Amnesty Report Vereinigte Arabische Emirate 09. Mai 2015

Vereinigte Arabische Emirate 2015

 

Die Rechte auf freie Meinungsäußerung und auf Vereinigungsfreiheit blieben 2014 durch die Regierung weiter eingeschränkt. Die Behörden nutzten Bestimmungen des Strafgesetzbuchs und des Gesetzes zur Internetkriminalität aus dem Jahr 2012, um Regierungskritiker strafrechtlich zu verfolgen. In den Gefängnissen befanden sich weiterhin gewaltlose politische Gefangene, die man in unfairen Prozessen auf Grundlage von "Geständnissen" verurteilt hatte, die dem Vernehmen nach durch Folter und andere Menschenrechtsverletzungen erzwungen worden waren.

Frauen wurden nach wie vor durch Gesetze und im täglichen Leben diskriminiert. Arbeitsmigranten, insbesondere weibliche Hausangestellte, waren arbeitsrechtlich kaum geschützt und wurden ausgebeutet und missbraucht. Nach der Hinrichtung eines Mannes im Januar 2014 verkündete die Regierung ein Hinrichtungsmoratorium für bestimmte Fälle.

Hintergrund

Der Föderative Nationalrat stimmte dem Entwurf eines Gesetzes über Kinderrechte zu. Ende 2014 hatte das Staatsoberhaupt den Gesetzentwurf jedoch noch nicht gebilligt. Im April erklärte ein Kabinettsmitglied, man bereite ein Gesetz vor, das die Tätigkeiten ausländischer NGOs regeln solle. Zum Jahresende lag allerdings noch kein Entwurf vor.

Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit

Die Behörden nutzten Bestimmungen des Strafgesetzbuchs und das Gesetz zur Internetkriminalität aus dem Jahr 2012, um Andersdenkende zu unterdrücken und Regierungskritiker strafrechtlich zu verfolgen und zu inhaftieren. Personen, die kritische Kommentare in den sozialen Netzwerken veröffentlichten, wurde u.a. vorgeworfen, sie hätten "Hass gegen den Staat geschürt" und "Kontakt zu ausländischen Organisationen" aufgenommen. Zu den Personen, die 2014 aufgrund dieser Anklagepunkte inhaftiert wurden, zählte Osama al-Najjar, der sich auf Twitter für die Freilassung seines Vaters Hussain Ali al-Najjar al-Hammadi eingesetzt hatte.

Hussain Ali al-Najjar al-Hammadi und 60 weitere Personen, die der Vereinigung für Reformen und soziale Führung (al-Islah) nahestanden, blieben inhaftiert und müssen Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren verbüßen. Sie waren im Juli 2013 nach einem unfairen Gerichtsverfahren, das unter der Bezeichnung VAE 94 bekannt wurde, von der Staatsschutzkammer des Obersten Gerichtshofs wegen Vergehen gegen die nationale Sicherheit verurteilt worden. Das Gericht ging den Vorwürfen einiger Angeklagter, sie seien während ihrer monatelangen Untersuchungshaft ohne Kontakt zur Außenwelt gefoltert worden, nicht nach und ließ erpresste "Geständnisse" als Beweismittel zu.

Darüber hinaus durften die Angeklagten keine Rechtsmittel gegen ihre Verurteilung einlegen, was gegen internationale Standards für faire Gerichtsverfahren verstößt. Zu den Verurteilten zählten u.a. der gewaltlose politische Gefangene und bekannte Menschenrechtsanwalt Mohammed al-Roken, der ehemalige Richter Ahmed al-Zaabi sowie die Blogger Saleh Mohammed al-Dhufairi und Khalifa al-Nuaimi. Die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen betrachtete die 61 Angeklagten, die sich im Gefängnis befanden, als Opfer willkürlicher Festnahme und Inhaftierung und forderte die Regierung dringend auf, sie freizulassen und angemessen zu entschädigen.

Nach einem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten forderte die UN-Sonderberichterstatterin über die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten die Regierung im Februar 2014 nachdrücklich auf, von Häftlingen erhobene Foltervorwürfe unabhängig untersuchen zu lassen. Außerdem mahnte sie weitere Reformen an, darunter ein Berufungsrecht für Fälle, die in erster Instanz vor der Staatsschutzkammer des Obersten Gerichtshofs verhandelt wurden.

Folter und andere Misshandlungen

Die Behörden leiteten keine unabhängigen Untersuchungen der Foltervorwürfe ein, die Häftlinge in Prozessen vor der Staatsschutzkammer des Obersten Gerichtshofs in den Jahren 2013 und 2014 erhoben. Dasselbe galt für Foltervorwürfe mehrerer britischer Staatsbürger, die von der Polizei wegen mutmaßlicher Drogenvergehen inhaftiert worden waren. Zu den genannten Foltermethoden zählten Schläge, Elektroschocks und Schlafentzug. Außerdem berichteten Häftlinge, man habe sie extremen Temperaturen und ständigem grellen Licht ausgesetzt und ihnen Vergewaltigung und Tod angedroht. Im September 2014 schoben die Behörden der Vereinigten Arabischen Emirate einen äthiopischen Staatsbürger in seine Heimat ab, obwohl ihm dort Folter drohte.

Antiterrormaßnahmen und Sicherheit

Die Behörden inhaftierten 2014 zahlreiche Personen wegen des Verdachts auf Terrorismus, darunter auch ausländische Staatsbürger. Sie wurden häufig über lange Zeiträume an geheimen Orten ohne Kontakt zu ihren Familien oder einem Rechtsbeistand festgehalten.

Im Januar 2014 befand die Staatsschutzkammer des Obersten Gerichtshofs zehn Personen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und 20 Ägypter für schuldig, heimlich einen "internationalen Ableger" der Muslimbruderschaft gegründet zu haben. Sie wurden zu Haftstrafen von bis zu fünf Jahren verurteilt. Die zehn Staatsbürger der Vereinigten Arabischen Emirate verbüßten bereits lange Freiheitsstrafen, die sie nach dem sogenannten VAE 94-Prozess im Juli 2013 erhalten hatten. Das Verfahren entsprach nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren.

Im März 2014 verurteilte die Staatsschutzkammer drei Männer u.a. wegen "finanzieller und moralischer" Unterstützung von al-Islah. Zwei Staatsbürger der Vereinigten Arabischen Emirate erhielten fünf Jahre Freiheitsentzug, ein katarischer Staatsangehöriger musste für sieben Jahre ins Gefängnis. Die Angeklagten, die alle Vorwürfe zurückwiesen, wurden aufgrund von "Geständnissen" verurteilt, die ihren Angaben zufolge unter Folter und Drohungen zustande gekommen waren.

Im Juni 2014 verurteilte die Staatsschutzkammer sieben ausländische Staatsangehörige wegen terroristischer Straftaten zu Haftstrafen zwischen sieben Jahren und lebenslänglich. Im September begann ein Verfahren gegen 15 Personen, denen vorgeworfen wurde, mit bewaffneten Gruppen in Syrien in Verbindung zu stehen. Im Dezember wurden elf der Angeklagten zu Haftstrafen zwischen drei Jahren und lebenslänglich verurteilt, die vier übrigen wurden freigesprochen.

Ein neues Antiterrorgesetz, das im August 2014 in Kraft trat, sah für Terrorismus schwere Strafen bis hin zur Todesstrafe vor. Dabei wurde Terrorismus sehr weit definiert und umfasste auch Handlungen mit "terroristischem Ergebnis", wie z.B. öffentliche Äußerungen, die "Feindschaft gegenüber dem Staat oder der Regierung" oder "Ungehorsam gegenüber der Staatsführung" erkennen ließen.

Im November 2014 erklärte die Regierung al-Islah und mehr als 80 weitere Gruppen zu "terroristischen" Organisationen, darunter zahlreiche bewaffnete Gruppen, die im Ausland aktiv waren, aber auch muslimische Hilfsorganisationen.

Rechte von Frauen und Mädchen

Frauen wurden weiterhin durch Gesetze und im täglichen Leben benachteiligt. Die UN-Sonderberichterstatterin über die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten sprach von einer "institutionalisierten geschlechtsspezifischen Diskriminierung in der Justizverwaltung". Sie wies darauf hin, dass es Frauen nicht erlaubt sei, Richterin am Obersten Gericht zu werden. Dies verstoße gegen das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, das die Vereinigten Arabischen Emirate ratifiziert haben.

Rechte von Arbeitsmigranten

Ungeachtet der Schutzklauseln im Arbeitsgesetz von 1980 sowie nachfolgender Dekrete wurden Arbeitsmigranten ausgebeutet und misshandelt. Viele Arbeitskräfte hatten Gebühren an Vermittlungsagenturen gezahlt und berichteten, man habe sie bezüglich der konkreten Arbeitsbedingungen getäuscht. Bauarbeiter mussten oft in armseligen und unzureichenden Unterkünften leben.

Den meisten Arbeitsmigranten wurde nach der Einreise der Reisepass abgenommen. Auch war es weithin üblich, dass sie ihren Lohn verspätet oder überhaupt nicht erhielten. Das Sponsorensystem (kafala) machte es Arbeitgebern leicht, Arbeitsmigranten auszubeuten. Ausländischen Beschäftigten, die sich an Streiks, Sitzblockaden oder anderen gewerkschaftlichen Aktionen beteiligten, drohten Haft und Ausweisung.

Hausangestellte, bei denen es sich zumeist um Frauen aus Asien handelte, waren von den Schutzvorschriften für ausländische Arbeitskräfte ausgenommen. Sie waren häufig körperlicher Gewalt ausgesetzt, durften das Haus nicht verlassen und wurden ausgebeutet. Ein Gesetz zum Schutz von Hausangestellten, das von der Regierung schon seit mindestens 2012 in Angriff genommen werden sollte, wurde 2014 noch immer nicht in Kraft gesetzt.

Todesstrafe

Gerichte verhängten 2014 nach wie vor die Todesstrafe, vor allem in Fällen von Mord. Im Januar ließen die Behörden des Emirats Schardscha einen Mann aus Sri Lanka durch ein Erschießungskommando hinrichten. Einen Monat später verfügte Staatspräsident Scheich Khalifa bin Zayed al-Nahyan ein Moratorium für alle anstehenden Hinrichtungen wegen Mordes. Damit sollte den Behörden Zeit gegeben werden, mit den Familien der Opfer Kontakt aufzunehmen, um herauszufinden, ob diese "Blutgeld" (diya) für die Tötung ihres Familienmitgliedes akzeptieren würden. Presseberichten zufolge verurteilte ein Gericht in Abu Dhabi im Mai eine Frau wegen Ehebruchs zum Tod durch Steinigung.

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