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"Dass Zahra tatsächlich freikam, hat mich sprachlos gemacht"
Die iranische Aktivistin Zahra Sedighi-Hamadani und Sven Lehmann, Queer-Beauftragter der Bundesregierung, in Köln (undatiertes Foto).
© Sven Lehmann
Die iranische Menschenrechtsaktivistin Zahra Sedighi-Hamadani machte sich öffentlich für die Rechte der LGBTI-Gemeinschaft stark. 2021 wurde sie festgenommen und später zum Tode verurteilt. Nach internationalen Protesten, unter anderem von Amnesty International, kam sie im März 2023 frei. Rupert Haag, Sprecher der Amnesty-Gruppe Queeramnesty, erklärt die Bedeutung des Falls für die LGBTI-Community und deren Unterstützer*innen.
Zahra Sedighi-Hamadani kam am 18. März 2023 frei und hält sich jetzt in Deutschland auf. Wie ist ihr die Flucht gelungen?
Viel wissen wir darüber nicht. Offiziell haben wir dies von Sven Lehmann erfahren, dem Queer-Beauftragten der Bundesregierung. Er teilte am 21. Dezember 2023 eine Nachricht inklusive Selfie, das ihn mit Zahra vor dem Kölner Dom zeigt. Sven Lehmann hatte zuvor die politische Patenschaft für Zahra übernommen und gemeinsam mit Amnesty ihre Freilassung gefordert.
Sie wurde Ende 2021 festgenommen, als sie versuchte, den Iran zu verlassen. Warum geriet sie ins Visier der Behörden?
Zahra ist eine engagierte und gut vernetzte Aktivistin. Sie hat ihre Forderungen nach mehr Rechten für die LGBTI-Community regelmäßig in sozialen Netzwerken wie Instagram und 6Rang geteilt. Die iranische Gesellschaft ist in diesen Fragen sehr gespalten: Die jüngere Generation ist offen und liberal – was sich auch in den jüngsten Protesten "Frau, Leben, Freiheit" widerspiegelt. Die ältere Generation hat mehr Vorurteile gegenüber Homosexualität. Diese Kluft versucht Zahra zu überwinden. Im Iran kann allein die Aussage, dass homosexuelle Handlungen selbstverständlich sind, zu Strafverfolgung, Folter und sogar zur Todesstrafe führen. Zahra wurde auf dieser Grundlage Anfang August 2022 der "Verdorbenheit auf Erden" für schuldig befunden.
Wirkt sich die Niederschlagung der Proteste "Frau, Leben, Freiheit" im Iran auch auf die Verfolgung von LGBTI+ aus?
Die Religionspolizei ist viel präsenter geworden. Menschen, die dem Regime schon zuvor in irgendeiner Weise nicht gepasst haben, geraten jetzt noch mehr ins Visier. Dazu gehören auch queere Menschen. Wir erhalten aus der ganzen Welt Hilferufe von LGBTI+, die ihr Land verlassen wollen, weil sie sich nicht mehr sicher fühlen und um ihr Leben fürchten. Aber die meisten Anfragen kommen aus dem Nahen Osten, einige aus dem Iran.
Was hat Queeramnesty unternommen, um Zahra zu helfen?
Wir haben im Abstand von einigen Monaten zwei Urgent Actions gestartet und sie an unsere Netzwerke geschickt – unser E-Mail-Verteiler umfasst derzeit etwa 700 Adressen. Darunter sind Einzelpersonen, NGOs und andere Netzwerke. Auch lokale Amnesty-Gruppen wie die Hamburger Queeramnesty-Gruppe haben fleißig mitgemacht. Wir haben Veranstaltungen und eine Mahnwache organisiert. Eine Veranstaltung im Berliner Gorki-Theater mit prominenten Gästen hat Zahras Fall noch mehr Öffentlichkeit gebracht. Außerdem haben wir uns mit dem iranischen Netzwerk 6Rang koordiniert, um gemeinsam ihre Freilassung zu fordern. Und ganz wichtig zu erwähnen ist der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, der mit der iranischen Botschaft in Kontakt stand.
Glaubst du, dass eure Aktionen etwas bewirken konnten?
Ich bin eigentlich immer optimistisch, aber im Fall von Zahra hatte ich ein schlechtes Gefühl. Wir arbeiten schon sehr lange zum Iran, ich habe viele iranische Freund*innen. Daher wissen wir, wie lebensbedrohlich die Situation für LGBTI+ dort ist. Seit ich in der Queeramnesty-Gruppe bin, seit fast 30 Jahren, hatten wir noch nie einen Erfolg im Iran. Die Nachricht, dass Zahra tatsächlich freigelassen und das Todesurteil aufgehoben wurde, hat mich sprachlos gemacht. Wir haben uns alle so gefreut. Ich kann nur unterstreichen: Es mag manchmal so aussehen, als würde eine Petitionsliste oder Urgent Action nichts bewirken. Aber man muss es trotzdem versuchen, auch wenn die Situation noch so aussichtslos erscheint. Auch der kleinste Einsatz kann etwas bewirken. Das hat uns Zahras Fall deutlich gezeigt.
Hintergrund
Die iranischen Revolutionsgarden nahmen Zahra Sedighi-Hamadani Ende 2021 nahe der iranischen Grenze fest, als sie versuchte, in der Türkei Asyl zu beantragen. Elham Choubdar wurde einige Zeit später festgenommen. Beide wurden Anfang August 2022 zum Tode verurteilt, nachdem das Revolutionsgericht in Urmia in der Provinz West-Aserbaidschan sie in grob unfairen Gerichtsverfahren der "Verdorbenheit auf Erden" für schuldig befunden hatte.
Das iranische Strafgesetzbuch kriminalisiert einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und zwischen Minderjährigen. Sie werden mit folterähnlichen Körperstrafen und der Todesstrafe geahndet. Ende Dezember 2022 hob der Oberste Gerichtshof die Todesurteile gegen Zahra Sedighi-Hamadani und Elham Choubdar auf und ordnete ein Wiederaufnahmeverfahren an. Am 13. März 2023 wurde Elham Choubdar gegen Kaution freigelassen, Zahra Sedighi-Hamadani am 18. März.