Festgenommener, die in einem Bus auf dem Weg zur Beisetzung des islamischen Geistlichen Großayatollah Husseinali Montazeri waren.

Appell an

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street – End of Shahid Keshvar Doust Street, Tehran, IRAN
E-Mail: info_leader@leader.ir
oder über die Internetseite:
http://www.leader.ir/langs/en/index.php?p=letter (Englisch) (korrekte Anrede: Your Excellency)

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT IN TEHERAN
Ali Reza Avaei
Karimkhan Zand Avenue
Sana'i Avenue, Corner of Ally 17, No 152
Tehran, IRAN (korrekte Anrede: Dear Mr Avaei)
E-Mail: avaei@Dadgostary-tehran.ir

Sende eine Kopie an

LEITER DER STAATLICHEN MENSCHENRECHTSBEHÖRDE
Mohammad Javad Larijani
Howzeh Riassat-e Ghoveh Ghazaiyeh
Pasteur St. Vali Asr. Ave., south of Serah-e Jomhouri Tehran 1316814737, IRAN
Fax: (00 98) 21 3390 4986
E-Mail: bia.judi@yahoo.com

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 19. März 2010 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE

  • Fordern Sie von den iranischen Behörden die sofortige und bedingungslose Freilassung der sieben Mitglieder des CHRR: Kouhyar Goudarzi, Mehrdad Rahimi, Saeed Kalanaki, Saeed Jalalifer, Saeed Haeri, Parisa Kakaei, Shiva Nazar Ahari. Sie sind gewaltlose politische Gefangene, die nur wegen des friedlichen Einsatzes für die Menschenrechte festgehalten werden.

  • Dringen Sie bei den Behörden darauf, sicherzustellen, dass sie vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt werden, und ihnen sofortiger und regelmäßiger Zugang zu einer anwaltlichen Vertretung, zu ihrer Familie und eventuell notwendiger medizinischer Versorgung gewährt wird.

  • Erinnern Sie die Behörden daran, dass erzwungene "Geständnisse" laut Artikel 38 der iranischen Verfassung verboten sind sowie nach Artikel 14 (g) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsstaaten der Iran gehört.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the Iranian authorities to immediately and unconditionally release the seven members of the CHRR, Kouhyar Goudarzi, Mehrdad Rahimi, Saeed Kalanaki, Saeed Jalalifer, Saeed Haeri, Parisa Kakaei, Shiva Nazar Ahari, as they are prisoners of conscience held solely for their peaceful human rights activities;

  • Urging the authorities to ensure that they are protected from torture and other ill-treatment and are granted immediate and regular access to a lawyer, their families and any medical treatment they might require;

  • Reminding the authorities that confessions extracted under duress are prohibited under Article 38 of the Constitution of Iran and by Article 14(g) of the International Covenant on Civil and Political Rights, to which Iran is a state party.

Sachlage

Sieben Mitglieder des "Committee of Human Rights Reporters" werden seit ihrer Festnahme am 30. November 2009 im Evin-Gefängnis von Teheran festgehalten. Mindestens zwei von ihnen, Kouhyar Goudarzi und Mehrdad Rahimi, werden der "Feindschaft mit Gott" (moharebeh) beschuldigt. Für dieses "Vergehen" kann im Iran die Todesstrafe verhängt werden. Allerdings sind sie offenbar bislang nicht unter Anklage gestellt worden.

Das CHRR berichtet seit 2006 über Menschenrechtsverletzungen im Iran. Die iranischen Behörden haben das CHRR beschuldigt, Verbindungen zu der verbotenen iranischen Oppositionsgruppe der Volksmudschaheddin (People's Mojahedeen Organization of Iran - PMOI) zu unterhalten. Die Organisation streitet dies ab. Mehrdad Rahimi berichtete seiner Familie bei deren Besuch am 28. Januar 2010, dass er unter Druck gesetzt werde, vor laufender Kamera ein "Geständnis" abzulegen. Amnesty International befürchtet, dass derartige erzwungene "Geständnisse" den Weg ebnen, alle Mitwirkenden des CHRR der "Feindschaft mit Gott" (moharebeh) zu beschuldigen. Sie wären dann in Gefahr hingerichtet zu werden.

Shiva Nazar Ahari, Saeed Kalanaki, Saeed Jalalifer, Sareed Haeri und Parisa Kakaei sind weitere fünf CHRR-Aktivisten, die im Evin-Gefängnis inhaftiert sind. Shiva Nazar Ahari wird in Einzelhaft gehalten. Ihnen drohen Folter und andere Misshandlungen. Bislang hat man ihnen den Zugang zu einem Rechtsbeistand verwehrt. Zwei weitere Mitglieder des CHRR sind untergetaucht.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Das CHRR wurde 2006 gegründet und setzt sich gegen jegliche Art von Menschenrechtsverletzungen ein, unter anderem gegen Frauen, Kinder, Gefangene und ArbeiterInnen. Um den 21. Januar 2010 erklärte der Staatsanwalt von Teheran Abbas Ja’fari Dowlatabadi der Familie von Shiva Nazar Ahari bei einem Treffen: "Sachkundige des Falles haben herausgefunden, dass die Internetseite des CHRR Verbindungen zu den "Heuchlern" aufweist [als solche bezeichnen die iranischen Behörden die Volksmudschaheddin] und jedwede Zusammenarbeit mit dem Komitee stellt ein Verbrechen dar." Im Januar 2010 schrieb ein Mitglied des CHRR, das gegenwärtig untergetaucht ist, an Amnesty International: "Ich schreibe Ihnen von dem Ort, an dem ich mich versteckt halte, seit ich eine Vorladung wegen meiner Mitarbeit im CHRR erhalten hab. Wir berichten über die Menschenrechtslage, nicht über politische Angelegenheiten. Jetzt da meine FreundInnen und KollegInnen in Haft sind, wird es nicht mehr lange dauern, bis sie ihr Ziel erreicht haben, dass das CHRR seine Arbeit niederlegt. Aber wir werden unsere Aktivitäten nicht aufgrund von Drohungen und Inhaftierungen einstellen, wir sind Menschenrechts-Reporter und so lautet unser Auftrag."

Saeed Kalanaki und Saeed Jalalifer wurden beide am 30. November 2009 festgenommen und befinden sich seitdem in einem öffentlichen Trakt des Evin-Gefängnisses. Dort können sie Kontakt zu anderen Gefangenen haben und Besuche empfangen. Saeed Kalanaki wurde in seinem Büro von in Zivil gekleideten Sicherheitskräften festgenommen. Die Beamten brachten ihn zunächst zu seiner Wohnung. Sie durchsuchten seine Wohnung und beschlagnahmten einige persönliche Gegenstände, darunter ein Computer und eine Fotosammlung. Die beiden Männer wurden gezwungen, zwei ihrer Kollegen vom CHRR anzurufen und sie dazu zu drängen, die Internetseite des Komitees zu löschen. Während des Gesprächs rissen die Vernehmungsbeamten den Hörer an sich und drohten den CHRR-Mitgliedern, dass man sich um sie kümmern werde – ob im Gefängnis oder außerhalb – wenn sie nicht sofort aufhörten, Informationen ins Internet zu stellen. Saeed Jalalifer durfte seine Familie bislang einmal am 31. Dezember 2009 sehen.

Saeed Haeri, Kouhyar Goudarzi und Shiva Nazar Ahari wurden am 20. Dezember 2009 von Polizeikräften und Mitarbeitern des Geheimdienstministeriums in Teheran festgenommen. Man hatte sie gezwungen aus einem Bus auszusteigen, der kurz darauf in die nördlich gelegene Stadt Qom fahren sollte, in der am 21. Dezember 2009 die Beisetzung des islamischen Geistlichen Großayatollah Hosseinali Montazeri stattfand. Sie werden in der Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses festgehalten, die dem Geheimdienstministerium untersteht. Shiva Nazar Ahari, die ebenfalls nach den Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 drei Monate inhaftiert war, wird nun in Einzelhaft gehalten.

Auf dem Weg zur Beisetzung im Dezember wurden im selben Bus zwei weitere Personen festgenommen: Ahmad Qabel und Mohammad Nourizad. Ahmad Qabel ist Berichten zufolge im Januar in den Hungerstreik getreten und hat seit seiner Festnahme keinen Kontakt zu seiner Familie aufnehmen dürfen. Amnesty International liegen weder Informationen zu Mohammad Nourizads Befinden noch zu seinem Aufenthaltsort vor.

Nach den Androhungen am Telefon beorderte das Geheimdienstministerium am 1. Januar 2010 vier Aktive des CHRR in seine Dienststelle in die Stadtmitte von Teheran. Parisa Kakaei und Mehrdad Rahimi kamen der Vorladung nach und wurden sofort inhaftiert. Am 2. Januar 2010 durfte Parisa Kakaei, die in Trakt 209 festgehalten wird, ihre Familie anrufen, gegenüber der sie ihre Inhaftierung bestätigte. Mehrdad Rahimi ist ein gesellschaftlich engagierter Student und stellvertretender Vorsitzender des Komitees für die Wahrung der Bürgerrechte im Büro von Mehdi Karoubi.

Die Anklage "Feindschaft mit Gott" (moharebeh) wird für gewöhnlich gegen Mitglieder verbotener oppositioneller Parteien erhoben oder gegen Personen, die man des bewaffneten Kampfes gegen den Iran beschuldigt. Der Tatbestand der "Feindschaft mit Gott" kann mit vier Strafen geahndet werden: Hinrichtung, Kreuzamputation, Kreuzigung oder Verbannung (in der Regel Inhaftierung innerhalb des eigenen Landes).

Seit den umstrittenen Präsidentschaftswahlen vom Juni 2009 sind zahlreiche Menschen von Sicherheitskräften, die mit exzessiver Gewalt vorgingen, getötet worden. Außerdem wurden Tausende festgenommen, die meisten von ihnen willkürlich. Zahlreiche Menschen sind gefoltert oder in anderer Weise misshandelt worden. Hunderte Menschen sind in unfairen Gerichtsverfahren verurteilt worden. In solchen Schauprozessen hat man mindestens 80 Menschen zu Gefängnisstrafen und mindestens zwölf zum Tode verurteilt. In mindestens einem Fall wurde die Todes- in eine Gefängnisstrafe umgewandelt. Zwei Todesurteile sind am 28. Januar 2010 vollstreckt worden.

Iranischen Medienberichten zufolge hat der stellvertretende Leiter der obersten Justizbehörde des Landes, Ebrahim Raisi, am 1. Februar die "baldige" Hinrichtung weiterer neun Personen angekündigt, obwohl der Teheraner Staatsanwalt Abbas Ja’fari Dowlatabadi am 3. Februar klarstellte, dass die Urteile der Betroffenen noch anfechtbar seien. Die Verurteilten haben kein faires Gerichtsverfahren erhalten, ihnen wurde zu Beginn ihrer Inhaftierung der Zugang zu einem Rechtsbeistand verweigert, und in nahezu allen Fällen wurden die "Geständnisse" offenbar erzwungen.