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Kolumbien: Staatliche Gewalt gegen friedlich Protestierende ist unrechtmäßig

Ein neuer Bericht von Amnesty International belegt, dass die Regierung mit unrechtmäßiger Gewalt gegen friedliche Proteste in Kolumbien vorgeht. Hunderte Protestierende und Menschenrechtsverteidiger_innen berichteten der Menschenrechtsorganisation von Tränengas und tödlichen Waffen, von willkürlichen Verhaftungen, Angriffen durch bewaffnete Zivilpersonen mit Zustimmung der Polizei sowie Folter seit Beginn des Generalstreiks in Cali im April 2021.
Amnesty International belegt in dem am Freitag veröffentlichten Bericht "Cali: En el epicentro de la represión" menschenrechtswidrige Praktiken, die die Regierung gegen Demonstrierende in Kolumbien einsetzt. Dazu gehören der Einsatz tödlicher Waffen, der exzessive und unrechtmäßige Einsatz von Tränengas sowie willkürliche Inhaftierungen und Folter. Dabei kooperierten Polizeikräfte immer wieder mit bewaffneten Zivilpersonen. Die dokumentierten Fälle stehen stellvertretend für hunderte von weiteren Berichten von Demonstrierenden, Menschenrechtsverteidiger_innen und Vertreter_innen zivilgesellschaftlicher Organisationen und veranschaulichen das gewaltsame Vorgehen der kolumbianischen Sicherheitskräfte im ganzen Land.
Matthias Schreiber, Experte für die Region Amerikas von Amnesty International in Deutschland, sagt: "Unter dem Vorwand, die öffentliche Ordnung wiederherzustellen, wurden bei den Protesten in Kolumbien hunderte Menschen schwer verletzt. Dutzende junge Menschen haben ihr Leben verloren. Was in Cali passiert ist, macht die gewaltsame Reaktion der Behörden auf die Proteste überdeutlich und offenbart die wahren Ziele hinter dem repressiven Vorgehen: Angst zu schüren, Menschen davon abzuhalten, friedlich zu protestieren und diejenigen, die für ein faireres Kolumbien eintreten, zu bestrafen. Die kolumbianische Regierung muss unmissverständlich anordnen, dass staatliche Sicherheitskräfte friedliche Proteste nicht länger gewaltsam unterdrücken dürfen. Dazu gehört auch, dass die Regierung den Einsatz potenziell tödlicher Waffen zur Auflösung von Menschenansammlungen verbietet und sicherstellt, dass Tränengas nicht gegen friedlich Protestierende eingesetzt wird."
Für den Bericht hat Amnesty International über 500 Mitschnitte und weiteres audiovisuelles Material ausgewertet, das bestätigt, dass Polizist_innen, insbesondere Angehörige der Mobilen Einheit zur Aufstandsbekämpfung (ESMAD), bei den Protesten übermäßige und unnötige Gewalt einsetzen. Außerdem dokumentiert die Menschenrechtsorganisation Angriffe auf Demonstrierende und Menschenrechtsverteidiger_innen durch bewaffnete paramilitärisch organisierte Gruppen, die die Einheiten der Polizei begleiten und mit deren Zustimmung handeln.
Der Bericht dokumentiert detailliert drei exemplarische Fälle von Menschenrechtsverletzungen in Cali. Die Übergriffe spiegeln ein Muster der Gewalt seitens der kolumbianischen Behörden wider, die auf die Proteste mit Stigmatisierung, Kriminalisierung und Militarisierung sowie mit unrechtmäßiger Repression und Gewalt durch die Polizei reagiert haben.
Schreiber sagt: "Wir fordern, dass die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen und Völkerrechtsverstöße, die bei den Protesten in Kolumbien begangen wurden, gründlich und von unabhängigen und unparteiischen Stellen aufgearbeitet werden. Es ist dringend notwendig, dass dabei auch die Verantwortlichkeiten von Befehlshabenden in der Kommando-Hierarchie der Polizei ermittelt werden. Alle Straftaten müssen untersucht werden, die bewaffnete Zivilpersonen gegen Protestierende begangen haben, im Beisein und mit stillschweigender Zustimmung von staatlichen Sicherheitskräften."
Amnesty International fordert zudem, sich an die 30 Regeln zum Einsatz von chemischen Reizstoffen bei Polizeieinsätzen zu halten, die die Organisation ebenfalls diesen Freitag veröffentlicht.
Hintergrund
Der Bericht dokumentiert detailliert drei Fälle von Menschenrechtsverletzungen in Cali. Der erste Fall bezieht sich auf den Einsatz tödlicher Waffen gegen friedlich Demonstrierende am 3. Mai in Siloé, einem marginalisierten Stadtviertel von Cali. An diesem Vorfall waren Polizist_innen, Angehörige der ESMAD sowie des Spezialeinsatzkommandos der kolumbianischen Polizei beteiligt. In dieser Nacht wurden mindestens drei Todesopfer verzeichnet, die durch Schussverletzungen starben. Außerdem verwendeten die Polizeikräfte sogenannte Venom-Projektile, die für Polizeieinsätze völlig ungeeignet sind. Mit diesen High-Tech-Projektilen werden mehrere Kartuschen mit Tränengas, Reizgas oder Schock- und Blendmunition gleichzeitig verschossen.

Der zweite untersuchte Vorfall ist ein Angriff am 9. Mai auf die Minga Indígena, einem Protestmarsch zahlreicher indigener Gruppen zur Unterstützung des Generalstreiks. An diesem Tag wurden elf Indigene verletzt, darunter die Menschenrechtsverteidigerin Daniela Soto.
Der dritte Fall bezieht sich auf den 28. Mai, als Polizei und bewaffnete Zivilpersonen, die mit den Polizeikräften zusammenarbeiteten, mit exzessiver Gewalt gegen Demonstrierende in der Nähe einer staatlichen Universität vorgingen. Ein Dutzend junger Protestierender wurde von bewaffneten Gruppen in Zivil zusammengeschlagen, festgehalten und anschließend der Polizei übergeben. Zwei der Betroffenen gaben an, während ihrer unrechtmäßigen Festnahme gefoltert oder grausam und unmenschlich behandelt worden zu sein.
Cali ist die Hauptstadt des Departamentos Valle del Cauca. Sie liegt inmitten einer der am stärksten vom internen bewaffneten Konflikt in Kolumbien betroffenen Regionen. Tausende Menschen wurden vertrieben oder getötet. Verschiedene bewaffnete Gruppen sind hier auch weiterhin aktiv. Zudem ist Cali die Stadt mit dem zweitgrößten afro-lateinamerikanischen Bevölkerungsanteil in Lateinamerika und ist von Ungleichheit, Ausgrenzung und strukturellem Rassismus geprägt. Diese Rahmenbedingungen haben dazu beigetragen, dass Cali zum Epizentrum der Proteste wurde – und zu der Stadt, aus der die massivsten Menschenrechtsverletzungen bei deren versuchter Unterdrückung gemeldet wurden.