Amnesty Journal 18. Dezember 2023

Eine allerletzte Sache noch

Das Bild zeigt eine Porträt von Markus N. Beeko

Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland

Sind wir Teil der Lösung oder Teil des Problems?  Kolumne von Markus N. Beeko, Generalsekretär der deutschen Amnesty-Sektion.

Von Markus N. Beeko

Eine Sache noch heißt diese Kolumne. Für mich diesmal "eine allerallerletzte Sache noch": Nach 19 Jahren bei Amnesty, zuletzt als Generalsekretär und Sprecher der Geschäftsleitung, übergebe ich Amt – und Kolumne – an meine wunderbare Kollegin Julia Duchrow. Ich sage "Danke!" für engagierte Zuschriften. 

Ich bleibe guten Mutes. Ja, es stürmt in der Welt. Aber Julia Duchrow erinnert in ihrer Kolumne daran, dass Menschenrechte kein Schönwetterthema sind. Sie haben sich in den vergangenen 75 Jahren aus Shoah, Sklaverei und Kolonialismus "herausgekämpft". Und es gibt noch "sturmerprobte Kämpfer*innen": 

Aktivist*innen und Men­schen­rechts­verteidi­ger*in­nen in einer weltweiten vielfältigen Bewegung; beeindruckende Aktive bei Amnesty, mit denen ich viele Jahre zusammenarbeiten durfte. Und viele Millionen Menschen, die nicht akzeptieren, dass ihre Menschenrechte weniger wert sein sollen. Für mich ist nach 19 Jahren Menschenrechtsarbeit klar: "Am Ende werden wir uns nicht an die Worte unserer Feinde erinnern, sondern an das Schweigen unserer Freunde" (Martin Luther King). Sind wir Teil der Lösung oder Teil des Problems? Ich bleibe gespannt und neugierig. Wenn auch Sie neugierig sind, habe ich 18 Fragen an Sie (frei nach Max Frisch):

1.    Haben Sie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ganz gelesen? Was empfinden Sie dabei?

2.    Wie notwendig ist es für Sie, die ­eigenen Menschenrechte für ein ­"lebenswertes" Leben wahrnehmen zu können?

3.    Wenn es sie noch nicht gäbe, müsste man die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte beschließen?

4.    Warum steht sie nicht auf unseren wichtigsten Plätzen und zentralen ­Orten?

5.    Wie weit würden Sie gehen, wenn man Ihnen Ihre Menschenrechte abspräche, verletzte und einschränkte?

6.    Finden Sie, jede*r deutsche Staats­bürger*in sollte ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgeben und bekennen, dass man das Grundgesetz und die Gesetze der Bundesrepublik achten werde so wie es Menschen bei ihrer Einbürgerung in Deutschland tun?

7.    Haben Sie ein Grundgesetz zu Hause? Wann das letzte Mal reingeschaut?

8.    Wissen sie von Fluchterfahrungen in Ihrer Familie? Wenn nein, haben Sie je danach gefragt?

9.    Der deutsche Reisepass erlaubt visafreien Zugang zu 191 Ländern. Empfinden Sie es als ungerecht, wenn Menschen, die aus diesen 191 Ländern kommen, nur mit Visum und großen Hürden nach Deutschland reisen ­können?

10.    Könnten Sie zuschauen, wenn man die Sklaverei wieder einführen würde? Bis zu welchem Punkt? Und was würden Sie dann tun? 

11.    Glauben Sie, man muss sich "menschlich verhalten", um sich als Mensch bezeichnen zu können?

12.    Finden Sie, wir verwirken unsere Menschenrechte, wenn wir die anderer nicht achten und schützen?

13.    Würden Sie sich als Feminist*in bezeichnen? Wenn ja, wie sollten wir Frauen und Mädchen in Ländern ­unterstützen, in denen Frauenrechte massiv und systematisch verletzt werden?

14.    Was hält Sie davon ab, zu widersprechen, wenn in Ihrer Gegenwart Menschen herabgewürdigt, beleidigt oder bedroht werden?

15.    Macht es für Sie einen Unterschied, ob die Person, die rassistische, antisemitische, queerfeindliche Parolen in der Chatgruppe teilt, Peruaner*in, Pol*in oder Polizist*in ist?

16.    Wie vereinbaren Sie es mit Ihrem ­Gewissen, die ganze Welt zu bereisen, von einer globalisierten Wirtschaft zu profitieren, Dinge aus aller Welt zu ­genießen, während es vielerorts Menschen am Nötigsten fehlt und diese sich nicht frei auf dem Globus bewegen dürfen?

17.    Klimatransformation und Digitalisierung werden zu einer Neuordnung von Wirtschaft und Gesellschaft ­führen: Macht Ihnen das Angst oder Hoffnung? Was ist zu tun, damit Menschenrechte Teil dieser Zukunft sind?

18.    Glauben Sie, dass man "sich Menschenrechte leisten können" muss? Und wenn ja, wer leistet sich da was wem gegenüber? 

Fragen über Fragen. Bleiben Sie ehrlich, gesund, aktiv; bleiben Sie Mensch.

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