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50 Jahre Stonewall – 50 Jahre Kampf gegen Diskriminierung
Proteste für LGBTI-Rechte vor dem Stonewall Inn in New York im Februar 2019
© Mathias Wasik / wasikphoto.com
Die Nacht zum 28. Juni 1969 gilt als Beginn der LGBTI-Bewegung: In einer New Yorker Bar setzten sich Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transpersonen gegen eine Polizei-Razzia zur Wehr.
Vor 50 Jahren stürmten Polizeikräfte im New Yorker Stadtteil Greenwich Village die Bar Stonewall Inn in der Christopher Street. Brutal durchsuchten sie die Gäste. Sie verlangten Ausweispapiere und nahmen alle Personen fest, die sie für homosexuell hielten oder deren Kleidung nicht den stereotypen Geschlechterrollen entsprach. Die darauf folgenden Ereignisse gelten heute als Auslöser der Bewegung für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI).
Im Jahr 1969 war Homosexualität in vielen Teilen der USA illegal. Für viele Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transpersonen waren die Abende in den Bars und Kneipen wie dem Stonewall Inn die einzige Zeit, in der sie offen sie selbst sein konnten. Die Bar war bekannt für Inklusion und auch für Sexarbeiter_innen und Obdachlose ein geschützter Ort. Als sie die Gäste in den frühen Morgenstunden des 28. Juni 1969 gegen die Polizeikräfte wehrten, die sie drangsalierten und in die Polizeiwagen schubsten, war das nicht nur ein Protest gegen die Polizeirazzia. Sie verteidigten damit auch ihr Zuhause.
Wie hat der Stonewall-Aufstand angefangen?
Es gibt nach wie vor unterschiedliche Einschätzungen darüber, wann genau der Aufstand in der Christopher Street begann. Die Leute, die dabei waren, sind sich einig, dass drei Women of Colour, Marsha P. Johnson, Sylvia Rivera und Stormé Delarvarie, eine entscheidende Rolle spielten. Sie animierten die Gäste dazu, sich gegen die Polizei zu wehren.
Wie viele Transpersonen waren auch Marsha und Sylvia ständigen Drangsalierungen ausgesetzt, vor allem durch die Polizei. Für Menschen, die nach der Geburt als männlich identifiziert wurden, war es verboten, "Frauenkleider" zu tragen. Ebenso durften Menschen, die nach der Geburt als Frauen identifiziert wurden, keine "Männerkleidung" tragen.
Polizeikräfte drängten Marsha und Sylvia und andere Dragqueens in die Toilettenräume des Stonewall Inn. Dort wurden sie einer Leibesvisitation unterzogen und festgenommen, wenn sie männliche Geschlechtsmerkmale trugen. Marsha und Sylvia weigerten sich, den Anordnungen Folge zu leisten und wehrten sich. Dadurch nahmen die Spannungen zwischen der Polizei und den Gästen des Stonewall Inn weiter zu. Kurz darauf hört man auf der Straße Gesänge und Rufe wie "We shall overcome" und "Gay Power".
Viele Menschen versammelten sich vor dem Lokal. Stormé Delarvarie, eine Lesbe aus Louisiana mit afro-amerikanischer Mutter und weißem Vater, wurde in ein Polizeifahrzeug gedrängt, nachdem man ihr mehrmals mit einem Polizeihelm auf den Kopf schlug. "Warum macht ihr nichts?", rief sie den Umstehenden zu. Sie reagierten und kamen denen zu Hilfe, die immer noch in der Bar waren. Die Polizeikräfte wurden mit Münzen und Flaschen beworfen und zogen sich daraufhin in die Bar zurück. Als die Menschenmenge vor der Bar immer größer wurde, warfen einzelne Personen Mülleimer durch die Fenster.
Viele Menschen, die in jener Nacht dort waren, hatten zum ersten Mal das Gefühl, sich wehren zu können und zu zeigen, dass sie Diskriminierungen nicht länger dulden wollen. Die Polizeikräfte, die zur Verstärkung gerufen wurden, brachten Tränengas mit, um die Menschen auseinander zu treiben. Doch es kamen immer mehr Menschen hinzu. Vier Tage dauerte es, bis der Aufstand vorbei war.
Die Aktivistinnen Sylvia Rivera und Marsha P. Johnson bei einer Protestveranstaltung vor der City Hall in New York 1970
© privat
Menschenrechte und der Stonewall-Aufstand
Der Aufstand rund um das Stonewall Inn in der Christopher Street wurde zum Symbol: Er zeigt, dass eine einzelne Entscheidung, eine instinktive Reaktion auf Unrecht, der Auslöser für eine ganze Bewegung sein kann und den Gang der Geschichte verändert.
Als Marsha und Sylvia an jenem Abend entschieden hatten, auszugehen, hatten sie noch keine Ahnung, dass ihre Handlungen genau in dieser Nacht entscheidende Momente für den Kampf für LGBTI-Rechte auf der ganzen Welt bedeuten würden. Sie hatten sich schon zuvor für die Rechte von transgeschlechtlichen Menschen und Sexarbeiter_innen eingesetzt. Aber erst ihre Beteiligung am Stonewall-Aufstand führte dazu, dass sie später die Organisation STAR ("Street Transvestite* Action Revolutionaries") gründeten und zu führenden Mitgliedern der politischen Lesben- und Schwulengruppe "Gay Liberation Front" wurden.
Auch Stormé Delarvarie war bereits zuvor eine bekannte Figur der LGBTI-Community auf der Christopher Street und trat als Dragking und Moderatorin bei Veranstaltungen in der Gegend auf. Nach dem Stonewall-Aufstand wurde sie als "Schutzengel der Lesben" bekannt und arbeitete als Türsteherin in Lesbenbars im West Village. Sie starb 2014, erlebte aber noch die rechtliche Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe in New York im Jahr 2011. "Ich bin ein Mensch, der überlebt hat. Und ich habe anderen Menschen geholfen, zu überleben", sagt Stormé Delarvarie.
Marsha, Sylvia und Stormé haben bewiesen, dass es eine einzelne mutige Handlung sein kann, die den Menschen zeigt, wie die Welt aussehen könnte, wenn sich alle zusammenschließen und Gleichheit und Freiheit fordern.
Das Stonewall Inn in New York im Februar 2019
© CC
Was bedeutet Stonewall heute?
Ein Jahr nach Stonewall kamen am 28. Juni 1970 viele Menschen zurück zu der Bar und erklärten den Jahrestag zum "Christopher Street Liberation Day". Dieser Gedenkmarsch wurde später als erstes LGBTI-Pride-Festival bekannt und diente als Katalysator für Bewegungen und Veranstaltungen für LGBTI-Rechte auf der ganzen Welt. Die Menschen, die sich in jener Nacht an den Protesten beteiligten, wurden zu Vorbildern und ermutigten weltweit LGBTI, sich Engstirnigkeit entgegenzustellen und Vielfalt zu feiern.
50 Jahre nach dem Aufstand gibt es Hunderte Pride-Festivals – mit Tausenden Teilnehmenden jedes Jahr, fast auf der ganzen Welt. Doch in einigen Teilen der Welt ist es immer noch extrem gefährlich, sich für LGBTI-Rechte einzusetzen.
Den Menschen, die an Pride-Veranstaltungen teilnehmen, bedeutet die Teilnahme viel. Für die meisten ist es eine Möglichkeit, Stolz zu zeigen und sich als LGBTI zu feiern und von der LGBTI-Gemeinschaft gefeiert zu werden. In der Zeit, in der Marsha, Sylvia and Stormé angegriffen wurde, war das ein bemerkenswerter Fortschritt. Die drei erinnern uns daran, dass Pride seit jeher in einer Tradition des Protests, der Auflehnung und der Forderung nach Gleichstellung steht und immer stehen wird.