Amnesty Report Libyen 22. Februar 2018

Libyen 2017/18

Report Cover 17/18

Sowohl militärische Kräfte der rivalisierenden Regierungen als auch bewaffnete Gruppen und Milizen begingen 2017 schwere Verletzungen des Völkerrechts und Menschenrechtsverstöße, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden. Alle Konfliktparteien verübten wahllose sowie gezielte Angriffe auf dichtbesiedelte Gebiete, die zum Tod von Zivilpersonen und rechtswidrigen Tötungen führten. Tausende Menschen wurden von bewaffneten Gruppen verschleppt, willkürlich festgenommen und zeitlich unbegrenzt inhaftiert. In den Gefängnissen waren Folter und andere Misshandlungen an der Tagesordnung. Dies galt auch für Hafteinrichtungen unter Kontrolle bewaffneter Gruppen und Milizen. Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchende wurden Opfer schwerer und systematischer Menschenrechtsverletzungen und -verstöße durch Angehörige staatlicher Stellen, Schleuser und bewaffnete Gruppen. Frauen waren Diskriminierung ausgesetzt, indem u. a. ihr Recht auf Bewegungsfreiheit willkürlich eingeschränkt wurde. Die Todesstrafe blieb in Kraft, 2017 gab es jedoch keine Berichte über Hinrichtungen.

HINTERGRUND

Die konkurrierenden Regierungen und Hunderte von Milizen und bewaffneten Gruppen kämpften 2017 weiterhin um die Vorherrschaft und die Kontrolle über bestimmte Gebiete, lukrative Handelsrouten sowie strategisch wichtige Militärstandorte. Die von den Vereinten Nationen gestützte Regierung der Nationalen Einheit baute 2017 ihre Machtposition in der Hauptstadt Tripolis weiter aus und gewann durch strategische Bündnisse und oft nach bewaffneten Auseinandersetzungen immer mehr an Boden. Die Revolutionäre Brigade von Tripolis und die Abu-Salim-Brigade, die beide dem Innenministerium der Regierung der Nationalen Einheit nahestanden, gewannen im Mai die Kontrolle über entscheidende Einrichtungen in Tripolis. Dazu zählten das Gelände des Hadba-Gefängnisses, in dem ehemalige hochrangige Beamte der Regierung Mu’ammar al-Gaddafis inhaftiert waren, und der Internationale Flughafen samt strategisch wichtigen Bereichen, wie der Straße zum Flughafen. Zuvor hatte eine Koalition von Milizen, die die rivalisierende Regierung der Nationalen Rettung unterstützte, die Kontrolle über diese Einrichtungen ausgeübt.

Die selbsternannte Libysche Nationalarmee unter dem Kommando von Khalifa Haftar festigte 2017 ihre Macht im Osten des Landes und konnte ihren Einflussbereich erheblich ausdehnen, nachdem sie die bewaffnete Gruppe Revolutionärer Rat von Bengasi besiegt und die Verteidigungsbrigaden Bengasis aus der Stadt Bengasi, vom Ölterminal Ras Lanuf und von der Militärbasis al-Jufra in der Wüste vertrieben hatte. Im Mai 2017 griff die Misrata-Miliz Third Force, mit Hilfe der Verteidigungsbrigaden Bengasis den Luftwaffenstützpunkt Brak al-Shati an. Dabei wurden 141 Menschen getötet, darunter auch Angehörige der Libyschen Nationalarmee. Mit Unterstützung der ägyptischen Luftwaffe übernahm die Libysche Nationalarmee erneut die Kontrolle über den Luftwaffenstützpunkt.

Das 2014 gebildete Komitee zur Ausarbeitung einer Verfassung verabschiedete im Juli 2017 einen Verfassungsentwurf. Es gab jedoch noch keinen Termin für eine Volksabstimmung über die neue Verfassung.

Im September und November 2017 flogen die USA mehrere Drohnenangriffe auf Stellungen der bewaffneten Gruppe Islamischer Staat (IS). Zielgebiet war u. a. die Gegend südlich von Sirte. Im Mai gab die bewaffnete Gruppe Ansar al-Shari’a in Libyen ihre Auflösung bekannt.

Im September verlängerte der UN-Sicherheitsrat das Mandat der UN-Unterstützungsmission in Libyen (United Nations Support Mission in Libya – UNSMIL) bis zum 15. September 2018. Der neuernannte UN-Sonderbeauftragte für Libyen, Ghassan Salamé, stellte einen Aktionsplan vor, der u. a. vorsah, das von den Vereinten Nationen vermittelte Libysche Politische Abkommen zu verbessern, eine Nationalkonferenz einzuberufen und 2018 Parlaments- und Präsidentschaftswahlen abzuhalten. Im Dezember 2017 bekräftigte der UN-Sicherheitsrat, dass er hinter dem Libyschen Politischen Abkommen stehe, da dies der einzige tragfähige Plan für die Übergangszeit sei.

INTERNER BEWAFFNETER KONFLIKT

2017 kam es im ganzen Land sporadisch zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Konfliktparteien. Bewaffnete Gruppen und Milizen verübten wahllose Angriffe auf dichtbesiedelte Gebiete, bei denen Zivilpersonen getötet wurden. Im Februar wurden bei Zusammenstößen zwischen Milizen im Stadtviertel Abu Salim in Tripolis zwei Zivilpersonen getötet, drei weitere erlitten Verletzungen, darunter ein Kind, das von einem Querschläger in den Kopf getroffen wurde. Im Juli 2017 brachen in der Nähe des Mitiga-Flughafens in Tripolis Kämpfe zwischen zwei Milizen um die Kontrolle einer örtlichen Ferienanlage aus. Die Milizen setzten in dichtbesiedelten Wohngebieten explosive Waffen mit großer Reichweite ein, darunter Panzerfäuste. In einem Fall landeten die raketengetriebenen Granaten auf einem nahe gelegenen Strand und töteten fünf Zivilpersonen – zwei Frauen und drei Kinder einer Familie. Ein Rechtsmediziner in Tripolis bestätigte, dass die Todesfälle durch Granatsplitter einer Panzerfaust verursacht worden waren.

Im März 2017 beendete die Libysche Nationalarmee die Belagerung einer Wohnanlage im Stadtteil Ganfouda in Bengasi durch einen Angriff und vertrieb damit die Verteidigungsbrigaden Bengasis aus einer ihrer letzten Hochburgen in der Stadt. Während der zweimonatigen Belagerung waren die Bewohner des Wohnkomplexes von Lebensmitteln, Trinkwasser und jeglicher Versorgung abgeschnitten. Zivilpersonen und verletzte Kämpfer hatten keinen Zugang zu medizinischer Behandlung oder anderen grundlegenden Versorgungsleistungen. Der Angriff auf Ganfouda war wahllos und führte zum Tod von mindestens fünf Zivilpersonen. Angehörige der Libyschen Nationalarmee ließen sich mit den Leichen fotografieren, auch mit der exhumierten Leiche eines Kommandanten der Verteidigungsbrigaden, der wenige Tage vor dem Bodenangriff bei Luftangriffen getötet und begraben worden war.

Im Zuge ihres Kampfs gegen den Schura-Rat der Mudschaheddin in Derna verschärfte die Libysche Nationalarmee im Juli 2017 die Belagerung der ostlibyschen Stadt. Der Zugang der Bevölkerung zu Lebensmitteln, Benzin und medizinischen Versorgungsgütern war stark eingeschränkt, wodurch sich die humanitäre Lage in der Stadt rapide verschlechterte. Bei einer Reihe von Luftschlägen auf Derna wurden zahlreiche Zivilpersonen getötet oder verletzt, unter ihnen auch Kinder.

RECHTSWIDRIGE TÖTUNGEN

Im März 2017 wurden Kämpfer, die mit der Libyschen Nationalarmee verbündet waren, dabei gefilmt, wie sie gefangen genommene Kämpfer des Revolutionären Rats von Bengasi töteten und damit das humanitäre Völkerrecht grob verletzten und ein Kriegsverbrechen verübten. Im August stellte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) einen Haftbefehl gegen Mahmoud el-Werfelli aus wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen, die verübt wurden, als er Befehlshaber einer der Libyschen Nationalarmee nahestehenden Sondereinsatzbrigade (al-Saiqa) war. Dazu zählten auch die Tötungen gefangen genommener Kämpfer im März.

Zwischen Februar und Oktober 2017 wurden in Bengasi mehrere Massengräber entdeckt. Bei mindestens vier Gelegenheiten wurden an verschiedenen Orten in der Stadt Gruppen von Leichen gefunden, deren Hände hinter dem Rücken gefesselt waren. Einige der Toten trugen Augenbinden, wiesen Folterspuren auf und waren offenbar im Stil von Hinrichtungen getötet worden. Im August 2017 wurden die Leichen von sechs unbekannten Männern in einem Müllcontainer im Vorort Shabneh im Osten Bengasis aufgefunden. Die Leichen wiesen Folterspuren sowie Schussverletzungen an Kopf und Brust auf. Am 26. Oktober 2017 wurden an einer kaum befahrenen Straße südlich von al-Abyar die Leichen von 36 Männern aufgefunden, darunter ein 71-jähriger Sufi-Scheich, der im August 2017 verschleppt worden war, sowie ein Medizinstudent.

RECHTE AUF MEINUNGS- UND VEREINIGUNGSFREIHEIT

Journalisten, Aktivisten und Menschenrechtsverteidiger liefen Gefahr, von bewaffneten Gruppen und Milizen, die mit den konkurrierenden Regierungen verbündet waren, drangsaliert und tätlich angegriffen zu werden oder dem Verschwindenlassen zum Opfer zu fallen.

Im Westen des Landes nahmen Spezialeinheiten zur Abschreckung (Radaa) im Auftrag des Innenministeriums der Regierung der Nationalen Einheit Personen fest. Sie gingen vor allem gegen Menschen vor, die friedlich ihr Recht auf Vereinigungsfreiheit und andere Grundrechte ausübten. Im September 2017 nahmen Radaa-Einheiten einen Imam in Tripolis willkürlich fest, weil er verdächtigt wurde, in seiner Moschee zu Gewalt aufgerufen zu haben. Ende des Jahres befand er sich noch immer in Haft. Im November 2017 durchsuchten Radaa-Einheiten eine Comic-Buchmesse in Tripolis und nahmen 20 Personen in Gewahrsam, darunter die Organisatoren und einige Teilnehmer. Sie wurden Ende November wieder freigelassen.

Im Osten des Landes nahmen mit der Libyschen Nationalarmee verbündete Kräfte Journalisten und andere Personen ins Visier, die ihrer Ansicht nach Khalifa Haftar und seine Truppen kritisiert hatten. Eine bewaffnete Gruppe, die einer salafistischen Richtung angehört, die sich auf den saudi-arabischen Scheich Rabi al-Madkhali beruft, verbrannte Bücher und verschleppte Mitglieder einer Studierendengruppe, die auf dem Campus ihrer Hochschule in Bengasi eine Veranstaltung zum Tag der Erde organisiert hatten. Unter den Verschleppten befand sich auch der Fotograf Abdullah Duma, der später freikam. Im September 2017 war ein Radiomoderator aus al-Marj fast drei Wochen lang inhaftiert, weil er öffentlich eine Entscheidung des Militärgouverneurs der Libyschen Nationalarmee in Ostlibyen, Abdelraziq al-Nathouri, kritisiert hatte.

WILLKÜRLICHE FESTNAHMEN UND INHAFTIERUNGEN

Milizen, bewaffnete Gruppen und Sicherheitskräfte, die den konkurrierenden Regierungen nahestanden, nahmen weiterhin Tausende Personen willkürlich fest und hielten sie für unbegrenzte Zeit in Haft. Im Osten des Landes verschleppten Milizen, die als verbündete Sicherheitskräfte der Libyschen Nationalarmee auftraten, Personen und inhaftierten sie ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren. Im Juni 2017 verschleppte eine bewaffnete Gruppe in Bayda den Kameramann Musa Khamees Ardia und brachte ihn in das Grenada-Gefängnis im Osten des Landes. Er wurde ohne Anklageerhebung am 3. November freigelassen.

Hunderte Menschen wurden aufgrund ihrer Überzeugung, ihrer Herkunft, ihrer vermuteten politischen Zugehörigkeit oder ihres mutmaßlichen Reichtums von bewaffneten Gruppen und Milizen verschleppt und rechtswidrig inhaftiert. Zu den Verschleppten zählten politische Aktivisten, Rechtsanwälte, Menschenrechtsaktivisten und andere Zivilpersonen. Die Milizen verschleppten Personen, um Lösegeld von ihren Familien zu erpressen, um einen Gefangenenaustausch zu erreichen oder um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Im April 2017 verschleppte eine Miliz einen Universitätsprofessor in Sayyad, einem Vorort von Tripolis. Er wurde 47 Tage lang an einem unbekannten Ort festgehalten und hatte kaum Zugang zu Lebensmitteln, Trinkwasser und Medikamenten. Im August entführten unbekannte Milizionäre den ehemaligen Ministerpräsidenten Ali Seidan aus einem Hotel in Tripolis. Nach acht Tagen ließen sie ihn wieder frei.

JUSTIZSYSTEM

Es herrschte weiterhin ein Klima der Straflosigkeit, was den Verantwortlichen von schweren Menschenrechtsverstößen entgegenkam, da sie nicht befürchten mussten, zur Rechenschaft gezogen zu werden. Diese Entwicklung verdüsterte wiederum die Aussichten auf politische Stabilität im Land. Gerichte und Staatsanwaltschaften funktionierten nicht, da Richter und Staatsanwälte Vergeltungsmaßnahmen für ihre Arbeit befürchten mussten. Das Amt des Generalstaatsanwalts blieb unbesetzt. Im September 2017 teilte Oberstaatsanwalt Sadik Essour mit, dass 800 Haftbefehle ausgestellt und 250 Fälle politisch motivierter Gewalttaten an Gerichte weitergeleitet worden seien. Im Oktober 2017 wurde in Misrata, einer Stadt unter Kontrolle der Regierung der Nationalen Einheit, wenige Stunden vor dem geplanten Beginn eines solchen Verfahrens ein Selbstmordanschlag auf das Gericht verübt. Dabei wurden zwei Zivilpersonen und zwei Angehörige der Sicherheitskräfte getötet und mindestens 40 Personen verletzt. Der IS bekannte sich zu dem Attentat.

In den Gefängnissen war Folter an der Tagesordnung, und Tausende Gefangene blieben ohne Anklageerhebung inhaftiert. Viele Häftlinge saßen bereits seit 2011 im Gefängnis – ohne gerichtliche Aufsicht und ohne die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit ihrer Haft überprüfen zu lassen.

Keine der Konfliktparteien hielt sich an die Menschenrechtsbestimmungen des Libyschen Politischen Abkommens, das im Dezember 2015 unter Vermittlung der Vereinten Nationen vereinbart worden war. Es sah u. a. vor, Gefangene, die ohne Rechtsgrundlage inhaftiert waren, freizulassen.

BINNENVERTRIEBENE

Rund 40000 ehemalige Bewohner Tawarghas, einer Stadt in der Nähe von Misrata, waren sechs Jahre nach ihrer Vertreibung immer noch Binnenvertriebene. Im Juni 2017 unterzeichneten der Bürgermeister von Misrata, der Gemeinderat von Tawargha und der Vorsitzende der Misrata-Tawargha-Versöhnungskommission im Beisein von Ministerpräsident Fayez Sarraj eine politische Vereinbarung, die den ehemaligen Bewohnern von Tawargha scheinbar die Rückkehr erlaubte. In der Vereinbarung war jedoch keine Rede davon, dass Personen für in der Vergangenheit verübte Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen seien. Drei Tage später versuchten mehrere Familien aus Tawargha, in ihre Heimatstadt zurückzukehren. Doch nachdem sie an einem Kontrollpunkt, der mit Einwohnern Misratas besetzt war, bedroht und eingeschüchtert worden waren, sahen sie sich zur Rückkehr nach Tripolis gezwungen. Bis zum Jahresende gab es weder Fortschritte bezüglich der Rückkehr der Menschen nach Tawargha, noch war die Vereinbarung umgesetzt worden.

RECHTE VON MIGRANTEN, FLÜCHTLINGEN UND ASYLSUCHENDEN

Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchende wurden Opfer schwerer und systematischer Menschenrechtsverletzungen und -verstöße durch Wachpersonal in Hafteinrichtungen, Angehörige der libyschen Küstenwache, Schleuser und bewaffnete Gruppen. Einige Migranten und Flüchtlinge wurden inhaftiert, nachdem die libysche Küstenwache sie bei dem Versuch, das Mittelmeer in Richtung Europa zu überqueren, abgefangen hatte. Schätzungen zufolge befanden sich bis zu 20000 Personen in Haftzentren der Abteilung zur Bekämpfung unerlaubter Migration (Department for Combating Irregular Migration – DCIM), die zum Innenministerium der Regierung der Nationalen Einheit gehörte. Sie wurden unter erbärmlichen Haftbedingungen in völlig überfüllen Zellen festgehalten, hatten keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und angemessener Nahrung und wurden Opfer systematischer Folter und anderweitiger Misshandlungen, wie sexualisierter Gewalt, schwerer Schläge und Erpressung. Während die DCIM formal für 17 bis 36 solcher Haftzentren verantwortlich war, betrieben bewaffnete Gruppen und kriminelle Banden im ganzen Land Tausende rechtswidrige Hafteinrichtungen als Teil eines lukrativen Menschenhandels. Im November 2017 strahlte der US-Fernsehsender CNN ein Video aus, das offensichtlich den Verkauf von Migranten in die Sklaverei zeigte, was auf internationaler Ebene für Empörung sorgte.

Ausländische Staatsangehörige, die ohne gültige Dokumente einreisten, ausreisten oder sich im Land aufhielten, machten sich weiterhin strafbar. Es gab immer noch keine Asylgesetzgebung. Im November 2017 gab das Amt des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) bekannt, man habe sich mit den libyschen Behörden darauf verständigt, dass das Land Personen aus einem Transitzentrum, die internationalen Schutz benötigten, vorübergehend aufnehmen werde. Es gab jedoch keine Fortschritte bezüglich einer Vereinbarung, mit der die Arbeit des UNHCR in Libyen formal anerkannt würde. Die Internationale Organisation für Migration (International Organization for Migration – IOM) ging davon aus, dass sich Ende September 416556 Migranten in Libyen aufhielten. Nach Angaben des UNHCR waren am 1. Dezember 44306 Personen als Flüchtlinge oder Asylsuchende in Libyen registriert. Tatsächlich dürfte die Zahl der Flüchtlinge wesentlich höher gewesen sein. Die IOM unterstützte 2017 die "freiwillige Rückkehr" von 19370 Personen in ihre Heimatländer, von denen sich viele in Haft befunden hatten. In einem bemerkenswerten Schritt begann der UNHCR, Flüchtlinge und Asylsuchende aus Libyen auszufliegen: Im November wurden 25 Personen nach Niger gebracht und später von Frankreich im Zuge eines Resettlement-Programms aufgenommen. Im Dezember wurden 162 Personen nach Italien ausgeflogen.

FRAUENRECHTE

Frauen litten besonders unter dem anhaltenden internen Konflikt, der ihre Rechte auf Bewegungsfreiheit und das Recht auf Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben unverhältnismäßig stark beeinträchtigte.

Im Februar 2017 erließ das libysche Militär in Ostlibyen das Dekret Nr. 6/2017, das Frauen unter 60 Jahren verbot, ohne einen gesetzlichen männlichen Vormund ins Ausland zu reisen. Nach einem öffentlichen Aufschrei und Forderungen aus der Zivilgesellschaft, das Dekret aufzuheben, wurde es am 23. Februar durch Dekret Nr. 7/2017 ersetzt. Demnach dürfen libysche Staatsbürger beiderlei Geschlechts, die zwischen 18 und 45 Jahre alt sind, nur ins Ausland reisen, wenn eine "Sicherheitsfreigabe" vorliegt. Das Dekret machte keine Angaben darüber, was zur Erteilung einer solchen Freigabe benötigt wird und welche Kriterien über Gewährung oder Ablehnung entscheiden.

Bekannte Aktivistinnen konnten ihr gesellschaftliches und politisches Engagement weiterhin nicht fortsetzen, weil sie eingeschüchtert und gezielt ins Visier genommen wurden.

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