Aktuell 26. September 2018

Baufirma an WM-Austragungsort zahlt Arbeitsmigranten monatelang keinen Lohn

Mehrere Männer in Arbeitskleidung stehen auf einer Baustelle mit Palmen im Hintergrund

Arbeitsmigranten auf einer Baustelle in der katarischen Planstadt Lusail City

Arbeitsmigranten aus Indien, Nepal und den Philippinen warten seit Monaten auf Lohn von der Firma Mercury MENA, die am Bauprojekt Future City Lusail beteiligt war. Diese Form der Ausbeutung wird durch die katarische Regierung erst möglich gemacht.

Neue Recherchen von Amnesty International enthüllen, wie zahlreiche Arbeitsmigranten beim Bau des Vorzeigeprojekts Future City Lusail der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 ausgebeutet wurden. Die Baufirma Mercury MENA hat das berüchtigte Sponsorensystem Kafala ausgenutzt: Seit 2016 kam es immer wieder zu Verzögerungen der Lohnauszahlungen, bis diese 2017 schließlich ganz ausblieben. Von Oktober 2017 bis April 2018 hat Amnesty Interviews mit 78 ehemaligen Mitarbeitern aus Indien, Nepal und den Philippinen geführt. Sie gaben an, dass die Firma ihnen bis zu 2470 US-Dollar (etwa 2105 Euro) schuldet. Zum Vergleich: In Nepal lebt mehr als ein Drittel der Bevölkerung von weniger als zwei Dollar pro Tag.

"Um Vermittlungsgebühren für einen Arbeitsplatz in Katar bezahlen zu können, haben viele Befragte in ihren Heimatländern hochverzinste Darlehen aufgenommen", sagt Regina Spöttl, Katar-Expertin bei Amnesty International in Deutschland. "Als ihre Löhne ausblieben, konnten sie kein Geld nach Hause schicken und die Kreditraten nicht mehr zahlen. Einige Familien waren gezwungen, Grundbesitz zu verkaufen oder ihre Kinder aus der Schule zu nehmen."

Eine Vielzahl der Arbeitsmigranten ist mittellos in Katar gestrandet, lebt in heruntergekommenen Quartieren ohne Gewissheit über ihre finanzielle Zukunft und ohne die Möglichkeit, wieder zu ihren Familien in ihre Heimatländer zurückzukehren. Zudem wurden von Mercury MENA keine gültigen Aufenthaltsgenehmigungen für die Betroffenen beantragt, was Festnahmen, Geldstrafen oder die Einschränkung der Bewegungsfreiheit nach sich gezogen hat.

Ausbeutung hat Struktur

"Diese Schicksale sind keine Einzelfälle: Tausende Arbeitsmigranten, die in Katar beschäftigt sind, können ähnliche Geschichten erzählen und müssen oft mit leeren Händen in ihre Heimatländer zurückkehren", sagt Spöttl.

Konfrontiert mit den Vorwürfen gab der Geschäftsführer von Mercury MENA zu, dass Löhne angeblich aufgrund von unzuverlässigen Geschäftspartnern zu spät gezahlt worden seien, wies aber die Vorwürfe der Ausbeutung zurück. Allerdings liegt Amnesty die Korrespondenz zwischen Mercury MENA und Arbeitern vor, die belegt, dass das Unternehmen Gehaltsversprechungen machte, von denen es wusste, dass sie nicht zu halten wären.

"Amnesty ruft die Regierung von Katar auf sicherzustellen, dass die ehemaligen Arbeiter von Mercury MENA die ihnen zustehenden Löhne und Leistungen aus dem extra dafür eingerichteten Migrant Worker Welfare Fund ausbezahlt bekommen", sagt Spöttl.

Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist nicht genug

Amnesty fordert seit 2013 eine konsequente Reform des Sponsorensystems in Katar, um die Rechte von Arbeitsmigranten vor dem Gesetz und in der Praxis zu gewährleisten. Die Abschaffung der vorgeschriebenen Ausreiseerlaubnis für Arbeiter durch ihren Arbeitgeber im September 2018 ist ein erster Schritt, dem jedoch dringend weitere Verbesserungen folgen müssen, damit Katars Arbeitsgesetze den internationalen Standards entsprechen.

Amnesty fordert zudem die Heimatländer der Arbeitsmigranten dazu auf, ihre Staatsangehörigen bei der Einforderung der ausstehenden Gehälter juristisch zur Seite zu stehen. Arbeitsagenturen, die überhöhte Provisionen für die Arbeitsplatzvermittlung in Katar fordern, müssen geschlossen werden.

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