Amnesty Report Laos 24. April 2024

Laos 2023

Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023

Laotische Menschenrechtsverteidiger*innen gerieten sowohl in Laos als auch im Ausland verstärkt ins Visier. Sie wurden willkürlich inhaftiert, fielen dem Verschwindenlassen zum Opfer oder wurden getötet. Zwei chinesische Dissidenten wurden von Laos nach China abgeschoben, wo ihnen aufgrund ihrer Aktivitäten Folter und andere Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren drohten. Die Regierung ging immer stärker gegen Onlinekritik vor. Regierung und Privatwirtschaft investierten zunehmend in den Ausbau von Wasserkraftwerken, obwohl es Bedenken bezüglich der ökologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen gab.

Hintergrund

Laos befand sich aufgrund steigender Inflation und einer kontinuierlichen Abwertung der Landeswährung weiterhin in einer schweren Wirtschaftskrise. Der Internationale Währungsfonds stellte fest, dass im Jahr 2023 die Bruttoverschuldung des Landes 121,7 Prozent des BIP betrug, und stufte Laos als Land in einer Schuldenkrise ("in debt distress") ein. Die Krise bedrohte die Ernährungssicherheit der Menschen, da die Preise verschiedener Grundnahrungsmittel wie Weizen, Mehl, Eier, Fleisch und Speiseöl laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen im Juni 2023 auf ein Rekordniveau anstiegen.

Die Regierung investierte trotz steigender Staatsschulden und Bedenken wegen unzureichender Entschädigung der betroffenen Gemeinden weiterhin in Stromerzeugungsprojekte wie z. B. Wasserkraftwerke.

Menschenrechtsverteidiger*innen

In einer Pressemitteilung vom September 2023 kritisierte die UN-Sonderberichterstatterin für die Lage von Menschenrechtsverteidiger*innen, dass es in Laos "ein Muster schwerer Menschenrechtsverletzungen gegen Menschenrechtsverteidiger*innen" gebe. Zu solchen Menschenrechtsverletzungen, die seit Jahrzehnten verübt wurden, zählten u. a. die Einschüchterung, die willkürliche Inhaftierung und das Verschwindenlassen von Personen, die sich für die Menschenrechte engagierten, ebenso wie die Verletzung ihres Rechts auf ein faires Verfahren.

Am 29. April 2023 wurde der 25-jährige Menschenrechtsverteidiger Anousa "Jack" Luangsouphom in einem Café in der Hauptstadt Vientiane von einem Unbekannten ins Gesicht und in die Brust geschossen und dabei schwer verletzt. Er war ein scharfer Kritiker der Regierung und betrieb die Facebook-Seiten Driven by the Keyboard und Sor Tor Lor – the Republic, auf denen er Kommentare zu sozialen, ökologischen, wirtschaftlichen und politischen Themen in Laos postete, wie z. B. Dunstverschmutzung, Menschenrechte von Schulkindern und LGBTI-Rechte. Die laotischen Behörden vertraten die Ansicht, dass die Schießerei möglicherweise mit einer Liebesbeziehung oder einer geschäftlichen Auseinandersetzung zusammenhing. Sie machten jedoch keine Angaben darüber, ob im Zusammenhang mit dem Mordversuch Ermittlungen eingeleitet worden waren. 

Laotische Menschenrechtsverteidiger*innen gerieten nicht nur in Laos, sondern auch im Ausland ins Visier. Am 17. Mai 2023 wurde der vom UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) als Flüchtling anerkannte 56-jährige Menschenrechtsverteidiger Bounsuan Kitiyano in der thailändischen Provinz Ubon Ratchathani erschossen. Die laotische und die thailändische Regierung wurden aufgefordert, unverzüglich eine gründliche, wirksame, unparteiische und unabhängige Untersuchung der Tötung einzuleiten und weitere Gewalttaten gegen Menschenrechtsverteidiger*innen zu verhindern.

Chinesische Dissident*innen, die nach Laos kamen, um der Verfolgung in ihrem Land zu entgehen, wurden abgeschoben, obwohl sie Gefahr liefen, in China Menschenrechtsverletzungen wie Folter und anderen Misshandlungen sowie unfairen Gerichtsverfahren ausgesetzt zu sein. Zwischen dem 31. Mai und dem 2. Juni 2023 "verschwand" der in Vientiane exilierte Yang Zewei, Gründer einer Gruppe zur Aufhebung der Internetzensur in China (Ban the Great Firewall). Sein Aufenthaltsort wurde erst am 7. Juli 2023 bekannt, als die chinesischen Behörden einen Haftbefehl ausstellten und ihn wegen mutmaßlicher "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" in der Jugendstrafanstalt Hengyang in China inhaftierten.

Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich am 28. Juli 2023: Laotische Behörden nahmen den bekannten chinesischen Menschenrechtsanwalt Lu Siwei fest und inhaftierten ihn, als er auf dem Weg zu seiner in den USA lebenden Familie war. Nach Ansicht von UN-Expert*innen war seine Festnahme willkürlich. Die laotischen Behörden weigerten sich zunächst, sein Schicksal und seinen Aufenthaltsort offenzulegen. Erst am 4. Oktober erhielt Amnesty International die Bestätigung, dass Lu Siwei nach China abgeschoben worden war, obwohl Menschenrechtsorganisationen seine Freilassung gefordert hatten.

Unternehmensverantwortung

Die Regierung errichtete weiterhin Staudämme zur Erzeugung von Strom aus Wasserkraft und wurde dabei von ausländischen Investoren unterstützt, u. a. chinesischen, thailändischen und südkoreanischen Unternehmen. Im September 2023 unterzeichneten die Bauträger des Pak-Beng-Damms in der Provinz Oudômxai im Norden von Laos einen Stromabnahmevertrag mit der thailändischen Elektrizitätsbehörde, obwohl Menschenrechtsgruppen und andere Organisationen kritisierten, dass keine ausreichenden Informationen über eine Entschädigung für jene Menschen vorgelegt worden waren, die umgesiedelt werden müssten. Laut der Umweltverträglichkeitsprüfung für das Projekt wird die Umsiedlung von 4.700 Menschen aus 26 Dörfern nötig sein.

Menschenhandel

Hunderte Menschen wurden nach wie vor unter falschen Versprechungen in die Sonderwirtschaftszone Goldenes Dreieck im Nordwesten von Laos gelockt, wo sie festgehalten wurden und in betrügerischen Unternehmen (scam centres) arbeiten mussten. Die Betroffenen, zumeist Hochschulabsolvent*innen, kamen aus zahlreichen Ländern, darunter mehr als 100 aus Sri Lanka und sieben aus Kambodscha. Sie wurden gezwungen, ihre Pässe bei der Ankunft abzugeben und sich an dem Verkauf von gefälschten Kryptowährungen sowie anderen kriminellen Geschäften zu beteiligen. Berichten zufolge wurden die Opfer in Schuldknechtschaft gehalten und waren harten Arbeitsbedingungen ausgesetzt, u. a. auch körperlichen Bestrafungen wie Elektroschocks. 

Die Situation wurde noch dadurch verschärft, dass Sonderwirtschaftszonen von den innerstaatlichen Wirtschafts- und Arbeitsgesetzen ausgenommen sind. Recherchen der Vereinten Nationen ergaben, dass laotische Strafverfolgungsbehörden zu diesem Gebiet nur eingeschränkten Zugang haben, was eine wirksame Kontrolle erschwert und verhindert, dass die Rechenschaftspflicht für Menschenrechtsverletzungen ausreichend gewährleistet ist.

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