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Belgien 2023
Asylsuchende in der belgischen Hauptstadt Brüssel im Dezember 2023
© Bert Blondeel for Vluchtelingenwerk Vlaanderen
- Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen
- Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt
- Diskriminierung
- Rechte von Inhaftierten
- Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit
- Unverantwortliche Rüstungsexporte
- Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
- Recht auf eine gesunde Umwelt
- Straflosigkeit
- Veröffentlichungen von Amnesty International
Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023
Zahlreichen Asylsuchenden wurden Unterkünfte und andere wichtige Güter und Dienstleistungen verweigert, und Asylsuchende aus Afghanistan erhielten keinen internationalen Schutz. Es wurden neue Anlaufstellen für Überlebende von sexualisierter Gewalt eingerichtet. Die Regierung nahm ein geplantes Gesetz zurück, das Personen, die bestimmter protestbezogener Straftaten für schuldig befunden worden waren, die Teilnahme an Demonstrationen verboten hätte. Klimaaktivist*innen wurden nach einer friedlichen Protestaktion wegen unerlaubten Betretens eines Grundstücks schuldig gesprochen. In den Gefängnissen herrschten oft unmenschliche Bedingungen. Die Region Wallonien setzte ihre Rüstungsexporte in bestimmte Staaten fort, obwohl dort nicht ausgeschlossen werden konnte, dass mit den Waffen Menschenrechtsverstöße begangen werden. In zahlreichen Kommunen gab es Verordnungen zur Regulierung des Bettelns, die gegen die Menschenrechte verstießen.
Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen
Obwohl die Regierung die Unterbringungskapazitäten teilweise erhöhte, erhielten abermals Tausende Asylsuchende keinen Zugang zu Wohnraum und waren obdach- und mittellos sich selbst überlassen. Trotz Tausender Gerichtsentscheide, darunter auch Urteile des höchsten belgischen Verwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, gelang es der Regierung nicht, die Unterbringungskrise zu lösen, die auf die mangelhafte Bereitstellung von ausreichendem Wohnraum zurückzuführen war.
Das belgische Generalkommissariat für Flüchtlinge und Staatenlose verweigerte den meisten afghanischen Asylsuchenden weiterhin internationalen Schutz – lediglich 35 Prozent der Anträge waren erfolgreich. Nur den allerwenigsten afghanischen Staatsangehörigen war es möglich, nach Afghanistan zurückkehren. Abgelehnte Asylsuchende waren in Belgien häufig Menschenrechtsverstößen ausgesetzt.
Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt
Zwei neue Anlaufstellen für Überlebende von sexualisierter Gewalt wurden eröffnet, womit die Zahl der Anlaufstellen auf insgesamt zehn anstieg. Vier weitere waren 2023 noch in Planung. 90 Prozent der Personen, die bei den Anlaufstellen Hilfe suchten, waren Frauen. Das Durchschnittsalter der Hilfesuchenden lag bei 24 Jahren, während 32 Prozent aller Betroffenen unter 18 Jahre alt waren.
Diskriminierung
Im Juli 2023 gab die belgische Innenministerin einen neuen "professionellen Handlungsrahmen für Profiling" heraus, der als positive Maßnahme gegen diskriminierende Personenkontrollen durch die Polizei begrüßt wurde.
Rechte von Inhaftierten
Die Überbelegung der baufälligen Haftanstalten hielt an und ging einher mit unzureichendem Zugang zu sanitären Einrichtungen und zu grundlegenden Dienstleistungen wie medizinischer Versorgung.
Im Oktober 2023 kritisierte der Europarat abermals die strukturellen Probleme im Haftsystem sowie das Fehlen wirksamer Abhilfemaßnahmen und drängte die Regierung, zügige und nachhaltige Schritte zu ergreifen, um die Anzahl der Inhaftierten zu verringern und die Haftbedingungen zu verbessern.
Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit
Nach Widerstand u. a. von Gewerkschaften und Menschenrechtsgruppen nahm die Regierung im Dezember 2023 einen Gesetzesvorschlag zurück, der es Richter*innen erlaubt hätte, als zusätzliche Strafe für Personen, die wegen Straftaten im Zusammenhang mit Protesten verurteilt wurden, ein zeitlich befristetes Pauschalverbot der Teilnahme an öffentlichen Versammlungen zu verhängen.
Im April 2023 protestierten 22 Aktivist*innen von Greenpeace im Hafen von Zeebrugge friedlich gegen Investitionen in fossile Brennstoffe. 14 von ihnen wurden festgenommen und 48 Stunden lang festgehalten. Im November befand das erstinstanzliche Gericht in Brügge sie des widerrechtlichen Eindringens in die kritische Infrastruktur der Hafenanlagen für schuldig. Es wurden keine Strafen verhängt.
Unverantwortliche Rüstungsexporte
Die Region Wallonien genehmigte auch 2023 Waffenexporte in Staaten, in denen ein erhebliches Risiko dafür bestand, dass mit diesen Waffen schwere Verstöße gegen internationale Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht verübt oder ermöglicht werden könnten. So wurden beispielsweise Waffen an die brasilianische Polizei sowie an nigerianische und indonesische Streitkräfte geliefert, denen schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen wurden.
Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
Das belgische Menschenrechtsinstitut und der staatliche Dienst zur Bekämpfung von Armut, prekären Lebensumständen und sozialer Ausgrenzung dokumentierten, dass in 253 von insgesamt 581 Städten und Dörfern kommunale Verordnungen das Betteln auf eine Weise regulierten, die den Menschenrechten zuwiderlief.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Im April 2023 ergab eine nicht erschöpfende Bestandsaufnahme durch die Regierung, dass Belgien alljährlich etwa 13 Mrd. Euro für die Subventionierung fossiler Brennstoffe ausgibt. Die tatsächliche Summe könnte sich jedoch auf bis zu 19 Mrd. Euro belaufen.
Im November 2023 stellte das Brüsseler Berufungsgericht fest, dass die belgischen Bundesbehörden, die flämischen Behörden sowie die Behörden der Hauptstadtregion Brüssel keine angemessenen Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise umgesetzt und damit die Rechte auf Leben und Privatleben der Kläger*innen verletzt hatten.
Straflosigkeit
Im Mai 2023 ermöglichte ein Gefangenenaustausch die Freilassung und Heimreise des belgischen Entwicklungshelfers Olivier Vandecasteele, der im Iran als Geisel festgehalten worden war. Die im Gegenzug erfolgte vorzeitige Haftentlassung und Überstellung des iranischen Geheimdienstagenten Assadollah Asadi in den Iran trug zu einem Klima der Straflosigkeit für die Verfolgung iranischer Dissident*innen im Ausland mittels außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und anderer Misshandlungen bei und höhlte das Recht der Opfer auf Gerechtigkeit aus.