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Iran: Die Freilassung von Olivier Vandecasteele war lange überfällig
Nach 455 Tagen in iranischer Haft wieder in Freiheit: Der Entwicklungshelfer Olivier Vandecasteele wird am 26. Mai 2023 auf dem Militärflughafen Melsbroek in Belgien von Angehörigen empfangen.
© IMAGO / Belga
Olivier Vandecasteele war im Iran wegen angeblicher Spionage zu 40 Jahren Haft und 74 Peitschenhieben verurteilt worden. Nun ist der belgische Entwicklungshelfer im Rahmen eines Gefangenenaustauschs zwischen Belgien und dem Iran freigekommen und nach Belgien zurückgekehrt. Im Gegenzug lieferte Belgien den zu 20 Jahren Haft rechtskräftig verurteilten Geheimdienstagenten Assadolah Assadi aus. Amnesty hatte sich mit einer Urgent Action für Olivier Vandecasteele eingesetzt. Die Umstände seiner Freilassung geben dennoch Anlass zur Besorgnis: Der Iran könnte sich ermutigt fühlen, weiterhin Geiselnahmen und andere Verbrechen nach internationalem Recht zu begehen.
Amnesty International begrüßt die Freilassung des belgischen Entwicklungshelfers Olivier Vandecasteele. Er war seit Februar 2022 zu Unrecht im Iran inhaftiert und wurde Verschwindenlassen, Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt. Er kam am 26. Mai 2023 am belgischen Militärflughafen Melsbroek an und konnte seine Angehörigen nach 455 Tagen in Haft wieder in die Arme schließen.
Amnesty ist jedoch zutiefst beunruhigt darüber, dass er nur aufgrund der vorzeitigen Freilassung des iranischen Geheimdienstagenten Assadollah Asadi freigelassen wurde und den Iran verlassen durfte. Diese Vereinbarung zwischen Belgien und dem Iran minderte die Auswirkungen der Verurteilung des Iraners zu 20 Jahren Haft durch ein belgisches Gericht. Asadi war wegen der Planung eines Bombenanschlags gegen iranische Dissident*innen in Frankreich verurteilt worden. Der Anschlag konnte jedoch verhindert werden. Die Umstände seiner Freilassung bestätigen die Einschätzung von Amnesty International, dass die iranischen Behörden Olivier Vandecasteele als Geisel hielten, um ihn gegen Assadollah Asadi auszutauschen.
Durch die Überstellung von Assadollah Asadi an den Iran hat die belgische Regierung zu einem Klima der Straflosigkeit für die Verfolgung iranischer Dissident*innen im Ausland mittels außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und anderer Misshandlungen beigetragen. Das Recht der Opfer auf Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und die Garantie, dass sich die Verstöße nicht wiederholen, wird damit ausgehöhlt.
Amnesty International warnt davor, dass iranische Dissident*innen im Ausland einem erhöhten Risiko von Angriffen durch Agent*innen der Islamischen Republik Iran ausgesetzt sind, wenn Staaten ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen schwere Menschenrechtsverletzungen der iranischen Behörden im Ausland ordnungsgemäß zu bestrafen. Versuchte außergerichtliche Hinrichtungen und andere schwere Menschenrechtsverletzungen werden von den iranischen Behörden im Ausland begangen, um die freie Meinungsäußerung und friedlichen Dissens zu unterdrücken.
Amnesty International ist zutiefst besorgt darüber, dass der Gefangenenaustausch die iranischen Behörden dazu ermutigen könnte, weiterhin Geiselnahmen und andere Verbrechen nach internationalem Recht zu begehen. Um diese Risiken zu mindern, müssen die belgischen Behörden dringend untersuchen, ob die Freiheitsberaubung von Olivier Vandecasteele das Verbrechen der Geiselnahme darstellt. Sie müssen außerdem die Aufarbeitung sowohl durch öffentliche Erklärungen als auch durch die Ermittlung und strafrechtliche Verfolgung der mutmaßlichen Täter*innen voranbringen.
Amnesty International fordert die belgischen Behörden außerdem auf, strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten und Haftbefehle gegen Beamt*innen und andere Personen zu erlassen, gegen die ausreichende zulässige Beweise für die Verantwortlichkeit für Folter, Verschwindenlassen oder andere Verbrechen nach internationalem Recht an Olivier Vandecasteele vorliegen. Grundlage bildet das Weltrechtsprinzip und die Gerichtsbarkeit aufgrund des besonderen Inlandsbezugs wegen der Nationalität des Opfers.
Amnesty International ruft erneut alle Staaten, die im Iran inhaftierte Staatsangehörige hatten oder haben, auf, unverzüglich zu prüfen, ob deren Freiheitsentzug einer Geiselnahme gleichkommt. Im Fall der deutschen Staatsbürger*innen Jamshid Sharmahd und Nahid Taghavi ist bislang nicht geschehen. Falls dies der Fall ist, müssen alle geeigneten Maßnahmen ergriffen werden, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Dazu gehört, dass bei Vorliegen ausreichender zulässiger Beweise Haftbefehle ausgestellt werden. Die Auslieferung iranischer Beamt*innen zur Strafverfolgung muss i m Einklang mit den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren stehen.
Der Iran und Belgien sind Vertragsparteien des Internationalen Übereinkommens gegen Geiselnahme. Das Übereinkommen stellt jede Form von Geiselnahme durch staatliche und nichtstaatliche Akteure unter Strafe. Das Übereinkommen definiert Geiselnahme als das Festhalten einer Person unter der Androhung, sie zu töten, zu verletzen oder weiter festzuhalten, um Dritte zur Erfüllung bestimmter Bedingungen zu zwingen. Geiselnahme stellt völkerrechtlich also eine Straftat dar. Um einen Akt der Inhaftierung als Geiselnahme zu deklarieren, ist es nicht zwingend erforderlich, dass die Bedingungen zur Freilassung der inhaftierten Person ausdrücklich ausgesprochen werden. Vielmehr kann ein Akt der Freiheitsberaubung unter Umständen auch dann als Geiselnahme gelten, wenn anhand der Umstände deutlich wird, dass in Verbindung damit eine implizite Forderung des Handelns oder Unterlassens an eine Drittpartei gestellt wird.