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Extrem scharf geschossene Bilder
Ausgezeichnet: Regisseur Michael McEvoy
© Henning Schacht/Amnesty
Der Film "Tell Spring Not to Come This Year" hat bei der diesjährigen Berlinale den Amnesty-Preis gewonnen. Der Dokumentarfilm über Afghanistans Armee setzte sich gegen starke Konkurrenten durch.
Von Jürgen Kiontke
Ich glaube an Gott – weil ich ihn fürchte!" Der junge afghanische Soldat macht sich über seine Arbeit keine Illusionen: Ein 24-Stunden-Einsatz werde das hier, haben seine Vorgesetzten gesagt. Eine Texteinblendung korrigiert: Es werden 45 Tage. Wie sich die afghanische Armee bei der Sicherung ihres Landes schlägt, ist Thema des Dokumentarfilms "Tell Spring Not to Come This Year" (GB 2015).
Und die Amnesty-Jury, bestehend aus dem Regisseur Marcus Vetter, der Schauspielerin Sibel Kekilli und dem Leiter der Abteilung Kommunikation und Kampagnen von Amnesty International, Markus Beeko, hat diesen Film für preiswürdig befunden.
Die Regisseure Saeed Taji Farouky und Michael McEvoy begleiteten die Soldaten bei Übungen und Einsätzen in der Provinz Helmand. Jetzt, wo die internationalen Truppen abgezogen sind, kämpfen sie gegen die Taliban. Dazwischen schildern die Männer ihre Vorstellungen von Gegenwart und Zukunft, die Arbeitslosigkeit hat sie in die Armee getrieben.
Die Kamera ist dabei, wenn sich die Soldaten in den Unterkünften langweilen, aber auch in den Gefechten. Und zwar so nah dran, dass man sich wundert, wie die Filmemacher ihre Arbeit überlebt haben. Den Soldaten gelingt das nicht immer. Der Film enthält sehr explizite Szenen – Menschen werden vor laufender Kamera angeschossen.
Auch sonst gilt: Der Alltag ist irrwitzig. So durchforsten die Einsatzkräfte riesige Opiumplantagen auf der Suche nach Aktivisten, die jede Nacht auf die Kaserne schießen – als wäre es ein Jungenstreich. Was werden sie hier ausrichten? Das gefährliche Leben bringt durchaus realistische Einschätzungen hervor. "Wir haben keine Angst, sondern unseren Sold nicht bekommen", sagen sie. Und das seit neun Monaten.
Der Frühling soll nicht kommen, heißt es im Film. Denn sonst überdecken die Blumen, allen voran die Mohnblumen für die Opiumproduktion, das Leid. Spätestens dieser Kommentar macht das Werk wohl zu einem dezidierten Antikriegsfilm.
So beeindruckend er ist – es bleibt ein Film über eine Armee. Die 16 Filme, die für den Amnesty-Filmpreis auf der Berlinale nominiert waren, boten da durchaus Alternativen. "Mina Walking" zum Beispiel ist ebenfalls ein Film über Afghanistan, aber aus der Perspektive eines zwölfjährigen Mädchens erzählt.
Mina pflegt zunächst den dementen Großvater, kämpft mit dem ansässigen Drogendealer, der die Abhängigkeit ihres Vaters ausnutzt. Später dann will der sie an einen Bekannten verhökern. Mina kauft sich eine Burka und heuert in einer Bettelkompanie an. Ein bedrückendes und dennoch hoffnungsvolles Porträt.
Auch "Iraqi Odyssey" (CH/IRQ/ARE 2014) war ein starker Beitrag: Regisseur Samir erzählt die vergangenen siebzig Jahre irakischer Politik als Familienporträt. Und "Ode to My Father" (KOR 2014) von JK Youn leistet mit demselben Ansatz, aber als Spielfilm, Ähnliches, indem er die unbekannte Geschichte koreanischer Arbeiter und Krankenschwestern in deutschen Kohlegruben und Hospitälern schildert.
Im Wettbewerb dominierte der Film "Taxi" von Jafar Panahi, der auch den Goldenen Bären gewann. Es ist bereits der dritte Film des iranischen Regisseurs, der auf das Urteil des Berufungsgerichts wartet, nachdem er zu sechs Jahren Haft und 20 Jahren Berufsverbot verurteilt wurde. Das Land verlassen durfte er nicht, seinem Film gelang dies. Er gibt Panahis augenblickliche Situation wieder: Weil er als Regisseur nicht arbeiten darf, fährt er Taxi in Teheran – das Filmemachen erledigt er quasi nebenbei.
Die Kamera ist vorne im Wagen fixiert und filmt die Fahrgäste. So entsteht ein wunderbares Werk über den iranischen Alltag und das Kino, spätestens wenn die zehnjährige Nichte des Regisseurs ins Auto steigt: Denn sie dreht gerade im Unterricht einen Film und kann nun kompetent über die Gesetze der iranischen Regie referieren …
Die Amnesty-Jury hat "Tell Spring Not to Come This Year" vorgezogen. Sie war der Ansicht, dass der dokumentarische Blick intensiver war – von Regisseuren, die im Gefecht stehen.