DEINE SPENDE KANN LEBEN RETTEN!
Mit Amnesty kannst du dort helfen, wo es am dringendsten nötig ist.
DEINE SPENDE WIRKT!
MENSCHENRECHTE SCHÜTZEN!
Wir setzen uns für den Schutz von bedrohten Aktivist*innen ein, stellen klare Forderungen an die Politik.
UNTERSTÜTZE UNSERE ARBEIT MIT DEINER SPENDE.
Bericht aus Gaza: "Es zerreißt uns das Herz, mitanzusehen, wie unsere Kinder hungern"
Im Stadtteil Al-Rimal von Gaza-Stadt warten palästinensische Kinder auf Essen (22. Mai 2025).
© IMAGO / NurPhoto
Zehntausende Tote, eine unfassbare Zerstörung: Die humanitäre Lage in Gaza ist katastrophal. Auch die lokalen Mitarbeiter*innen von Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen sind davon betroffen. Für Amnesty International sind sie unter anderem im Einsatz, um Menschenrechtsverletzungen in Gaza zu dokumentieren – oft unter Einsatz ihres Lebens. Der folgende Beitrag eines Mitarbeiters von Amnesty International ist ein erschütterndes Zeugnis des täglichen Hungers in Gaza, der Vertreibung und der zerstörten Hoffnung auf einen Waffenstillstand.
Der Name des Verfassers bleibt aus Sicherheitsgründen ungenannt.
Als der Waffenstillstand in Gaza verkündet wurde, waren wir überglücklich, wieder in unser Haus im Norden zurückkehren zu können. Als wir uns am 8. Februar 2025 unserem Haus näherten, haben wir jedoch mehr Angst als Freude verspürt – Angst, das Haus könnte völlig zerstört worden sein. Glücklicherweise stand es jedoch noch, auch wenn einige Granaten die Vorderseite des Hauses getroffen hatten und an den Wänden Brandspuren zu sehen waren.
Drinnen gab es jedoch keine Möbel mehr. Von den Kleidungsstücken, die wir bei unserer Vertreibung im Oktober 2023 zurückgelassen hatten, waren keine mehr da. Nicht einmal Küchengeräte waren noch vorhanden. Das Haus war geplündert worden. Wir sind trotzdem geblieben. Wir haben geputzt, aufgeräumt und repariert, ein paar Möbel gekauft. Wir haben versucht, das Beste aus der Situation zu machen, und konnten weitere drei Monate dort leben. In dieser Zeit hatten wir Mühe, Trinkwasser zu beschaffen – aber zumindest mussten wir während des Waffenstillstands nicht jederzeit mit dem Tod rechnen.
"Es gab kein Mehl, keine Lebensmittel"
Doch der Waffenstillstand wurde gebrochen, und der Krieg kehrte zurück, um sich das zu holen, was von unserer Seele noch übrig war. Mittlerweile waren die Grenzübergänge geschlossen, die Preise stiegen, und nach und nach gab es keine Waren mehr.
Ich hatte hinter dem Haus immer etwas Gemüse wie Minze, Kürbis, Chilischoten, Auberginen und Basilikum angepflanzt, um etwas zu essen zu haben. Aber unser größtes Problem, der Hunger, kehrte zurück. Es gab kein Mehl, keine Lebensmittel. Über Nacht ist unser Leben zur Hölle geworden.
"Das israelische Militär stürmte unser Viertel"
Am 15. Mai 2025 stürmte das israelische Militär unser Viertel und überzog das Gebiet mit wahllosem Granatenbeschuss. Wir sind während der Angriffe geflüchtet, ohne irgendetwas mitzunehmen. Wir sind auf die Straße gelaufen und ziellos auf einem unbekannten Weg umhergeirrt. Uns wurde klar, dass uns wieder das schwerste Leid drohte – die Vertreibung.
Wir haben im Haus meiner Tochter in Gaza-Stadt Zuflucht gefunden. Das Haus ist klein: zwei Zimmer, ein kleines Wohnzimmer und eine Küche. Sie, ihr Mann und ihre beiden Kinder haben das eine Zimmer und wir das andere genommen.
"Es gibt nichts, was uns am Leben erhalten könnte."
Nach drei Monaten geschlossener Grenzübergänge war der Preis für Mehl, wenn es denn überhaupt zu bekommen war, unvorstellbar hoch. Um Bargeld abzuheben, musste man eine Gebühr von bis zu 45 Prozent zahlen. Bei einer so großen Familie wie der meinen sind die Ausgaben sehr hoch. Viele Lebensmittel waren auf den Märkten gar nicht mehr zu haben. Wir sehnen uns nach vielen Lebensmitteln und haben seit Monaten kein Fleisch, Huhn und auch keine Süßigkeiten mehr gegessen. Wir erleben eine schwere Hungersnot.
Es zerreißt uns das Herz, mitansehen zu müssen, wie unsere Kinder hungern. Es gibt nichts, was uns am Leben erhalten könnte. Gaza ist unbewohnbar geworden. Unsere Lebensumstände sind demütigend und erniedrigend.
Palästinenser*innen in Khan Yunis im Gazastreifen haben am 23. Juli 2025 Säcke mit Mehl vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen erhalten.
© IMAGO / Anadolu Agency
Auch wenn begrenzte Hilfe in den Gazastreifen gelangt, reicht diese längst nicht aus, um den enormen Bedarf zu decken, und die wenigen Hilfen, die ankommen, erreichen nur sehr wenige Menschen.
Ich schäme mich nicht, es öffentlich zu sagen: Ich habe Hunger, genauso wie meine Familie und meine Kinder.
Ich sage, wie es ist. Wir können den Schmerz des Hungers nicht mehr ertragen.
Wir sind nicht schwach – aber der Krieg hat unsere Knochen gebrochen und die Belagerung unsere Mägen ausgehöhlt.
Wir sind keine Bettler. Wir sind Menschen, die Menschenrechte haben. Wir sind Menschen dieses Landes.
Wir werden belagert. Wir werden ausgehungert.
Ich habe gesagt, was ich denke und fühle – was alle hier in Gaza denken und fühlen. Unsere Kinder sind hungrig, und wir kämpfen ums Überleben. Kämpfen, um einen kleinen Bissen zu essen. Kämpfen ums Überleben.
Ich bin ein Mensch. Ich bin ein Vater, ein Bruder, ein Nachbar.
Ich kenne den Schmerz der Menschen, weil ich ihn ständig selbst erlebe.
Nachdem wir beim letzten Einmarsch aus unserem Haus im Norden vertrieben wurden, sind die israelischen Streitkräfte für kurze Zeit in unser Viertel vorgerückt und haben jedes einzelne Haus zerstört. Auch unser Haus. Es wurde brutal zerstört. Sie haben unsere Erinnerungen in diesem Haus zerstört, jeden Moment, den wir dort neun Jahre lang gelebt haben.
"Wir sterben nicht nur durch die Bomben. Wir sterben auch vor Hunger."
Wir hatten ein wunderschönes, warmes und friedliches Haus. Davor war ein kleines Stück Land, auf dem wir Gemüse, Oliven und Thymian angepflanzt haben. Wir hatten einen Hühnerstall und einen Platz, an dem wir am Abend sitzen konnten. Es ist nichts mehr da. Kein Haus, kein Land, um es zu bepflanzen. Wir sterben nicht nur durch die Bomben. Wir sterben auch vor Hunger.
Der Hunger hat Häuser zerstört, die Älteren wie Kinder zum Weinen gebracht und Brot zu einem Traum werden lassen.
Wir haben den Abwurf von Hilfsgütern aus der Luft kritisiert. Er war gefährlich und ineffektiv, und in einigen Fällen kam es sogar zu Todesfällen durch abgeworfene Konservendosen. Doch es hat sich herausgestellt, dass diese Methode gnädiger war als die jetzige Verteilungsmethode, die jeden Tag Dutzende von Menschenleben fordert.
Demütigung. Erniedrigung. Tod. Gewalt. Blut. Leid. Trauer.
Wir sind lebende Tote, eingehüllt in unsere Leichentücher.
Es geht uns nicht gut.
Hintergrund: Humanitäre Krise in Gaza spitzt sich zu
Seit mehr als 21 Monaten beobachtet die Welt im besetzten Gazastreifen ein unbegreifliches Ausmaß an Tod und Zerstörung. Israels brutale Offensive gegen die Palästinenser*innen im Gazastreifen nach dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 hat Zehntausende Menschen getötet, ganze Familien ausgelöscht, Wohnviertel dem Erdboden gleichgemacht und wichtige Infrastruktur zerstört. Fast die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens wurde vertrieben. Eine humanitäre Katastrophe, die ihresgleichen sucht.
Humanitäre Helfer*innen ebenso von Hunger, Vertreibung und Gewalt betroffen
Die Situation ist so dramatisch, dass selbst humanitäre Helfer*innen und ihre Familien hungern und sich für die Essensausgabe anstellen müssen. Davon betroffen sind auch (oftmals palästinensische) Mitarbeiter*innen von Amnesty International, die im Gazastreifen Menschenrechtsverletzungen dokumentieren – sogenannte "Fieldworker". Ihre Arbeit ist von entscheidender Bedeutung, da sie oft Zugang zu Orten haben, die selbst für Journalist*innen unerreichbar sind.
Sie sammeln Beweise, führen Interviews mit Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen und erstellen Berichte. Gleichzeitig versuchen sie, ihre Familien zu schützen und das zu bewahren, was von ihrem Leben unter dem anhaltenden Völkermord Israels noch übrig ist. Sie gehen dabei extreme persönliche Risiken ein – auch deshalb schützt Amnesty ihre Anonymität.
Ob Mitarbeiter*innen von Hilfsorganisationen oder die Zivilbevölkerung: Sie alle leiden unter Hunger, Vertreibung und der ständigen Lebensgefahr durch israelische Angriffe. Die Versorgung der über zwei Millionen Menschen im Gazastreifen ist zusammengebrochen, obwohl Hilfsgüter in Lagerhäusern direkt vor und sogar in Gaza bereitstehen. Die Folgen sind verheerend: Menschen sterben bei dem Versuch, an Essen zu gelangen, fast die gesamte Bevölkerung wurde gewaltsam auf engsten Raum vertrieben, und akute Unterernährung sowie Krankheiten breiten sich rasant aus.
Weltgemeinschaft muss endlich handeln, um das Leid der Palästinsenser*innen zu beenden
Ein Bündnis von 109 Organisationen, darunter Amnesty International, hat daher einen dringenden Appell an die Weltgemeinschaft gerichtet. Sie fordern einen sofortigen Waffenstillstand, die Öffnung aller Grenzübergänge und ein Ende der Belagerung, um eine von den Vereinten Nationen geführte, ungehinderte Hilfslieferung zu ermöglichen und Menschenleben zu retten.
In einem aktuellen Briefing fordert Amnesty International außerdem, dass eine anstehende hochrangige UN-Konferenz über die Zukunft der palästinensischen Bevölkerung die Anwendung des Völkerrechts in den Mittelpunkt stellen muss. Die Staaten müssen wirksame Maßnahmen ergreifen und den notwendigen Druck auf Israel ausüben, um den anhaltenden Völkermord an den Palästinenser*innen im Gazastreifen zu beenden, die unmenschliche Blockade aufzuheben und das System der Apartheid abzubauen.

