Amnesty Report Korea (Nord) 07. Mai 2015

Korea (Nord) 2015

 

Die Vereinten Nationen veröffentlichten einen umfangreichen Bericht über die Lage der Menschenrechte in der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nordkorea), der ausführliche Angaben über die systematische Verletzung fast aller Menschenrechte enthielt. Hunderttausende Menschen wurden weiterhin in Straflagern und anderen Haftanstalten gefangen gehalten – viele von ihnen, ohne dass sie wegen einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt oder verurteilt worden waren.

Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Religionsfreiheit und Freizügigkeit waren sowohl für Nordkoreaner als auch für in Nordkorea weilende ausländische Straatsangehörige weiterhin drastisch eingeschränkt. Das Schicksal "verschwundener" Personen blieb weiterhin unbekannt, obwohl die Regierung eingeräumt hatte, dass staatliche Akteure in die Entführung einiger Personen verwickelt waren.

Hintergrund

Das dritte Amtsjahr von Kim Jong-un als Staatsoberhaupt begann mit dem Verfahren gegen Chang Song-thaek und dessen Hinrichtung im Dezember 2013. Chang Song-thaek war der stellvertretende Vorsitzende der Nationalen Verteidigungskommission und Onkel von Kim Jong-un. Zwar wurde anfänglich vermutet, dass dies der Auftakt zu einer Serie politischer Säuberungsaktionen sein könnte, um die Macht von Kim Jong-un weiter zu konsolidieren, doch gab es während des Jahres 2014 keine dokumentierten Fälle von Hinrichtungen politischer Gegner aus dem Umfeld Changs.

Der private Wirtschaftssektor, der zwar offiziell nicht genehmigt war, den die Regierung jedoch tolerierte, wurde weiter ausgebaut. Dazu gehörten Lebensmittel- und Bekleidungsläden in Privateigentum. Beobachter dieser Entwicklung äußerten die Befürchtung, dass die wirtschaftliche Öffnung zur Ausweitung der Einkommensunterschiede führen könnte. Eine Verbesserung der allgemeinen Menschenrechtslage ging mit dieser wirtschaftlichen Entwicklung nicht einher. Die Regierung war bestrebt, Devisen ins Land zu holen, u.a. durch Tourismus.

Trotz solcher Bemühungen zeigte sich der Staat aber weiterhin äußerst empfindlich gegenüber Handlungsweisen ausländischer Besucher, die als Verbreitung politischer oder religiöser Ideen angesehen wurden, die im Gegensatz zu dem vom Staat propagierten Gedankengut standen. Die Informationsfreiheit war eingeschränkt, und das Internet war öffentlich nicht zugänglich. Stattdessen war ein nationales "Intranet" eingerichtet worden.

Im Mai 2014 zeigte sich die Regierung ungewohnt offen, als staatliche Medien zeitnah über den Einsturz eines Wohnhauses in der Hauptstadt Pjöngjang berichteten, bei dem mehr als 300 Menschen getötet wurden. Ausländische Medien in Pjöngjang berichteten, dass Einwohner ihren Unmut über den Vorfall kundgetan hätten. Die Führung des Landes entschuldigte sich bei den Bürgern für Konstruktionsfehler beim Bau des Hauses.

Internationale Kontrolle

Die von den Vereinten Nationen eingesetzte Kommission zur Untersuchung der Menschenrechte in der Demokratischen Volksrepublik Korea (Commission of Inquiry on Human Rights in the Democratic People’s Republic of Korea) veröffentlichte im Februar 2014 ihren Bericht. Das 372 Seiten umfassende Dokument gibt eine umfassende Übersicht über "systematische, weit verbreitete und schwere Menschenrechtsverletzungen" und kommt zu dem Schluss, dass viele dieser Taten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzustufen sind.

Der Bericht wurde im März dem UN-Menschenrechtsrat vorgelegt, der das Dokument begrüßte und eine in ungewöhnlich scharfen Worten formulierte Resolution gegen Nordkorea beschloss, die von der Mehrheit der Mitglieder des Menschenrechtsrats unterstützt wurde.

Die Demokratische Volksrepublik Korea stellte sich im Mai zum zweiten Mal der Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung (Universal Periodic Review – UPR) durch den UN-Menschenrechtsrat. Die Regierung zeigte sich dabei kooperationsbereiter als bei ihrer ersten UPR im Jahr 2010 und äußerte sich zu der Frage, welche der ausgesprochenen Empfehlungen sie unterstütze. Dazu zählten auch Empfehlungen bezüglich einer wirksamen Versorgung mit humanitärer Hilfe.

Die Regierung lehnte jedoch mehr als die Hälfte der Empfehlungen ab, insbesondere diejenigen, die sich auf die Zusammenarbeit mit der Kommission zur Untersuchung der Menschenrechte und mit dem UN-Sonderberichterstatter über die Menschenrechtslage in der Demokratischen Volksrepublik Korea bezogen. Nordkorea wies auch entschieden die Empfehlungen zurück, seine Lager für politische Häftlinge zu schließen und ausländischen Opfern des Verschwindenlassens die freie Rückkehr in ihre Herkunftsländer zu gestatten.

Im Dezember verabschiedete die UN-Generalversammlung eine energische Resolution, in der sie empfahl, dass sich der Internationale Strafgerichtshof mit der Menschenrechtslage in der Demokratischen Volksrepublik Korea befassen solle.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Hunderttausende Menschen wurden weiterhin in politischen Straflagern und anderen Hafteinrichtungen festgehalten. Dort waren sie regelmäßig systematischen und schweren Verletzungen ihrer Menschenrechte ausgesetzt. Dazu zählten außergerichtliche Hinrichtungen, Folter und andere Misshandlungen wie beispielsweise Schläge, lange und anstrengende Zwangsarbeit ohne Ruhepausen sowie Nahrungsentzug.

Viele der Insassen politischer Straflager waren nicht wegen international als Straftat anerkannten Handlungen verurteilt worden, sondern lediglich deshalb, weil sie mit Personen verwandt waren, die die Behörden als gefährlich einstuften. Sie wurden ohne faires Verfahren in Sippenhaft genommen.

Die Regierung leugnete weiterhin die Existenz politischer Straflager, obwohl Satellitenbilder nicht nur deren Existenz, sondern Ende des Jahres 2013 auch die Erweiterung einiger dieser Lager nachwiesen.

Neben Nordkoreanern wurden auch ausländische Staatsangehörige Opfer willkürlicher Inhaftierung nach unfairen Verhandlungen. Im Jahr 2013 bzw. 2014 wurden die beiden US-amerikanischen Staatsbürger Kenneth Bae und Matthew Todd Miller wegen "feindseliger Handlungen" gegen das Regime schuldig gesprochen.

Zum Zeitpunkt ihrer Freilassung im November 2014 hatten sie bereits einen Teil ihrer Strafen von 15 bzw. sechs Jahren Zwangsarbeit verbüßt. In einem Interview, das Kenneth Bae im August 2014 ausländischen Medien gab, sprach er über seine unfaire Verhandlung sowie seinen Gesundheitszustand, der sich während der Arbeit im Lager verschlechtert habe.

Religionsfreiheit

Die Ausübung jedweder Religion war weiterhin stark eingeschränkt. Berichten zufolge wurden sowohl Nordkoreaner als auch ausländische Staatsangehörige wegen der Ausübung ihrer Religionsfreiheit hart bestraft, u.a. mit Straflager. Der australische Missionar John Short wurde wegen Verbreitung seines religiösen Glaubens inhaftiert.

Erst nach einer öffentlichen Entschuldigung wurde er im März 2014 ausgewiesen. Kim Jung-wook, ein Missionar aus Südkorea, wurde ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand mehr als sechs Monate lang festgehalten und danach wegen der Gründung einer Untergrundkirche und Spionage zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt.

Jeffrey Fowle, ein Tourist aus den USA, wurde im Mai 2014 festgenommen, weil er in einem Nachtclub in Ch’ŏngjin eine Bibel zurückgelassen haben soll. Er musste mehr als fünf Monate ohne Verfahren hinter Gittern zubringen, bevor er im Oktober freikam und das Land verlassen konnte.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Behörden schränkten die Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung weiterhin drastisch ein. Allem Anschein nach gab es keine unabhängigen zivilgesellschaftlichen Organisationen, Zeitungen oder politischen Parteien. Nordkoreaner konnten auf den Besitz ausländischer Medienerzeugnisse hin durchsucht und hart bestraft werden, wenn sie derartiges Material anhörten, ansahen oder lasen.

Recht auf Freizügigkeit

Die Grenzen wurden weiterhin strikt überwacht. Die Anzahl der in Südkorea eingetroffenen Flüchtlinge aus Nordkorea war in den Jahren 2012 und 2013 im Vergleich zu den Vorjahren niedrig.

Medienberichten aus Südkorea zufolge war der Grenzübertritt durch verbesserte Überwachungstechnologie erschwert worden. Dazu gehörte der Einsatz von Störgeräten, um die Bürger davon abzuhalten, in Grenznähe chinesische Mobiltelefone zu benutzen. Der Gebrauch von Mobiltelefonen war für nordkoreanische Bürger weiterhin nur innerhalb eines geschlossenen lokalen Netzwerks innerhalb Nordkoreas möglich.

Etwa 29 Personen, unter ihnen ein einjähriges Baby, wurden Anfang August 2014 nach Nordkorea zurückgeführt, nachdem sie in China festgenommen worden waren. Es ist zwar nicht bekannt, ob diese Personen wegen illegalen Grenzübertritts angeklagt worden sind, im Fall einer Anklage würden ihnen jedoch Gefängnis, Folter und andere Misshandlungen, u.a. Zwangsarbeit, drohen.

Verschwindenlassen

Die UN-Arbeitsgruppe zur Frage des Verschwindenlassens von Personen ersuchte die Demokratische Volksrepublik Korea im August 2014 um Informationen zur Aufklärung des Schicksals von 47 Personen, von denen bekannt ist, dass sie von nordkoreanischen Sicherheitsagenten auf ausländischem Boden entführt wurden und danach "verschwanden". Bei den 47 Personen handelte es sich hauptsächlich um südkoreanische Staatsbürger.

Die Regierungen Nordkoreas und Japans nahmen im Mai 2014 Gespräche zur Aufklärung von Entführungen auf. Nordkorea bildete ein Sonderkomitee, das erneut Fälle von Japanern untersuchen soll, die während der 1970er und 1980er Jahre entführt wurden.

Japan akzeptierte den ersten Bericht über die wieder aufgenommenen Ermittlungen jedoch nicht, da darin keine neuen Informationen über den Fall von zwölf japanischen Staatsbürgern enthalten waren, die nach offiziellem Eingeständnis von Nordkorea von nordkoreanischen Sicherheitsagenten aus Japan verschleppt worden waren.

Recht auf Nahrung

Das Welternährungsprogramm berichtete im September, dass die Situation der Nahrungsmittelversorgung in Nordkorea "sehr ernst" sei. Es hatte zwar in den vergangenen beiden Jahren bessere Ernten gegeben, doch wurden wegen einer Trockenperiode im Jahr 2014 die täglichen Nahrungsmittelrationen im August von 410 auf nur 250 Gramm pro Person reduziert.

Diese Maßnahme wurde als Anzeichen einer unmittelbar bevorstehenden Nahrungsmittelknappheit gewertet. Die letzten verfügbaren Statistiken zeigen, dass die Rate chronischer Unterernährung im Jahr 2013 weiterhin relativ hoch war und in der Altersgruppe der unter Fünfjährigen eines von vier Kindern davon betroffen war.

Nordkorea erhielt zwar humanitäre Hilfe vom Welternährungsprogramm und anderen Hilfsorganisationen, erlaubte diesen jedoch nicht, einigen der am meisten auf solche Hilfe angewiesenen Gemeinschaften beizustehen. Es gab weiterhin Einschränkungen für Personen, die versuchten, die Lieferung der Nahrungsmittelhilfe an die Zielgruppen zu überwachen.

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