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Niger 2017
Der bewaffnete Konflikt dauerte 2016 an. Davon war vor allem die Region Diffa im Südosten des Landes betroffen, in der die bewaffnete Gruppe Boko Haram die meisten Attentate verübte. Wegen des Konflikts und des in der Region Diffa weiter bestehenden Notstands waren mehr als 300000 Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Mehr als 1400 vermeintliche Boko-Haram-Mitglieder waren im Gefängnis. Die meisten von ihnen saßen unter schlechten Haftbedingungen über lange Zeiträume hinweg in Untersuchungshaft und liefen Gefahr, gefoltert zu werden. Die Rechte von Flüchtlingen und Migranten, die durch Niger reisten, wurden verletzt.
HINTERGRUND
Präsident Mahamadou Issoufou wurde im März 2016 im Amt bestätigt. Die wichtigsten Oppositionsparteien hatten die Wahl boykottiert. Hama Amadou, stärkster Herausforderer von Issoufou, war unter dem Vorwurf der Beteiligung an einer Entführung festgenommen worden und saß zum Zeitpunkt der Wahl im Gefängnis. Kurz nach der Wahl wurde er aus der Haft entlassen.
Nach seiner Begutachtung durch den UN-Menschenrechtsrat im Rahmen der Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung nahm Niger fast alle Empfehlungen an. Dies galt auch für Empfehlungen zur Abschaffung der Todesstrafe, zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern sowie hinsichtlich Maßnahmen zur Beseitigung schädlicher, auf Tradition beruhender Praktiken wie Früh- und Zwangsverheiratungen sowie der weiblichen Genitalverstümmelung und der Gewährleistung des Rechts auf Nahrung. Die Empfehlung, die Einbeziehung indigener Gemeinschaften in Entscheidungsprozesse sicherzustellen, wurde abgelehnt.
VERSTÖßE BEWAFFNETER GRUPPEN
Zivilpersonen, darunter auch Flüchtlinge aus Nigeria, wurden auch 2016 Opfer des anhaltenden bewaffneten Konflikts, der vor allem in der Region Diffa herrschte. Wie viele zivile Opfer es gab, konnte nicht genau festgestellt werden. Nach Angaben der UN waren seit Februar 2015 mindestens 177 Zivilpersonen getötet worden. Im Jahr 2016 verübte Boko Haram mehr als 50 Anschläge in der Region Diffa.
Andere bewaffnete Gruppen waren im Westen des Landes nahe der Grenze zu Mali aktiv. Im Oktober 2016 überfiel eine unbekannte Gruppe ein Flüchtlingslager in Tazalit in der Region Tahoua. In Abalak, ebenfalls in der Region Tahoua, wurde der US-amerikanische Mitarbeiter einer Hilfsorganisation entführt. Am 17. Oktober griff eine bewaffnete Gruppe, die sich selbst als dem Islamischen Staat zugehörig bezeichnete, das Hochsicherheitsgefängnis in Koutoukalé in der Nähe der nigrischen Hauptstadt Niamey an.
BINNENVERTRIEBENE
Nach Angaben des UN-Amtes für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten waren in der Region Diffa Ende 2016 mehr als 300000 Binnenvertriebene und Flüchtlinge auf humanitäre Hilfe angewiesen. Darunter befanden sich über 184000 Binnenvertriebene, 29000 zurückgekehrte Nigrer und 88000 Flüchtlinge aus Nigeria. Viele lebten in behelfsmäßigen Lagern unter erbärmlichen Bedingungen. Aufgrund der prekären Sicherheitslage war die Versorgung mit Grundleistungen wie z. B. Nahrungsmitteln, Wasser und Bildung erschwert. Zudem beeinträchtigte der nach wie vor bestehende Notstand die Wirtschaftstätigkeit.
RECHTE VON FLÜCHTLINGEN UND MIGRANTEN
Mehr als 60000 Flüchtlinge aus Mali hatten in den Regionen Tillabéri und Tahoua in Niger Schutz gesucht. Auch sie benötigten humanitäre Hilfe.
Die Zahl der Menschen, die Niger auf dem Weg nach Europa durchquerten, stieg ständig. Agadez war dabei die wichtigste Durchgangsstation für Menschen aus Westafrika. Die Internationale Organisation für Migration berichtete im Oktober 2016, dass 70 % der Menschen, die Italien auf dem Seeweg erreichten – von denen viele über Niger kamen –, Opfer von Menschenhändlern oder von Ausbeutung geworden waren, wie z. B. Tausende Frauen und Mädchen, die in Libyen oder in Europa zur Prostitution gezwungen wurden. Niger hatte zwar im Jahr 2015 ein Gesetz gegen Menschenhandel verabschiedet, doch gab es kaum Maßnahmen, um den Menschenhandel im Land zu unterbinden.
Wie viele Menschen bei der gefährlichen Durchquerung der Wüste in Niger umkamen, war nicht bekannt. Im Juni 2016 wurden 14 Erwachsene und 20 Kinder, die von der Stadt Tahoua aus in Richtung Algerien aufgebrochen waren, in der Wüste tot aufgefunden.
Im Oktober 2016 äußerte sich der UN-Ausschuss zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer u. a. besorgt darüber, dass Arbeitsmigranten, unter ihnen auch Kinder, unter Bedingungen in Haushalten und Minen arbeiten, die als Zwangsarbeit zu betrachten seien.
ANTITERRORMAßNAHMEN UND SICHERHEIT
Mehr als 1400 Menschen, die beschuldigt wurden, Boko-Haram-Mitglieder zu sein, blieben in Haft. Viele waren nach dem Antiterrorgesetz Nigers angeklagt. Die meisten waren ab 2013 in der Region Diffa festgenommen worden, einige wurden jedoch schon seit 2012 festgehalten. Unter ihnen befanden sich Nigerianer, und zwar auch Flüchtlinge aus Gebieten, in denen Boko Haram aktiv war. Die meisten von ihnen saßen bereits seit längerer Zeit in Untersuchungshaft. Im Juni 2016 erklärte der für Terrorismusfälle zuständige Staatsanwalt, dass sich die meisten Festnahmen auf Denunziationen stützten. Die unsichere Lage und der Notstand in der Region Diffa hätten gründliche Ermittlungen nicht zugelassen.
Ebenfalls im Juni gaben die Behörden bekannt, dass alle erwachsenen nigerianischen Häftlinge an Nigeria ausgeliefert werden würden. Man wolle so die Überbelegung in den Gefängnissen abbauen, und Nigeria sei eher in der Lage, gegen seine eigenen Staatsangehörigen zu ermitteln. Im September 2016 wurde der Plan dann offiziell bekanntgegeben. In Nigeria waren Folter und andere Misshandlungen nach wie vor weit verbreitet. Für Menschen, die bezichtigt wurden, Boko-Haram-Mitglieder zu sein, war dieses Risiko besonders groß.
Die Behörden kündigten an, dass die Strafprozessordnung geändert werden würde, um die Dauer des Polizeigewahrsams vor Anklageerhebung (garde à vue) von fünf Tagen auf zwei Wochen mit einer möglichen Verlängerung um weitere zwei Wochen zu erhöhen.
HAFTBEDINGUNGEN
Die Haftbedingungen blieben schlecht, obwohl Maßnahmen eingeleitet wurden, um sie zu überprüfen. Das Problem wurde durch die große Zahl von Menschen, die wegen vermeintlicher Verbindungen zu Boko Haram festgenommen worden waren, zusätzlich verstärkt. Im Jahresverlauf waren in der für 250 Häftlinge ausgelegten Hafteinrichtung in Koutoukalé mehr als doppelt so viele Menschen inhaftiert, unter ihnen etwa 400 mutmaßliche Boko-Haram-Mitglieder.
VERSCHWINDENLASSEN
Das Schicksal von acht Männern, die im Mai 2015 von den Sicherheitskräften festgenommen worden waren, blieb ungeklärt. El Hadj Kannaï Kouliyi, Malam Bandama, Ari Kannai, Abor Madou, Awa Malloumi, El Hadj Katchouloumi, Mouché Ali Kou Lawan Dalla und El Hadji Bara waren in N’Guigmi in der Region Diffa festgenommen worden. Die Gesuche der Familien, Informationen über den Aufenthaltsort ihrer Angehörigen zu bekommen, blieben unbeantwortet.
RECHT AUF FREIE MEINUNGSÄUßERUNG
Einige Menschen wurden strafrechtlich verfolgt, weil sie von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hatten.
Im Juni 2016 wurde Ousmane Moumouni, Vorsitzender der Menschenrechtsorganisation Cadre d’Action pour la Démocratie et les Droits humains au Niger, wegen "Verschwörung zur Änderung der Verfassung" zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt, weil er sich in einem Beitrag auf Facebook nach einem Attentat von Boko Haram zur Sicherheitslage in Niger geäußert hatte.
Die Journalisten Ali Soumana und Moussa Dodo wurden im Juni 2016 zu einer dreimonatigen Bewährungsstrafe verurteilt, weil sie "Druck auf die Justiz" ausgeübt haben sollen. Sie hatten in der Tageszeitung Le Courrier eine Liste mit Namen von Personen veröffentlicht, denen vorgeworfen wurde, Einfluss auf eine landesweite Prüfung genommen zu haben. In der Liste waren einflussreiche Personen aufgeführt, so z. B. der Präsident des Verfassungsgerichts. Da die Journalisten nach dem Straf- und nicht nach dem Presserecht angeklagt wurden, fiel die Strafe vergleichsweise hart aus.