Amnesty Report Äquatorialguinea 28. März 2023

Äquatorialguinea 2022

Rückenansicht eines Mannes in Polizeiuniform. Im Hintergrund sitzen mehrere Menschen an einem Tisch.

Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022

Die Behörden waren für willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen, Folter und andere Misshandlungen sowie Verschwindenlassen verantwortlich, u. a. in Verbindung mit der Präsidentschaftswahl und im Rahmen einer "Säuberungsoperation" gegen kriminelle Banden. Die Straflosigkeit für sexualisierte Gewalt hielt weiter an. Schwangere Mädchen durften nach wie vor die Schule nicht besuchen. Migrant*innen ohne gültige Papiere wurden ohne ordnungsgemäßes Verfahren abgeschoben. Lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) waren auch 2022 von Mehrfachdiskriminierung betroffen. Durch eine Änderung des Strafgesetzbuchs wurde die Todesstrafe abgeschafft, sie blieb im Militärrecht jedoch bestehen.

Hintergrund

Angehörige des Internationalen Währungsfonds statteten Äquatorialguinea im Mai 2022 einen Besuch ab und mahnten, dass die negativen Auswirkungen der Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Kraftstoffen auf in Armut lebende Menschen dringend abgemildert werden müssten.

Im September 2022 nominierte die Regierungspartei den seit 43 Jahren amtierenden Präsidenten des Landes, Teodoro Obiang Nguema Mbasogo, als ihren Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen im November. Er wurde mit 94,9 Prozent der Stimmen wiedergewählt.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Im Mai 2022 startete Vizepräsident Teodoro Nguema Obiang Mangue als Reaktion auf eine vermeintliche Zunahme der Kriminalität landesweit eine sogenannte "Säuberungsoperation" (Operación Limpieza) gegen kriminelle Banden. In einer einzigen Woche im Mai nahmen die Sicherheitskräfte mehr als 400 junge Männer fest. Drei Monate nach Beginn der Aktion waren Berichten zufolge Tausende weitere Personen im ganzen Land festgenommen worden. Einige von ihnen wurden aus Mangel an Beweisen per Gerichtsbeschluss unter Auflagen freigelassen. Zahlreiche Betroffene wurden bei ihrer Festnahme bzw. während ihrer Inhaftierung von den Sicherheitskräften misshandelt. Mindestens vier Personen starben im Gefängnis. Der Verbleib vieler weiterer Menschen war Ende 2022 unbekannt. Ihre Familien hatten nur wenige oder gar keine Informationen erhalten.

Am 7. August 2022 wurde der ehemalige Justizminister Ruben Maye Nsue Mangue festgenommen, nachdem er den Präsidenten in Sozialen Medien kritisiert hatte. Zivilgesellschaftliche Organisationen hatten mehrere Tage lang keine Kenntnis über seinen Aufenthaltsort. Am Ende des Jahres befand er sich noch immer im Gefängnis von Mongomo in Haft. 

Am 29. September 2022 nahm die Polizei den Vorsitzenden der im Jahr 2018 aufgelösten Oppositionspartei Ciudadanos por la Innovación (CI), Gabriel Nse Obiang Obono, und mehr als 150 seiner Unterstützer*innen fest, die sich in der Parteizentrale in Malabo versammelt hatten. Laut Angaben der Behörden starben dabei vier Aktivist*innen an den Folgen des Einsatzes von Tränengas. CI gab hingegen an, dass neun Personen ums Leben gekommen waren. Ein Polizist soll ebenfalls getötet worden sein. Am 6. Oktober wurden 119 der Festgenommenen ohne Anklage wieder auf freien Fuß gesetzt. Gabriel Nse Obiang Obono hatte sich vor seiner Festnahme geweigert, einer gerichtlichen Vorladung zu folgen. Wenige Tage vor dem 29. September hatte er gewarnt, dass es zu Demonstrationen kommen werde, wenn er nicht als Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen antreten dürfe. Er befand sich Ende 2022 weiter in Haft.

Rechte von Frauen und Mädchen

Am 28. Juli 2022 wurde ein 16-jähriges Mädchen auf der Insel Annobón von einem mutmaßlichen Angehörigen der Streitkräfte vergewaltigt. Der Vorfall wurde zur Anzeige gebracht, über etwaige Ermittlungen lagen jedoch keine Informationen vor. Einige Bewohner*innen der Insel berichteten den Behörden über frühere Fälle von sexualisierter Gewalt durch Angehörige der Streit- und Sicherheitskräfte, die straffrei geblieben waren. Die Behörden gingen diesen Vorwürfen jedoch nicht nach, sondern versetzten einige der Beschuldigten lediglich in andere Landesteile.

Schwangere Mädchen waren auch 2022 aufgrund einer Anordnung des Bildungsministeriums von 2016 noch immer vom Schulbesuch ausgeschlossen. Die Regierung wies in ihrem Zwischenbericht 2022 für die Allgemeine Regelmäßige Überprüfung durch den UN-Menschenrechtsrat (UPR-Prozess) jedoch darauf hin, dass Maßnahmen verabschiedet worden seien, um schwangere Mädchen nach der Entbindung wieder in das Bildungssystem zu integrieren.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Zwischen Januar und März 2022 wurden Dutzende Migrant*innen ohne regulären Aufenthaltsstatus in ihre Heimatländer abgeschoben, ohne ein ordnungsgemäßes Verfahren oder rechtlichen Beistand erhalten zu haben. Laut Angaben lokaler Organisationen waren zwischen dem 30. Oktober 2021 und Anfang Dezember 2021 in den Großstädten mehr als 500 Personen im Rahmen einer Regierungskampagne gegen "irreguläre Migration" festgenommen worden. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Menschen aus Kamerun, Nigeria, Senegal, Côte d’Ivoire, der Zentralafrikanischen Republik, Tschad und Mali. Manche Personen, die im Zuge dieser Aktion festgenommen worden waren, kamen einige Wochen später wieder frei, ohne dass man ihnen die Gründe für ihre Inhaftierung nannte oder Anklage gegen sie erhob. Andere wie z. B. Abdoulay Ndom und Mouamed Kalouare aus Mali, Toba Mammed aus Guinea und Lamin Sisoko aus Côte d’Ivoire befanden sich beinahe sechs Monate lang in Haft, bevor sie im Mai 2022 wieder auf freien Fuß gesetzt wurden. Wie die meisten anderen Inhaftierten erhielten auch sie weder rechtlichen Beistand noch Zugang zu ihren Verfahrensrechten, um ihre Inhaftierung anzufechten.

Nachdem die jeweiligen Herkunftsländer Kritik geäußert hatten, gab die Regierung allen Migrant*innen ohne gültige Papiere bis Ende August 2022 Zeit, ihren Rechtsstatus in Äquatorialguinea zu regeln. Anschließend nahmen die Behörden ihr Vorgehen gegen Migrant*innen ohne regulären Aufenthaltsstatus unverändert wieder auf.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

LGBTI+ waren in verschiedenen Lebensbereichen wie z. B. Arbeit, Bildung und Freizeit von Mehrfachdiskriminierung betroffen. In ihrem UPR-Zwischenbericht vermerkten die Behörden, dass eine Gesetzesvorlage zur Regelung von Sexarbeit und LGBTI-Rechten noch in Arbeit sei. Offenbar enthielt der Gesetzentwurf Bestimmungen gegen "Exhibitionismus und homosexuelle Propaganda" sowie eine Vorgabe zum Schutz der "moralischen Integrität der Mehrheitsgesellschaft". Dies würde Diskriminierung, Stigmatisierung und Gewalt gegen LGBTI+ implizit weiter Vorschub leisten.

Todesstrafe

Am 19. September 2022 verkündete der Präsident die Verabschiedung eines neuen Strafgesetzbuchs, mit dem die Todesstrafe abgeschafft wurde. Allerdings sah das Militärjustizgesetz weiterhin die Verhängung von Todesurteilen vor.

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