DEINE SPENDE KANN LEBEN RETTEN!
Mit Amnesty kannst du dort helfen, wo es am dringendsten nötig ist.
DEINE SPENDE WIRKT!
STEP UP FOR HUMAN RIGHTS
Haltung zeigen beginnt bei den Füßen - sicher dir deine gratis Socken gegen Hetze!
SPENDE JETZT UND SCHÜTZE MENSCHENRECHTE!
Nepal 2023

© Amnesty International
Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023
Sicherheitskräfte setzten auch 2023 unnötige und exzessive Gewalt ein, um Demonstrierende auseinanderzutreiben und festzunehmen. Dabei kamen vier Menschen ums Leben. Die Behörden verboten das Videoportal Tiktok und griffen zum Mittel der Festnahme, um die Meinungsfreiheit einzuschränken. Die Regierung sorgte nicht dafür, dass die Opfer des Konflikts der Jahre 1996 bis 2006 Zugang zu ihrem Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung erhielten. Es gab Berichte über Folter und andere Misshandlungen durch Sicherheitskräfte. Todesfälle in Gewahrsam wurden von den Behörden nicht glaubwürdig und unabhängig untersucht. Geschlechtsspezifische Diskriminierung bestand auch 2023 im Gesetz und in der Praxis fort. Erstmals wurde die Eheschließung eines gleichgeschlechtlichen Paares amtlich anerkannt. Arbeitsmigrant*innen waren ausbeuterischen und rechtswidrigen Rekrutierungsmethoden ausgesetzt.
Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit
Sicherheitskräfte nahmen auch 2023 Aktivist*innen und Personen, die Kritik an der Regierung und Mitgliedern der Regierungspartei übten, fest. Zudem setzten sie häufig rechtswidrige Gewalt gegen Protestierende ein.
Im Februar 2023 wurden fünf Demonstrantinnen, die Gerechtigkeit in Fällen sexualisierter Gewalt forderten, von der Polizei festgenommen. Im März starb Padam Limbu, nachdem er bei einer Demonstration indigener Gemeinschaften im Distrikt Morang von der Polizei mit einem Schlagstock traktiert worden war. Die Regierung erklärte ihn später zum "Märtyrer" und sicherte seiner Familie Unterstützung zu.
Die Behörden gingen weiterhin hart gegen Proteste der Opfer von Kredithaien vor, die bei Demonstrationen in der Hauptstadt Kathmandu Gerechtigkeit für die gegen sie verübten Finanzdelikte forderten. Bei den Demonstrierenden handelte es sich zumeist um Bäuer*innen aus wirtschaftlich schwachen Verhältnissen. Im April 2023 ging die Polizei mit Schlagstöcken und Wasserwerfern gegen eine Demonstration vor. Dabei wurden wenigstens 40 Protestierende verletzt und mindestens 20 Personen festgenommen. Der Innenminister entschuldigte sich einige Tage darauf für die exzessive Gewaltanwendung durch die Polizei.
Im Mai 2023 wurden im Distrikt Kanchanpur eine Journalistin und ein Journalist festgenommen und misshandelt, die über Zusammenstöße von Arbeiter*innen mit der Polizei berichtet hatten. Nachdem die nepalesische Journalist*innenvereinigung die Festnahmen verurteilt hatte, sicherte der Polizeichef des Distrikts die Bestrafung der verantwortlichen Sicherheitskräfte zu.
Im Juni 2023 nahm die Polizei in Kathmandu mindestens 16 Aktivist*innen fest, die gegen Korruption protestierten. Der Protest bezog sich auf Vorwürfe, wonach Regierungsbedienstete Hunderten nepalesischen Staatsangehörigen zugesagt hatten, gegen eine Geldzahlung den Flüchtlingsstatus in Bhutan zu erhalten und in einkommensstarke Staaten umgesiedelt zu werden.
Im August 2023 ging die Polizei mit unnötiger Gewalt gegen Protestierende aus indigenen Gemeinschaften vor und nahm viele von ihnen fest. Der Premierminister kündigte an, dass die Verantwortlichen bestraft würden, bis Ende 2023 waren jedoch noch keine Anklagen erhoben worden.
Im November 2023 verbot die Regierung das Videoportal Tiktok, um "die gesellschaftliche Harmonie und den Familienzusammenhalt zu schützen".
Im Dezember wurde im Distrikt Bara ein Protestierender erschossen. Im selben Monat starben zwei Demonstranten im Distrikt Lalitpur an den Folgen exzessiver Gewaltanwendung durch die Polizei.
Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung
Auch 2023 waren keine nennenswerten Fortschritte hinsichtlich der Bemühungen der nepalesischen Regierung zu verzeichnen, den Zehntausenden Personen, die während des bewaffneten Konflikts 1996–2006 Opfer völkerrechtlicher Verbrechen und anderer schwerer Menschenrechtsverstöße durch Sicherheitskräfte und maoistische Rebellengruppen geworden waren, Zugang zu ihrem Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu verschaffen. Der Kommission für Wahrheit und Versöhnung und der Kommission zur Untersuchung von Fällen des Verschwindenlassens gelang es 2023 erneut nicht, auch nur einen einzigen Fall zum Abschluss zu bringen, obwohl ihnen insgesamt mehr als 63.000 Anträge vorlagen. Im März 2023 legte die Regierung dem Parlament einen Entwurf zur Änderung des 2014 verabschiedeten Gesetzes zur Einsetzung einer Kommission für Wahrheit und Versöhnung sowie einer Kommission zur Untersuchung von Fällen des Verschwindenlassens vor, ohne die Betroffenen angemessen konsultiert zu haben. Der Änderungsvorschlag ging nicht mit einem Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 2015 konform, das die Anpassung des Gesetzes an nepalesische und internationale Menschenrechtsnormen angeordnet hatte. Zudem schien der Gesetzesvorschlag die mutmaßlich Verantwortlichen vor der Strafverfolgung wegen bestimmter völkerrechtlicher Verbrechen zu schützen. Ende 2023 lag der Gesetzentwurf noch dem Unterhaus vor.
Im November 2023 hob der Oberste Gerichtshof die vom Präsidenten erlassene Amnestie für einen wegen Mordes verurteilten Mann mit der Begründung auf, dass dazu die Zustimmung der Familien der Opfer erforderlich sei. Zuvor waren weithin Bedenken geäußert worden, die Regierung könne Amnestiebestimmungen missbrauchen, um Unterstützer*innen der Regierungspartei willkürlich auf freien Fuß zu setzen.
Folter und andere Misshandlungen
Nach wie vor gab es Berichte darüber, dass Personen in Untersuchungshaft gefoltert und anderweitig misshandelt wurden und die Verantwortlichen straffrei ausgingen. Obwohl das Strafgesetzbuch von 2017 Folter und andere Misshandlungen unter Strafe gestellt hatte, war bis Ende 2023 noch niemand auf der Grundlage dieser Bestimmungen verurteilt worden. Auch gab es seitens der Behörden keine Untersuchungen oder Veröffentlichungen von Untersuchungsberichten zu den Todesfällen in Gewahrsam, die mutmaßlich auf Folter zurückzuführen waren.
Im Januar 2023 wurden drei Frauen von staatlichen Forstwächtern geschlagen, weil sie einen Wald im Distrikt Bara betreten hatten, um dort Futtergras zu sammeln. Die Polizei weigerte sich, die Anzeige der Frauen gegen die Wächter aufzunehmen. Im Juli wurde der Menschenrechtsverteidiger Manohar Kumar Pokharel auf der Polizeiwache des Distrikts Saptari angegriffen, als er dort einen Häftling besuchte. Im August starben zwei Häftlinge, nachdem sie mutmaßlich von Polizeikräften im Gefängnis von Sankhuwasabha gefoltert worden waren. Das Bezirksgericht von Sankhuwasabha erließ gegen sieben Polizist*innen und acht Inhaftierte des Gefängnisses, die im Zusammenhang mit dem Tod der beiden Männer vor Gericht standen, eine Untersuchungshaftanordnung.
Diskriminierung
Geschlechtsspezifische Diskriminierung bestand auch 2023 im Gesetz und in der Praxis fort. Im Mai bestätigte der Präsident den Entwurf zur Änderung des Gesetzes über die nepalesische Staatsangehörigkeit (Nepal Citizenship [First Amendment] Bill), der Frauen nicht die gleichen Staatsbürgerschaftsrechte zubilligte wie Männern. Im September erklärte der Oberste Gerichtshof in einem positiven Urteil für muslimische Frauen die Praxis der "triple talaq", der islamischen Sofortscheidung durch den Mann, für verfassungswidrig.
Im Juni 2023 wies der Oberste Gerichtshof die Regierung in einer einstweiligen Verfügung an, gleichgeschlechtliche Ehen "vorläufig" zu registrieren, bis sein endgültiges Urteil ergangen sei. In der Praxis stießen gleichgeschlechtliche Paare jedoch weiterhin auf Hindernisse, da vorinstanzliche Gerichte die Eintragung von Eheschließungen mit der Begründung ablehnten, dass es an entsprechenden Rechtsvorschriften fehle. Im November erkannten die Behörden im Bezirk Lamjung zum ersten Mal eine Ehe zwischen nepalesischen Staatsangehörigen des gleichen amtlich registrierten Geschlechts an.
Trotz gesetzlicher Bestimmungen und politischer Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund der Kastenzugehörigkeit wurden zahlreiche Fälle von Diskriminierung gegen Mitglieder der Dalit-Gemeinschaft, auch durch gewählte Amtsträger*innen, gemeldet, die straffrei blieben. Im Dezember 2023 verurteilte der Gerichtshof des Distrikts West Rukum 26 Personen, die sechs Männer getötet hatten, weil einer der Männer eine Beziehung mit einem Mädchen aus einer dominanten Kaste eingegangen war.
Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
Hunderten Familien, die landesweit in informellen Siedlungen lebten, drohte nach wie vor eine rechtswidrige Zwangsräumung durch die Behörden ohne rechtliche Schutzmaßnahmen. Im März 2023 ordnete die Stadtverwaltung von Kathmandu an, dass die Bewohner*innen von Slums und informellen Siedlungen entlang der Flussufer in Kathmandu die Gebiete innerhalb einer Woche zu räumen hätten. Das Hohe Gericht in Patan setzte die Abrissverfügung für die betroffenen Unterkünfte aus und wies die Regierung und die Stadtverwaltung an, Alternativunterkünfte für jene bereitzustellen, die durch die Räumungen obdachlos werden würden.
Die Regierung unternahm keine Schritte zur angemessenen Überwachung, Untersuchung und Bestrafung der rechtswidrigen Aktivitäten von Personalagenturen und -vermittler*innen, die Arbeitsmigrant*innen unverhältnismäßig hohe Gebühren berechneten. Es wurden keine wirksamen Maßnahmen ergriffen, um Todesfälle von Arbeitsmigrant*innen zu verhindern bzw. diese zu untersuchen und aufzuklären. So wurden beispielsweise keine bilateralen Dialoge mit den Regierungen der Zielländer aufgenommen. Aufgrund des schwierigen Zugangs zum Sozialfonds für Arbeitsmigrant*innen (Migrant Workers Welfare Fund) erhielten viele Familien von verstorbenen Arbeitsmigrant*innen keine finanzielle Unterstützung aus dem Fonds.
Im November 2023 kamen bei einem Erdbeben in der Provinz Karnali mehr als 150 Menschen ums Leben, und etwa 25.000 Häuser sowie öffentliche Infrastruktur wurden beschädigt. Die Hilfsmaßnahmen der Regierung waren unzureichend, insbesondere angesichts des strengen Winters. 24 vom Erdbeben betroffene Menschen, die in Behelfszelten untergekommen waren, starben.
Veröffentlichungen von Amnesty International
- Nepal: Transitional Justice Bill needs to protect victims, not abusers; proposed law disregards domestic and international legal standards, 24 March
- Saudi Arabia: 'Don’t worry, it’s a branch of Amazon’: Exploitation of migrant workers contracted to Amazon in Saudi Arabia, 10 October
- Nepal: District Court’s historic verdict a welcome step for justice for Dalit community, 7 December