Amnesty Report Belgien 23. Mai 2018

Belgien 2017/18

Report Cover 17/18

Die Haftbedingungen in den belgischen Gefängnissen waren nach wie vor unzureichend, und Hunderte von Straftätern mit psychischen Erkrankungen und geistigen Behinderungen wurden weiterhin in dafür ungeeigneten Gefängnistrakten festgehalten. In einigen Bestimmungen zur beruflichen Schweigepflicht wurde für Sozialarbeiter die Vorschrift eingeführt, private Informationen über Personen, die terrorismusbezogener Straftaten verdächtigt wurden, weiterzugeben. Das Parlament verabschiedete eine Reihe von Einschränkungen des Asyl- und Migrationsrechts. Ein neues Gesetz über die Änderung des amtlichen Geschlechts und die damit einhergehende offizielle Anerkennung der gewünschten Geschlechtsidentität stärkte die Rechte transgeschlechtlicher Menschen.

Antiterrormaßnahmen und Sicherheit

Im Juli 2017 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das Opfern terroristischer Straftaten einen besonderen Status einräumte und Entschädigungen vorsah. Es enthielt jedoch keine Bestimmungen über eine umgehende Entschädigung für alle erlittenen Schäden. Um diese vom Staat zu bekommen, mussten die Betroffenen ein langwieriges und beschwerliches Verfahren durchlaufen. 

Im Mai verabschiedete das Parlament ein Gesetz, dem zufolge Mitarbeiter sozialer Einrichtungen Informationen über Personen, die der Beteiligung an einer terrorismusbezogenen Straftat verdächtigt werden, automatisch bzw. auf Anforderung an die Staatsanwaltschaft weiterleiten müssen. Um terrorismusbezogene Straftaten zu verhindern, wurde im Juni durch ein weiteres neues Gesetz die Weitergabe vertraulicher Informationen erlaubt, die bislang durch das Berufsgeheimnis geschützt waren. 

Im Oktober verlängerte das Parlament mit einer Verfassungsänderung die Höchstdauer der Untersuchungshaft von 24 auf 48 Stunden. Diese Bestimmung war ursprünglich nur für terrorismusbezogene Straftaten gedacht, konnte jetzt aber bei allen Delikten Anwendung finden. 

Die Behörden kamen ihrer Pflicht nicht nach, die Auswirkungen der Antiterrormaßnahmen auf die Menschenrechte wirksam zu überwachen.

Haftbedingungen

Die Gefängnisse waren baufällig und nach wie vor überbelegt, und es mangelte an grundlegenden Versorgungsleistungen. Hunderte von Straftätern mit psychischen Erkrankungen oder geistigen Behinderungen saßen auch 2017 weiter in normalen Haftanstalten ein, wo sie nur unzureichend ärztlich versorgt und behandelt wurden.

Im Mai 2017 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fest, dass die Haftbedingungen zweier in verschiedenen Gefängnissen einsitzender Häftlinge unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gleichkamen.

Im Juli äußerte sich der Europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter besorgt über die Folgen wiederholter Streiks des Gefängnispersonals in den vergangenen Jahren, die zur weiteren Verschlechterung der ohnehin schon unzureichenden Haftbedingungen beitrugen. 

Im September befand der EGMR, dass Belgien im Fall von Michael Tekin, einem Straftäter mit psychischen Problemen, der am 8. August 2009 im normalen Trakt des Gefängnisses von Jamioulx gestorben war, dessen Recht auf Leben verletzt habe. Das Gericht stellte fest, dass die von drei Gefängniswärtern eingesetzten bewegungseinschränkenden Maßnahmen unnötig und unangemessen gewesen waren.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Die belgischen Behörden nahmen die Überstellung von Asylsuchenden nach Griechenland gemäß der Dublin-III-Verordnung wieder auf. Diese EU-Rechtsvorschrift legt fest, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist. 

Im November 2017 wurden in Belgien neue gesetzliche Bestimmungen erlassen, die die Möglichkeit zur Inhaftierung von Asylsuchenden ausweiteten und das Recht auf Anfechtung negativer Asylbescheide einschränkten. 

Im September lud die Regierung eine Delegation sudanesischer Regierungsangehöriger nach Belgien ein, um Dutzende von sudanesischen Staatsbürgern zu identifizieren, die ohne Papiere nach Belgien eingereist waren und in den Sudan zurückgeschickt werden sollten. Es wurden mehrere Gerichtsverfahren angestrengt, um diese Rückführungen auf der Grundlage des Non-Refoulement-Prinzips (Grundsatz der Nichtzurückweisung in ein Land, in dem den Betroffenen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen) anzufechten. Berichten zufolge wurden zehn sudanesische Staatsangehörige in den Sudan abgeschoben. Im Dezember wurde bekannt, dass einige dieser Personen angegeben hatten, bei ihrer Ankunft im Sudan von Regierungsbediensteten inhaftiert, verhört und misshandelt bzw. gefoltert worden zu sein. Die belgische Regierung kündigte eine Untersuchung dieser Fälle an.

Diskriminierung

Am 14. März 2017 erlitt das Recht muslimischer Frauen auf Nichtdiskriminierung einen Rückschlag, als der Gerichtshof der Europäischen Union urteilte, dass die Entlassung einer Muslima wegen des Tragens eines Kopftuchs am Arbeitsplatz keinen Verstoß gegen das europäische Antidiskriminierungsrecht dargestellt habe.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen

Am 24. Mai 2017 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das es transgeschlechtlichen Menschen erlaubt, ihr amtliches Geschlecht auch ohne Sterilisierung und vorherige psychiatrische Untersuchung ändern und damit ihre gewünschte Geschlechtsidentität anerkennen zu lassen.

Waffenhandel

Die wallonische Regionalregierung erteilte auch 2017 Genehmigungen für Waffenlieferungen an die beteiligten Staaten des von Saudi-Arabien geführten Militärbündnisses im Jemen. Im Juni brachte das flämische Regionalparlament die einschlägigen Rechtsvorschriften u. a. durch Änderung der rechtlichen Definition des Begriffs "Transit" besser mit dem Waffenhandelsabkommen in Einklang. Allerdings befasste sich das Parlament nicht mit dem Problem des Endverbleibs von Bauteilen, die zur Herstellung von Waffen verwendet werden könnten.

Weitere Artikel