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Kontrolle wird ausgeweitet

Im Herbst wird gewählt, und das politische Russland wird nervös. Das bekommen auch Gefangene wie Alexej Nawalny und Nikolaj Platoschkin zu spüren.
Von Peter Franck
Vor der Parlamentswahl im September schränken Behörden und Gesetzgeber die Handlungsfähigkeit der Opposition und der unabhängigen Zivilgesellschaft drastisch ein. Die Umfragewerte für die Kreml-Partei Einiges Russland sinken kontinuierlich und die Nervosität der Machthabenden steigt: Ende Februar sollen nach Angaben des unabhängigen Umfrageinstituts Levada noch 27 Prozent der Wählerinnen und Wähler bereit gewesen sein, für Einiges Russland zu stimmen. Das lässt befürchten, dass zur Absicherung einer verlässlichen Machtbasis der Regierung im Parlament Wahlmanipulationen erforderlich werden könnten, was nach den Parlamentswahlen 2011 zu Massenprotesten geführt hatte.
Den Preis für diese Nervosität zahlt derzeit vor allem Alexej Nawalny. Gerade einem Giftanschlag entkommen, setzte er sich mit seiner Rückkehr nach Russland dem Zugriff des Staates aus, der nach einer ganzen Reihe von Indizien für diesen Anschlag verantwortlich sein könnte. Und die Staatsorgane griffen zu. Sie nahmen den freiwillig zurückgekehrten Nawalny wegen angeblicher Fluchtgefahr sofort in Haft. Mit der fadenscheinigen Begründung der Missachtung von Weisungen, die ihm im Rahmen einer Bewährung auferlegt worden waren, wird die nach einem früheren Verfahren wegen Betrugs verhängte Haftstrafe nun vollstreckt.
Es ist klar: Nawalny soll vor der Wahl aus dem Verkehr gezogen werden. Sein bei den Regionalwahlen im vergangenen Jahr wirksam erprobtes System, bei dem der jeweils aussichtsreichste Oppositionskandidat unabhängig von seiner Partei unterstützt wird, soll ebenso ausgeschaltet werden. Weitere Veröffentlichungen, die den Machtmissbrauch einer korrupten Elite thematisieren, sollen verhindert werden. Amnesty International ist überzeugt:
Auch viele seiner Mitstreiterinnen und Mitstreiter werden verfolgt. Sie wurden festgenommen, befinden sich in Hausarrest und sehen sich neuerdings mit dem strafrechtlichen Vorwurf der "Anstiftung zu massenhaften Verstößen gegen die Coronavirus-Beschränkungen" konfrontiert. Dafür drohen ihnen bis zu zwei Jahre Haft.
Weniger bekannt als Nawalny ist Nikolaj Platoschkin. Der dem linken Spektrum zuzuordnende Oppositionspolitiker und Vorsitzende der Bewegung für einen neuen Sozialismus hatte 2009 bei Nachwahlen zur Duma im fernöstlichen Chabarowsk den zweiten Platz belegt und dabei die Kreml-Partei geschlagen. Anfang Juni 2020 wurde der frühere Diplomat verhaftet und befindet sich seitdem in Hausarrest.
Im November 2020 wurde wegen seiner Kritik an unzureichenden Corona-Schutzmaßnahmen Anklage gegen ihn erhoben. Zur Last gelegt werden ihm die Anstiftung zu Massenunruhen und die Verbreitung von falschen Informationen. Ihm droht eine mehrjährige Haftstrafe. Nach schweren Erkrankungen ist er darauf angewiesen, seine Wohnung zu verlassen und sich an der frischen Luft zu bewegen. Auch in seinem Fall ist Amnesty International davon überzeugt, dass er allein wegen seiner politischen Überzeugungen verfolgt wird und fordert die sofortige und bedingungslose Aufhebung des Hausarrests.
Neben den Behörden wurde kurz vor der Jahreswende auch der russische Gesetzgeber aktiv. Das Parlament verabschiedete ein ganzes Paket von inzwischen zum großen Teil schon in Kraft getretenen Gesetzen, die darauf abzielen, oppositionelles wie unabhängiges zivilgesellschaftliches Engagement weiter zu beschränken. Jede und jeder kann von Ausweitungen der Vorschriften über "ausländische Agenten" oder erweiterten Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten im Hinblick auf die Arbeit von NGOs betroffen sein.
Peter Franck ist Russland-Experte von Amnesty International in Deutschland.
HINTERGRUND
Ende Februar stieß die Entscheidung des Internationalen Sekretariats von Amnesty International, Alexej Nawalny nicht mehr als "gewaltlosen politischen Gefangenen" zu bezeichnen, auf viel Kritik. Auch die deutsche Sektion wurde überrascht und bringt sich seitdem in den auf internationaler Ebene laufenden Diskussionsprozess ein. Die Kontroverse darf nicht davon ablenken, dass sich an der Beurteilung des Falles nichts geändert hat; Nawalny befindet sich aus politischen Gründen in Haft und ist sofort und bedingungslos freizulassen. Seit dem 7. Mai ist Alexej Nawalny für Amnesty International wieder ein "gewaltloser politischer Gefangener".