Amnesty Journal Irland 26. Januar 2015

Hohe Hürden

In Irland sollte ein neues Gesetz das ­Abtreibungsverbot etwas lockern. Doch in der Praxis sind die Hürden so hoch, dass ein Schwangerschaftsabbruch nach wie vor kaum möglich ist.

Von Julia Nadenau

Mit dem im Juli 2013 verabschiedeten Gesetz zum "Schutz des Lebens während der Schwangerschaft" war zu hoffen, dass das katholisch geprägte Land einen ersten Schritt hin zur Lockerung seines strengen Abtreibungsverbots wagen würde. Zuvor waren Abtreibungen generell verboten. Nun dürfen sie zumindest dann vorgenommen werden, wenn durch die Geburt das Leben der werdenden Mutter in Gefahr ist.

Die Klausel wird aber eng ausgelegt: So stuft das Gesetz das Selbst­mord­risiko einer Frau, die nach einer Vergewaltigung schwanger wird und unter schweren Depressionen leidet, als "nicht akut lebensgefährlich" ein. Für diesen Fall ist vorgeschrieben, dass zwei Psychiater und ein Geburtshelfer attestieren müssen, dass eine Entbindung für die Frau lebensbedrohlich wäre. Erst dann ist ein Schwangerschaftsabbruch möglich – statt Suizidgefährdete zu unterstützen, belastet die Regelung sie zusätzlich.

Noch deutlicher werden die Unzulänglichkeiten des Gesetzes bei den Richtlinien zu seiner Umsetzung, an die sich die Ärzte halten müssen: "Zweck dieses Gesetzes ist es, das generelle Abtreibungsverbot in Irland zu bekräftigen", heißt es im Vorwort des über hundertseitigen Dokuments. Daher unterschrieben im vergangenen Jahr ein Drittel aller irischen Psychiater eine Erklärung, dass sie Abtreibung unter allen Umständen ablehnen. Hinzu kommt, dass der erste Psychiater, der eine Frau für das Gutachten untersucht, auch den zweiten Arzt wählt – und sie im Zweifelsfall an einen gleichgesinnten Kollegen weitervermittelt.

Außerdem darf jeder Arzt die Erstellung des Gutachtens im Voraus verweigern. Viele Betroffene suchen vergeblich einen Arzt nach dem anderen auf, bis die Schwangerschaft schließlich so weit fortgeschritten ist, dass es für einen Abbruch zu spät ist. So erging es einer jungen Immigrantin: Die Frau war nach einer Vergewaltigung in ihrem Heimatland schwanger geworden. Bei ihrer ersten Untersuchung in Irland befand sie sich in der neunten Schwangerschaftswoche und bat um eine Abtreibung. Einer der Ärzte stufte sie als nicht selbstmordgefährdet ein. Sie trat in einen Hungerstreik, weil sie lieber sterben als das Kind austragen wollte. Die Mühlen der Gesundheitsbürokratie nahmen so viel Zeit in Anspruch, dass ein Gericht sie im August 2014 schließlich zur Geburt des Kindes zwang, weil die Schwangerschaft bereits zu weit fortgeschritten sei.

Die UNO-Menschenrechtskommission hat diese Verschleppungstaktik in einem Bericht ausdrücklich kritisiert und als "zusätzliche mentale Folter" für Suizidgefährdete bezeichnet. Sie forderte die irische Regierung auf, das Gesetz unverzüglich zu revidieren und in Fällen von Vergewaltigung, Inzest, fötaler Missbildung sowie bei ernsthaften gesundheitlichen Risiken für die Mutter Ausnahmen vom Abtreibungsverbot zuzulassen. Darüber hinaus forderte die Kommission klare Richtlinien, ab wann eine Krankheit als "lebensbedrohlich" zu betrachten ist. Außerdem appellierte sie an die Regierung, mehr Informationen über medizinische Beratungsangebote und legale Abtreibungsmöglichkeiten im Ausland bereitzustellen. Amnesty rief die irische ­Regierung auf, die Empfehlungen der Kommission umzusetzen.

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