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China: Zurückgeführter Menschenrechtsanwalt in Haft
Der chinesische Menschenrechtsanwalt Lu Siwei (undatiertes Foto)
© privat
+++ Update 8. November 2023: Lu Siwei ist bis zum Gerichtsverfahren gegen Kaution freigelassen worden! Er kann jetzt mit seiner Frau sprechen, darf aber nicht frei reisen und könnte nächstes Jahr weiterhin strafverfolgt und schuldig gesprochen werden. +++
Der bekannte chinesische Menschenrechtsanwalt Lu Siwei wird in der Provinz Sichuan in Haft gehalten, nachdem er gegen seinen Willen aus Laos nach China gebracht wurde. Es gibt keine Informationen darüber, was ihm zur Last gelegt wird. Seit Jahren wird Lu Siwei von den chinesischen Behörden wegen seiner friedlichen Menschenrechtsarbeit eingeschüchtert und schikaniert. Jetzt drohen ihm auch Folter und andere Misshandlungen. Li Suwei hat keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl. Er leidet zudem an einer Schuppenflechte. Seine Familie ist aus diesen Gründen sehr um seine Sicherheit und seine Gesundheit besorgt.
Appell an
Wang Xiaohui
Communist Party Secretary of Sichuan Province
16 Shangye Jie
Qingyang Qu
Chengdu, Sichuan Province
610015
VOLKSREPUBLIK CHINA
Sende eine Kopie an
Botschaft der Volksrepublik China
S.E. Herrn Wu Ken
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin
E-Mail: presse.botschaftchina@gmail.com oder de@mofcom.gov.cn
Fax: 030-27 58 82 21
Amnesty fordert:
- Bitte sorgen Sie dafür, dass Lu Siwei umgehend und bedingungslos aus der Haft entlassen wird, es sei denn, es liegen ausreichend glaubwürdige und zulässige Beweise dafür vor, dass er eine international anerkannte Straftat begangen hat.
- Bitte gestatten Sie ihm bis zu seiner Freilassung regelmäßigen Zugang zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand seiner Wahl.
- Stellen Sie bitte auch sicher, dass er bis zu seiner Freilassung weder gefoltert noch anderweitig misshandelt wird.
Sachlage
Lu Siwei lebte in Chengdu in der Provinz Sichuan. Er setzt sich für benachteiligte Bevölkerungsgruppen ein und hat zahlreiche politische Dissident*innen vertreten. Am 28. Juli 2023 wurde er von der Polizei in Laos festgenommen, als er einen Zug nach Thailand bestieg. Sie warfen ihm vor, mit gefälschten Dokumenten zu reisen. Er wollte in die USA weiterreisen, um wieder bei seiner Familie zu sein. In Laos war es ihm nicht gestattet, einen Rechtsbeistand oder Familienangehörige zu treffen.
Lu Siwei wird im Xindu-Gefangenenlager in der Provinz Sichuan im Südwesten Chinas festgehalten, seit er aus Laos nach China abgeschoben wurde. Informationen über die Vorwürfe gegen ihn, liegen nicht vor.
Seit Jahren wird Lu Siwei von den chinesischen Behörden wegen seiner friedlichen Menschenrechtsarbeit eingeschüchtert und schikaniert. Im Januar 2021 wurde ihm die rechtsanwaltliche Zulassung entzogen, weil er sich im Internet geäußert hatte, was angeblich "die nationale Sicherheit gefährdete". Im Mai 2021 wurde ein Ausreiseverbot gegen ihn verhängt.
Seit seiner unfreiwilligen Rückkehr nach China wird ihm der regelmäßige Kontakt zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand seiner Wahl verweigert; er ist in großer Gefahr gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Er sollte nicht dafür bestraft werden, dass er seine Menschenrechte friedlich wahrnimmt und andere Menschenrechts-verteidiger*innen oder Personen, die von den Behörden als sicherheitsrelevant eingestuft werden, verteidigt.
Lu Siwei leidet an einer Schuppenflechte und muss täglich Medikamente einnehmen. Ohne Zugang zu medizinischer Versorgung wird sich sein Gesundheitszustand aller Wahrscheinlichkeit nach verschlechtern.
Hintergrundinformation
Trotz der Bemühungen von Amnesty International und anderen Organisationen hat die laotische Regierung Lu Siwei offenbar gegen seinen Willen nach China zurückgebracht, was einen Verstoß gegen ihre Verpflichtungen im Rahmen der UN-Konvention gegen Folter darstellen könnte.
Nachdem er viele Jahre lang "sicherheitsrelevante" und menschenrechtsbezogene Strafverfahren in Festlandchina übernommen hatte, wurde Lu Siwei durch seine Rolle bei der Verteidigung einer der zwölf Hongkonger Personen bekannt, die 2020 mit einem Boot aus Hongkong flohen, aber von der chinesischen Küstenwache abgefangen und festgenommen wurden. Die Justizbehörden der Provinz entzogen Lu Siwei daraufhin die anwaltliche Zulassung. Die chinesischen Behörden zeigen immer weniger Toleranz gegenüber unabhängigem Einsatz für die Menschenrechte. Lu Siwei wurde auf dem Weg zur Anhörung über seinen Ausschluss aus der Anwaltskammer tätlich angegriffen. Seit dem Ausschluss aus der Anwaltskammer wird Lu Siwei von den chinesischen Behörden streng überwacht und unterliegt seit Mai 2021 zusätzlich einem Ausreiseverbot.
Vor dem öffentlichkeitswirksamen Fall der zwölf Hongkonger war Lu Siwei vor allem dafür bekannt, dass er sich vielfach für Menschenrechtsverteidiger*innen einsetzte. So vertrat er unter anderem Beschuldigte im Fall der Gedenkfeiern in Chengdu, die an die Niederschlagung der Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking erinnerten, den Menschenrechtsanwalt Yu Wensheng, den berühmten Lyriker Wang Zang und andere Mitglieder der chinesischen juristischen Gemeinschaft, die bei der "Razzia 709" im Jahr 2015 ins Visier genommen wurden.
Der Fall von Lu Siwei ist auch bezeichnend für die besorgniserregende Entwicklung, dass chinesische Behörden andere Regierungen, insbesondere in Südostasien, aber auch andernorts, dazu drängen, Personen nach China zurückzuführen, denen dort Verfolgung durch die chinesische Regierung droht. Zurück in China werden sie willkürlich inhaftiert, fallen dem Verschwindenlassen zum Opfer und sehen sich unfairen Gerichtsverfahren, Folter und anderen Formen der Misshandlung gegenüber. Der Buchhändler Gui Minhai "verschwand" 2015 in Thailand und tauchte dann ohne seinen Pass in China wieder auf. Im August 2022 berichteten Aktivist*innen und Medien über das Verschwinden des chinesischen Demokratie-Aktivisten Dong Guangping aus Vietnam und sein Wiederauftauchen in chinesischem Gewahrsam. Und im August 2023 wurde berichtet, dass der in Laos lebende Aktivist Yang Zewei in der laotischen Hauptstadt Vientiane festgenommen wurde und nun in einem Haftzentrum in China festgehalten wird.
Viele Gefangene, insbesondere Menschenrechtsverteidiger*innen, werden Berichten zufolge während ihrer Haft gefoltert und anderweitig misshandelt. Häftlingen, deren Gesundheitszustand sich verschlechtert, wird häufig der Zugang zu angemessener medizinischer Behandlung verwehrt. In der Eingabe von Amnesty International an die Arbeitsgruppe für die allgemeine regelmäßige Überprüfung (UPR) im Vorfeld der vierten UPR Chinas im Januar 2024 äußerte die Menschenrechtsorganisation Besorgnis über willkürliche Inhaftierungen, Folter und andere Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren.