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Deutschland: 26 Organisationen legen Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs vor
Demonstration in Berlin für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen (21. September 2024)
© Amnesty International, Foto: Stephane Lelarge
Wissenschaftlerinnen und ein Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Organisationen, darunter Amnesty International, legen einen Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches in Deutschland vor. Dieser Schritt zeigt, dass eine verfassungskonforme Gesetzesänderung, die sich der Einhaltung menschenrechtlicher Standards nähert, bereits jetzt umgesetzt werden kann und muss. Bundesregierung und Bundestag sind aufgefordert, diesen Impuls zu nutzen und selbstbestimmte Schwangerschaftsabbrüche endlich rechtmäßig zu stellen.
Ehemalige Mitglieder der Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin stellen heute gemeinsam mit 26 Verbänden und Organisationen einen Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs vor, der ungewollt Schwangere, die sich für eine Abtreibung entscheiden, durch verbesserte Beratung und medizinische Versorgung unterstützt und schützt. Eine Reform muss erfolgen – das haben die Empfehlungen von Menschenrechtsgremien und die Arbeit der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin deutlich gemacht. Der Gesetzentwurf zeigt, wie Schwangerschaftsabbruch in Deutschland endlich in Einklang mit dem Grundgesetz, den Menschenrechten der Betroffenen und der internationalen Gesundheitsevidenz geregelt werden kann.
Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, sagt:
"Dieser Gesetzentwurf zur Regelung von selbstbestimmten Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafrechts ist ein erster wichtiger Schritt zur Einhaltung menschenrechtlicher Standards, nämlich hin zu einer vollständigen Entkriminalisierung. Zu einer gleichberechtigten Gesellschaft gehört der Zugang zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch. Die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen stammt noch aus der Kaiserzeit, in der Frauen in Deutschland weder das Wahlrecht hatten noch über ihren Körper bestimmen durften. Doch die Menschenrechte, die wir alle von Geburt an besitzen, dürfen uns nicht genommen werden, sobald wir schwanger sind. Stattdessen sollte sich Deutschland an menschenrechtlichen Standards orientieren und es anderen Ländern gleichtun: In den letzten 30 Jahren haben mehr als 50 Länder Gesetze geändert, um einen besseren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu ermöglichen. In Argentinien, Kolumbien und Mexiko ist Abtreibung in den letzten Jahren rechtmäßig geworden. In Frankreich ist die Freiheit für einen Schwangerschaftsabbruch seit dem diesjährigen Weltfrauentag sogar in der Verfassung verankert."
Der Gesetzentwurf wurde federführend von den an der Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin beteiligten Juristinnen Prof. Dr. Liane Wörner, Prof. Dr. Maria Wersig und Prof. Dr. Friederike Wapler im Auftrag einer Gruppe von 26 zu diesem Thema maßgeblichen Verbänden und Organisationen und in Zusammenarbeit mit diesen erstellt. Die vorgeschlagenen Regelungen basieren auf den Empfehlungen der Kommission, internationaler Menschenrechtsgremien und internationaler Gesundheitsleitlinien und sie berücksichtigen die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung.
Der Gesetzentwurf rückt die eigenverantwortliche Entscheidung der Schwangeren in den Mittelpunkt. Die Beendigung einer ungewollten Schwangerschaft auf ihr Verlangen wird bis zum Ende der 22. Woche der Schwangerschaft rechtmäßig gestellt. Die vorgeschlagenen Regelungen verankern das Recht Schwangerer, ohne Zwang zu entscheiden, welche Beratungsangebote und medizinischen Leistungen sie in Anspruch nehmen wollen. Bislang bestehende Zugangsbarrieren zum sicheren Schwangerschaftsabbruch in Form von Beratungspflicht, Wartefrist und fehlender Kostenübernahme entfallen.
Rechtsansprüche Schwangerer auf Beratung und Versorgung und der Sicherstellungsauftrag der Länder diesbezüglich sind im Schwangerschaftskonfliktgesetz verankert. Dort ist auch der Anspruch auf Sprachmittlung bei der Beratung und die Verpflichtung von Ärzt*innen und Fachkräften in der ärztlichen und geburtshilflichen Versorgung, Schwangere auf professionelle Beratungsangebote hinzuweisen geregelt. Zum Schutz Schwangerer werden im Strafrecht neben der Nötigung zum Schwangerschaftsabbruch der Schwangerschaftsabbruch gegen oder ohne ihren Willen sowie die Nötigung zum Unterlassen eines Schwangerschaftsabbruchs neu geregelt.
Gemeinsam mit den anderen 25 beteiligten Organisationen und Verbänden fordert Amnesty International den Bundeskanzler, die Bundesminister*innen und die Bundestagsabgeordneten aller demokratischen Parteien auf, den Schwangerschaftsabbruch noch in dieser Legislaturperiode neu zu regeln. Der vorgelegte Gesetzentwurf ist ein Impuls dafür.