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Indonesien 2015
Gegen die Sicherheitskräfte wurden regelmäßig Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen erhoben. Dazu gehörten Folter und andere Misshandlungen. Politische Aktivisten aus der Region Papua und der Provinz Maluku wurden weiterhin wegen ihrer gewaltlos bekundeten politischen Meinung festgenommen und inhaftiert. Es befanden sich mindestens 60 gewaltlose politische Gefangene in Haft. Religiöse Minderheiten wurden weiterhin eingeschüchtert und angegriffen.
Ein im September 2014 in der Provinz Aceh verabschiedetes neues Islamisches Strafgesetzbuch erweiterte die Anzahl der Vergehen, die mit Stockschlägen geahndet werden können. Es gab kaum Fortschritte bei der Gewährleistung von Wahrheitsfindung, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen, die in früheren Jahren verübt worden waren. Hinrichtungen fanden Berichten zufolge nicht statt.
Hintergrund
Im Oktober 2014 fand die Amtseinführung des neuen Präsidenten Joko Widodo statt. Während seines Wahlkampfs hatte er versprochen, gegen zurückliegende schwere Menschenrechtsverletzungen vorzugehen, die Religionsfreiheit zu schützen, die Polizei zu reformieren und den Zugang zur Region Papua zu öffnen. Am 30. April und 1. Mai 2014 begutachtete der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte den ersten Staatenbericht Indonesiens. Im Juni überprüfte der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes den dritten und vierten regelmäßigen Bericht des Landes.
Polizei und Sicherheitskräfte
Es gab weiterhin Berichte über von Polizei- und von Militärangehörigen verübte schwere Menschenrechtsverletzungen wie rechtswidrige Tötungen, unnötige und unverhältnismäßige Gewaltanwendung, Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe sowie Verschwindenlassen.
Im Februar 2014 stürmten Polizei- und Armeeangehörige eine Versammlung im Dorf Sasawa im Regierungsbezirk Yapen in der Provinz Papua, die von der sogenannten Nationalen Befreiungsarmee (Tentara Pembebasan Nasional), der bewaffneten Unabhängigkeitsbewegung für Papua, organisiert worden war. Dabei wurden sieben Männer festgenommen, die später in Gewahrsam und während der Verhöre gefoltert oder anderweitig misshandelt wurden. Sicherheitskräfte fesselten die Männer an den Händen und traktierten sie mit Schlägen und Fußtritten.
Die Männer mussten durch das Dorf kriechen, während sie weitere Schläge erhielten. Mindestens zwei Männer gaben an, Polizisten hätten ihnen Elektroschocks verabreicht. Ihre Anwälte erklärten, dass keiner der Männer irgendetwas mit dem bewaffneten Unabhängigkeitskampf zu tun habe. Die Festgenommenen wurden der Rebellion für schuldig befunden und im November vom Bezirksgericht Sorong zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Ende 2014 war noch keine unabhängige Untersuchung des Vorfalls in die Wege geleitet worden.
Im März wurden acht Männer der indigenen Gemeinschaft der Suku Anak Dalam aus dem Dorf Bungku im Regierungsbezirk Batanghari in der Provinz Jambi gefoltert oder anderweitig misshandelt, nachdem sie gegen die Aktivitäten einer Palmölfirma in der Nähe ihres Dorfs protestiert hatten. Puji Hartono wurden die Hände auf dem Rücken mit einem Seil zusammengebunden, und er wurde von Militärangehörigen und Wachpersonal der Firma geschlagen; er erlag den ihm zugefügten Verletzungen.
Titus Simanjuntak wurde von Angehörigen des Militärs entkleidet, geschlagen und gezwungen, sein von den Misshandlungen herrührendes Blut auf dem Boden aufzulecken, während sie auf ihn eintraten. Polizeibeamte schauten während der Übergriffe zu. Im August klagte das Militärgericht von Palembang sechs Angehörige des Militärs wegen dieser Misshandlungen an und verurteilte sie zu dreimonatigen Freiheitsstrafen. Ende 2014 war dem Vernehmen nach noch niemand für die Tötung von von Puji Hartono zur Verantwortung gezogen worden.
Im Oktober wurden sechs Angehörige des Militärs von einem Militärgericht in Medan wegen der Entführung und Misshandlung von Dedek Khairudin schuldig gesprochen und zu Gefängnisstrafen zwischen 14 und 17 Monaten verurteilt. Dedek Khairudin "verschwand" im November 2013, nachdem er von einem Angehörigen des militärischen Geheimdienstes aus dem Armeelager der militärischen Kommandoeinheit Korem 011/LW und mindestens acht Marinesoldaten aus der Region Pangkalan Brandan in der Provinz Nordsumatra festgenommen worden war. Ende 2014 war sein Verbleib noch immer unbekannt.
Im Dezember 2014 wurden mindestens vier Männer getötet und mehr als ein Dutzend verletzt, als Sicherheitskräfte und Soldaten Berichten zufolge in eine Menschenmenge schossen, die auf dem Karel-Gobai-Feld nahe der Militärkommandantur des Regierungsbezirks Paniai in der Provinz Papua demonstrierten. Der Protest richtete sich gegen Soldaten der Spezialeinheit 753, die Berichten zufolge ein Kind aus der Ortschaft Ipakije geschlagen hatten. Ende 2014 war noch niemand für diesen Vorfall zur Verantwortung gezogen worden.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Insbesondere in Gebieten wie Papua und Maluku, in denen seit längerem Unabhängigkeitsbewegungen aktiv sind, wurden weiterhin Fälle von Festnahmen und Inhaftierungen gewaltlos agierender politischer Aktivisten dokumentiert.
Am 25. April 2014 wurden zehn Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung aus der Provinz Maluku von der Polizei festgenommen, weil sie eine Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung der Republik Maluku Selatan geplant und die Benang-Raja-Fahnen – ein verbotenes Symbol der Unabhängigkeitsbewegung – getragen hatten. Neun von ihnen wurden gemäß Paragraph 106 und 110 des Strafgesetzbuchs (Verbrechen gegen die staatliche Sicherheit) der "Rebellion" angeklagt. Ihr Verfahren begann im September und war Ende 2014 noch nicht abgeschlossen.
Eine Journalistin und ein Journalist aus Frankreich wurden am 6. August in Wamena in der Provinz Papua festgenommen. Sie hatten dort an einem Dokumentarfilm über die separatistische Bewegung in der Region Papua gearbeitet. Im Oktober wurden sie vom Bezirksgericht Jayapura wegen Verletzung der Einwanderungsbestimmungen angeklagt und zu viermonatiger Haft verurteilt. Areki Wanimbo, der Vorsitzende des Lani-Besar-Rats der Indigenen (Dewan Adat), mit dem die beiden Journalisten Kontakt gehabt hatten, wurde am selben Tag von der Polizei festgenommen und beschuldigt, separatistische Aktivitäten unterstützt zu haben. Er wurde später wegen "Rebellion" angeklagt und war Ende 2014 noch in Untersuchungshaft.
Mindestens neun Personen befanden sich nach wie vor auf der Grundlage der Blasphemiegesetze in Polizeigewahrsam oder im Gefängnis. Ihre einzigen "Straftaten" waren ihre religiösen Überzeugungen bzw. ihre Glaubensbekenntnisse oder die rechtmäßige Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung.
Im Juni 2014 wurde Abraham Sujoko vom Bezirksgericht Dompu in der Provinz West Nusa Tenggara auf der Grundlage von Paragraph 27 (3) des Informations- und Kommunikationsgesetzes der "Diffamierung der Religion" für schuldig befunden. Er wurde zu zwei Jahren Haft und einer Geldstrafe von 3500000 Rupien (etwa 220 Euro) verurteilt. Abraham Sujoko hatte auf YouTube ein Video eingestellt, in dem er erklärte, dass die Kaaba, das muslimische Heiligtum in Mekka, "nichts weiter als ein Idol aus Stein" sei. Er forderte Muslime auf, ihr Gesicht beim Gebet nicht mehr in die Richtung der Kaaba zu wenden.
Religionsfreiheit
Religiöse Minderheiten wurden weiterhin schikaniert, eingeschüchtert und angegriffen. Diskriminierende nationale und lokale Gesetze und Verordnungen leisteten dem Vorschub.
Im Mai 2014 ordnete die Stadtverwaltung von Bekasi per Dekret die Schließung der Al-Misbah-Moschee der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft in Bekasi in der Provinz West-Java an. Sie berief sich dabei auf eine im Jahr 2008 erlassene Gemeinsame Ministerialverordnung, die es der Gemeinschaft der Ahmadiyya untersagte, weiterhin für ihre Aktivitäten zu werben und ihre religiösen Lehren zu verbreiten. Die lokale Polizeibehörde von Bekasi schloss und versiegelte daraufhin die Moschee.
Am 26. Juni schloss die Lokalregierung im Regierungsbezirk Ciamis in der Provinz West-Java die Nur-Khilafat-Moschee der Gemeinschaft der Ahmadiyya mit der Begründung, dass dies nötig sei, um die "religiöse Harmonie aufrechtzuerhalten" und dafür zu sorgen, dass eine "abweichende Interpretation der islamischen Lehren" nicht weiterverbreitet werde. Mehrere Tage zuvor hatten Hunderte Gefolgsleute islamistischer Gruppen vor dem Büro des Chefs der Bezirksverwaltung demonstriert und die Schließung der Moschee gefordert. Im Oktober schloss die Lokalregierung im Regierungsbezirk Depok in West-Java die Al-Hidayah-Moschee der Gemeinschaft der Ahmadiyya, um "soziale Disharmonie" zu verhindern.
Ende 2014 lebte eine aus Sampang in Ost-Java vertriebene Gruppe von Schiiten noch immer in Behelfsunterkünften in Sidoarjo, weil ihnen die Rückkehr in ihren Herkunftsort verweigert wurde. Die Gruppe war im Jahr 2012 von einem antischiitischen Mob angegriffen und vertrieben worden. Einer auf der Insel Lombok in der Provinz West Nusa Tenggara lebenden Gruppe der Gemeinschaft der Ahmadiyya, die im Jahr 2006 von einer aufgebrachten Menschenmenge aus ihrer Heimat vertrieben worden war, wurden keine Rechtsmittel gewährt.
Im März 2014 zeigte sich die UN-Sonderberichterstatterin über angemessenes Wohnen besorgt über die "erzwungene Umsiedlungen religiöser Minderheiten, insbesondere Angehöriger der Glaubensgemeinschaften der Schiiten und Ahmadiyya, zu denen aufgebrachte Menschenmengen anstifteten, die aus religiösen Hassmotiven heraus handelten". Im Mai äußerte der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Besorgnis über die Situation verschiedener Gruppen, die unter "mehrfacher Diskriminierung" litten, darunter auch vertriebene religiöse Gemeinschaften.
Im November erklärten sowohl der neuernannte Minister für religiöse Angelegenheiten als auch der Innenminister, dass die Regierung den Schutz von Minderheitenrechten zu einer ihrer politischen Prioritäten machen werde.
Straflosigkeit
Die Opfer von in der Vergangenheit verübten Menschenrechtsverletzungen und -verstößen forderten weiterhin Gerechtigkeit, Wahrheit und Wiedergutmachung für die Völkerrechtsverbrechen, die während der Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Haji Mohamed Suharto (1967–98) und während der darauffolgenden Reformperiode (reformasi) verübt worden waren. Dazu gehörten rechtswidrige Tötungen, Vergewaltigung und andere Sexualverbrechen, Verschwindenlassen sowie Folter und andere Misshandlungen. In Bezug auf die zahlreichen Fälle mutmaßlicher schwerer Menschenrechtsverletzungen, die die Nationale Menschenrechtskommission (Komnas HAM) nach einer Voruntersuchung ("Pro Justitia") der Generalstaatsanwaltschaft vorgelegt hatte, wurden keine Fortschritte vermeldet.
Im Jahr 2009 hatte das Parlament eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen, die jedoch vom ehemaligen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono (2004–14) nicht umgesetzt wurden. So war empfohlen worden, die Verantwortlichen für das Verschwindenlassen von 13 Demokratie-Aktivisten in den Jahren 1997 und 1998 vor Gericht zu stellen, sofort eine Suchaktion nach "verschwundenen" Aktivisten einzuleiten und für die Rehabilitierung und Entschädigung ihrer Familien zu sorgen.
Bis Ende 2014 hatte die Komnas HAM erst zwei der insgesamt fünf vorgesehenen Pro-Justitia-Untersuchungen von schweren Menschenrechtsverletzungen während des Aceh-Konflikts (1989–2005) durchgeführt. Dazu gehörte der Simpang-KKA-Vorfall, der sich im Jahr 1999 in Nord-Aceh zugetragen hatte und bei dem Soldaten 21 Protestierende erschossen hatten, sowie der Jamboe-Keupok-Fall in Süd-Aceh, bei dem im Mai 2003 vier Personen erschossen und zwölf bei lebendigem Leib von Soldaten verbrannt worden waren.
Ein im Dezember 2013 verabschiedetes Gesetz über Wahrheit und Versöhnung in Aceh (qanun) wurde nicht umgesetzt. Es lagen auch keine Berichte über Fortschritte beim Entwurf eines neuen Gesetzes über eine Nationale Wahrheits- und Versöhnungskommission vor.
Mehr als zehn Jahre nach der Ermordung des bekannten Menschenrechtsverteidigers Munir Said Thalib war es den Behörden noch immer nicht gelungen, alle Täter vor Gericht zu stellen.
Die Regierung setzte die Empfehlungen nicht um, die von der von Indonesien und Timor-Leste gemeinsam eingerichteten bilateralen Kommission für Wahrheit und Freundschaft gemacht worden waren. Das Gremium hatte u.a. empfohlen, eine Kommission für "verschwundene" Personen einzusetzen, die die Aufgabe haben sollte, den Verbleib aller Kinder aus Timor-Leste zu ermitteln, die während des im Jahr 1999 durchgeführten Unabhängigkeitsreferendums von ihren Eltern getrennt worden waren.
Grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Strafe
Im Jahr 2014 wurden in Aceh mindestens 76 Personen wegen Vergehen gegen Vorschriften der Scharia mit Stockschlägen bestraft. Dazu gehörten Glücksspiel, Alkoholkonsum und Ehebruch. Im September verabschiedete das Parlament von Aceh ein neues Gesetz, das Islamische Strafgesetzbuch für die Provinz Aceh, das die Prügelstrafe auf weitere "Verbrechen" ausweitete, darunter gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen und Austausch von Intimitäten zwischen unverheirateten Paaren.
Es wurde befürchtet, dass die in diesem Gesetz enthaltenen Definitionen von Vergewaltigung und sexueller Misshandlung und die entsprechenden Anforderungen an Beweisaufnahmeverfahren den internationalen Standards nicht entsprechen. Das Islamische Strafgesetzbuch für die Provinz Aceh war grundsätzlich nur auf die in dieser Provinz lebenden Muslime anwendbar, jedoch konnten auch Nichtmuslime nach den Vorschriften dieses Gesetzes bestraft werden, wenn es um Vergehen ging, die im geltenden Indonesischen Strafgesetzbuch nicht geregelt sind.
Frauenrechte
Ende 2014 hatte das Parlament ein Gesetz über Hausangestellte noch immer nicht verabschiedet, so dass Millionen von Hausangestellten, in der Mehrzahl Frauen und Mädchen, weiterhin wirtschaftlicher Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen ausgeliefert waren.
Sexuelle und reproduktive Rechte
Im Februar 2014 gab das Gesundheitsministerium eine neue Verordnung heraus, mit der eine Verordnung aus dem Jahr 2010 zurückgezogen wurde, die bestimmte medizinische Fachkräfte wie Ärzte, Hebammen und Krankenschwestern autorisiert hatte, "weibliche Genitalbeschneidungen" vorzunehmen. Bis zum Ende des Jahres hatte die Regierung noch keine spezifischen Gesetzesvorschriften zum Verbot der weiblichen Genitalverstümmelung erlassen.
Im Juli wurde die Regierungsverordnung Nr. 61/2014 über reproduktive Gesundheit erlassen, die Bestimmungen zur Umsetzung des im Jahr 2009 verabschiedeten Gesundheitsgesetzes enthält. Die Verordnung reduzierte den Zeitraum, der Vergewaltigungsopfern zur Vornahme eines legalen Schwangerschaftsabbruchs eingeräumt wird, auf 40 Tage. Es wurde befürchtet, dass viele vergewaltigte Frauen durch die Verkürzung des Zeitrahmens nicht mehr die Möglichkeit zur Inanspruchnahme eines medizinisch sicheren Schwangerschaftsabbruchs haben könnten.
Todesstrafe
Es lagen keine Berichte über Hinrichtungen vor. 2014 wurde jedoch in mindestens zwei Fällen die Todesstrafe verhängt, und gegen mindestens 140 Menschen waren Todesurteile anhängig.