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Im Dezember findet die Fifa-Klub-WM in Saudi-Arabien statt. Das Land versucht schon länger, sein Image mit Sportswashing zu verbessern.
Von Martin Krauß
Saudi-Arabien würde lieber über Neymar, Ronaldo und Benzema sprechen als über Salma al-Shehab", sagt Stephen Cockburn. "Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass wir über beides sprechen."
Cockburn ist bei Amnesty International in London für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zuständig. Die drei genannten Fußballer, die zu den besten weltweit zählen, haben alle jüngst bei saudischen Fußballvereinen unterschrieben: Karim Benzema erhält geschätzte 80 Millionen Euro pro Jahr, Neymar etwa 100 Millionen, und der teuerste, Cristiano Ronaldo, 200 Millionen.
Und Salma al-Shehab? Sie erhielt im August 2022 eine 34-jährige Haftstrafe und ein anschließendes 34-jähriges Reiseverbot. Das "Verbrechen" der 35-jährigen Doktorandin: Sie hatte auf Twitter mangelhafte Frauenrechte in Saudi-Arabien beklagt und wurde deshalb wegen "Störung der öffentlichen Ordnung und Destabilisierung der staatlichen Sicherheit und Stabilität" verurteilt.
"Wirtschaft des Königreichs diversifizieren"
Das saudische Herrscherhaus und insbesondere Kronprinz Mohammed bin Salman, der saudischer Premierminister ist, investieren viel Geld in Sport. Im Dezember 2023 findet die Fifa-Klub-WM statt. Die besten Fußballvereine aller Kontinente spielen um die Meisterschaft. Aus Europa kommt Manchester City, aus Asien der japanische Klub Urawa Red Diamonds, Afrika wird vom ägyptischen Verein Al-Ahly vertreten, für die Karibik sowie Nord- und Mittelamerika ist Club León aus Mexiko dabei. Als bester Verein Ozeaniens konnte sich Auckland City FC aus Neuseeland qualifizieren.
Welcher Verein die Fußballnationen Südamerikas vertreten wird, muss noch entschieden werden. Und dann ist noch das Gastgeberland gesetzt, deshalb darf der saudische Meister Al-Ittihad mitspielen. Das heißt auch, dass auf saudischer Seite ein paar Weltstars dabei sind, Karim Benzema etwa oder N’Golo Kanté, noch ein Franzose, der für ein acht- oder neunstelliges Jahresgehalt ins saudische Königreich wechselte.
Dass diese Stars allein wegen des Geldes kommen, wird in Saudi-Arabien bestritten. "Jeder praktizierende Muslim oder nicht-weiße Mensch, der in Europa lebt, wird sofort verstehen, dass es wahrscheinlich nicht nur um Geld geht", hieß es jüngst im saudischen TV-Sender "Al Arabya". Die Attraktivität Saudi-Arabiens werde im Westen dramatisch unterschätzt.
Die Investitionen in den Sport, für die vor allem Kronprinz Mohammed bin Salman verantwortlich ist, dienen dazu, "die vom Ölexport abhängige Wirtschaft des Königreichs zu diversifizieren und das Überleben bin Salmans als faktischer und zukünftiger Herrscher des Landes zu sichern", sagt der britische Nahostexperte James M. Dorsey. Saudi-Arabien investiert in Sport, um den Standort attraktiver zu machen. Hinzu kommen weitere Projekte wie zum Beispiel die futuristische Stadt Neom, die für umgerechnet 470 Milliarden Euro am Roten Meer gebaut wird – inklusive des für neun Millionen Menschen konzipierten Stadtteils "The Line", der komplett in einem verspiegelten Gebäudekomplex untergebracht sein wird. Hängende Gärten, Flugtaxis, selbstfahrende Züge, die alle zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie versorgt werden sollen. Und zu diesen gigantomanischen Planungen gehören auch sportliche Bestleistungen. Außer der Klub-WM gibt es zahlreiche hochklassige Profisportereignisse, sogar um die Fußball-WM der Männer will sich das Königreich bewerben, 2034 soll es soweit sein.
Zunehmende Repression
Auch in den europäischen Sport investiert Saudi-Arabien. So kaufte der staatliche Public Investment Fund 2021 den englischen Profifußballclub Newcastle United. "Wahrscheinlich wollen sie auch andere kleinere europäische Vereine erwerben", sagt Amnesty-Experte Stephen Cockburn. Darüber hinaus soll die staatliche Fluggesellschaft Riyadh Air, die derzeit gegründet wird, bald als Sponsor für europäische Spitzenvereine auftreten. Nach einer Analyse der Wirtschaftsprüfungsfirma Ernst & Young wächst der Wert der Sporteventbranche in Saudi-Arabien jährlich um acht Prozent: 2018 betrug er zwei Milliarden Euro, 2024 wird er schätzungsweise bei drei Milliarden Euro liegen.
Mit den Investitionen will Saudi-Arabien weltweit attraktiv werden. "Das Land möchte seiner jungen Bevölkerung Unterhaltung bieten, globale Allianzen aufbauen und seine wirtschaftlichen Muskeln spielen lassen", sagt Stephen Cockburn. Zugleich aber handelt es sich um Sportswashing: "Der Sport ist Teil einer Strategie, um ein ganz anderes Bild des Landes zu vermitteln, als es bisher der Fall war." Cockburn erinnert an die grausame Ermordung des Bloggers Jamal Khashoggi, die weltweit Empörung auslöste.
Das Sportswashing zielt nur darauf ab, das negative Image des Landes zu verbessern, an der realen Menschenrechtslage ändert sich hingegen nichts. Im Gegenteil. "Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien verschlechtert sich in vielerlei Hinsicht", konstatiert Cockburn. "Die Repressionen nehmen zu, insbesondere gegen alle, die es wagen, die Behörden zu kritisieren. Die Anwendung der Todesstrafe hat drastisch zugenommen – im vergangenen Jahr wurden 196 Menschen hingerichtet, in diesem Jahr bereits mehr als 100."
Bittere Bilanz für Menschenrechte
Der jährliche Amnesty-Report zur weltweiten Lage der Menschenrechte dokumentierte für das Jahr 2022 dramatische Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien. Menschen, die öffentlich Kritik übten oder sich organisierten, wurden zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt. In der Küstenstadt Dschidda wurden Tausende Menschen zwangsgeräumt, migrantische Arbeiter*innen waren staatlicher und unternehmerischer Willkür ausgesetzt und wurden, wenn sie sich wehrten, inhaftiert oder abgeschoben. Human Rights Watch veröffentlichte im August 2023 einen Bericht, wonach mehr als 100 äthiopische Migrant*innen, die versuchten, über den Jemen nach Saudi-Arabien einzureisen, von saudischen Grenztruppen niedergeschossen wurden.
Cockburns Bilanz ist bitter: "Die enormen Investitionen Saudi-Arabiens in den Sport haben die Menschenrechtslage im Land nicht wesentlich verändert, sondern dazu gedient, Investitionen zu legitimieren und das Gespräch von der Menschenrechtsbilanz des Königreichs abzulenken."
Tatsächlich spricht einiges dafür, dass die Regierung umso mehr in den Spitzensport investiert, je schlimmer die innenpolitische Lage ist und je lauter die Kritik daran wird. So engagiert sich das Land, in dem Frauen erst seit 2018 Auto fahren dürfen, neuerdings auch im Frauenfußball. Seit 2021 gibt es ein Nationalteam, trainiert von der Deutschen Monika Staab. Mit der Marokkanerin Ibtissam Jraïdi konnte schon eine Spitzenspielerin verpflichtet werden, und angeblich werden derzeit auch anderen Weltklasseprofis Angebote unterbreitet.
Martin Krauß ist freier Journalist. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International wieder.
HINTERGRUND
2019 Italiens Fußball-Supercup: Juventus Turin vs. AC Mailand (Januar), Lazio Rom vs. Juve (Dezember)
2019 Box-Schwergewichts-WM: Anthony Joshua vs. Andy Ruiz
2020 Spaniens Fußball-Supercup: Real vs. Atletico Madrid
2021 Erstmals Formel 1
2022 Rallye Dakar
2022 Spaniens Fußball-Supercup: Real Madrid vs. Athletic Bilbao
2022 Start der LIV-Profigolf-Serie
2023 WM im Gewichtheben
2023 World Combat Games für Kampfsportarten
2026 Asienmeisterschaft im Frauenfußball
2027 Asienmeisterschaft im Männerfußball
2029 Asiatische Winterspiele
2034 Asienspiele