Pressemitteilung Aktuell Bangladesch 08. August 2024

Bangladesch: Übergangsregierung muss Meinungsfreiheit wiederherstellen

In Bangladesch wird das Cybersicherheitsgesetz von 2023 (Cyber Security Act – CSA) auch im Rahmen der anhaltenden Proteste im Land eingesetzt. Ein neuer Bericht von Amnesty International zeigt, wie das Gesetz von den bangladeschischen Behörden dazu verwendet wird, den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft einzuschränken und Kritiker*innen zum Schweigen zu bringen. Die neue Übergangsregierung, die gebildet wurde, nachdem Premierministerin Sheikh Hasina am 5. August 2024 zurücktrat, muss dieses Vorgehen unbedingt beenden.

Amnesty International analysiert in einem neuen Bericht mit dem Titel "'Repackaging Repression': The Cyber Security Act and the Continuing Lawfare Against Dissent in Bangladesh" den CSA und zeigt, wie das Cybersicherheitsgesetz instrumentalisiert wird, um Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Kritiker*innen ins Visier zu nehmen.

Der Bericht zeigt, wie die Behörden die durch das Gesetz eingeräumten, weitreichenden Befugnisse dazu nutzen, um zivilgesellschaftliche Stimmen mit repressiven Maßnahmen zu unterdrücken. So kann die Polizei beispielsweise Menschen ohne Haftbefehl festnehmen und kontrollieren. Festgenommene Personen werden unverhältnismäßig häufig in Untersuchungshaft genommen und eine Freilassung gegen Kaution abgelehnt. Ebenfalls gang und gäbe ist die willkürliche Löschung von Online-Inhalten. Diese Praktiken kamen auch zuletzt stark zum Einsatz, um den Protest von Studierenden, der sich rund um das Thema Quotenregelung im öffentlichen Dienst im Juli entzündet hatte, zu unterdrücken.

Am 26. Juni 2024 beispielsweise nahm die Polizei im Vorfeld der Proteste einen Mann unter Anwendung des CSA fest, weil er in einem Facebook-Post das Quotensystem kritisiert hatte. In einem anderen Fall wurden am 24. Juli 2024 während der Proteste sieben Personen gemäß des Cybersicherheitsgesetzes angeklagt, weil sie in einem Facebook-Post Regierungsangehörige, darunter die mittlerweile zurückgetretene Premierministerin Sheikh Hasina, "mit Bildern parodiert und verspottet" haben sollen.

Christian Mihr, stellvertretender Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, sagt:

"Die Behörden missbrauchen seit Jahren gezielt Gesetze zum Schutz der digitalen Sicherheit, um gegen Menschen vorzugehen, die friedlich ihre Meinungen äußern. Auch im Kontext der jüngsten Proteste, während derer bangladeschische Sicherheitskräfte hunderte Menschen töteten, wurde das Cybersicherheitsgesetz angewendet, um die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit zu untergraben.

Amnesty International fordert die Übergangsregierung von Bangladesch auf, den CSA aufzuheben oder so abzuändern, dass er vollständig mit internationalen Menschenrechtsnormen in Einklang ist. All jene, die inhaftiert sind, nur weil sie friedlich ihre Menschenrechte ausgeübt haben, müssen freigelassen werden. Die Anklagen gegen sie müssen fallen gelassen werden.

Außerdem muss die Übergangsregierung ein Ende der Gewalt gegenüber Demonstrierenden sicherstellen und die Verantwortlichen für die Menschenrechtsverletzungen der letzten Wochen müssen in fairen Verfahren zur Rechenschaft gezogen werden. Die Übergangsregierung kann jetzt ein Zeichen der Solidarität und Gerechtigkeit setzen, indem sie sicherstellt, dass die Überlebenden dieser Menschenrechtsverletzungen eine vollständige Wiedergutmachung erhalten. An die Bundesregierung appellieren wir, gegenüber der bangladeschischen Übergangsregierung auf diese Punkte zu drängen."

Hintergrund

Der Amnesty-Bericht basiert auf Interviews mit ehemaligen Inhaftierten und ihren Verwandten und Rechtsbeiständen sowie Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen in Bangladesch.

Im September 2023 ersetzte der CSA den umstrittenen "Digital Security Act", DSA, der systematisch dazu instrumentalisiert wurde, friedlichen Dissens zu unterdrücken und kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Einige Bestimmungen aus dem DSA wurden im CSA direkt übernommen. Diese Straftatbestände kriminalisieren Ansichten, die von den Behörden als "Propaganda gegen den Geist des Befreiungskrieges", "falsche und anstößige Informationen", "Verletzung religiöser Gefühle", "verleumderische Informationen" oder "Beeinträchtigung von Recht und Ordnung" durch "Störung der gemeinschaftlichen Harmonie" eingestuft werden können.

Sheikh Hasina, die Premierministerin von Bangladesch, trat am 5. August 2024 inmitten der Massenproteste zurück. Nun ist eine Übergangsregierung gebildet worden. Sie soll von Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus angeführt werden.

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