Amnesty Report Kuba 16. April 2020

Kuba 2019

Ansicht einer Stadt

Die kubanische Hauptstadt Havanna (Archivfoto)

Ein Jahr nach dem Amtsantritt von Präsident Díaz-Canel bedienten sich die Behörden weiterhin der schon seit Jahren eingesetzten Kontrollmechanismen, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Die kubanischen Behörden führten nach wie vor willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen von unabhängigen Künstler_innen, Journalist_innen und Mitgliedern der politischen Opposition durch. Im Laufe des Jahres 2019 stufte Amnesty International sechs Personen als gewaltlose politische Gefangene ein. Diese Anzahl stellt nur einen Bruchteil derjenigen dar, die allein aufgrund der friedlichen Bekundung ihrer Meinungen oder wegen ihres Glaubens festgenommen wurden. Unabhängigen Menschenrechtsbeobachter_innen blieb der Zugang zur Insel zumeist versperrt.

Hintergrund

Kubas neue Regierung versäumte es 2019, wichtige internationale Menschenrechtsverträge zu ratifizieren. Sie lehnte es auch ab, die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken und Kubas Strafgesetze in Einklang mit internationalen Menschenrechtsnormen und -standards zu bringen.

Im Februar verabschiedete Kuba eine neue Verfassung, mit der sich das Land u. a. zur Bekämpfung des Klimawandels verpflichtete. Der erste Entwurf hatte auch die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften vorgesehen. Nachdem sich die Kirchen jedoch dagegen gewehrt hatten, war diese Bestimmung in dem später angenommenen überarbeiteten Verfassungstext nicht mehr enthalten.

Im Mai sagte die Regierung die offizielle jährliche Parade gegen Homophobie ab und nahm laut Medienberichten Aktivist_innen fest, die an einer alternativen Demonstration teilnahmen. Die US-Regierung blieb auch 2019 bei ihrer Rückkehr zur Rhetorik des Kalten Krieges und verschärfte das seit Jahrzehnten bestehende Embargo, das die wirtschaftlichen und sozialen Rechte Kubas untergräbt.

Internationale Kontrolle

Kuba war 2019 nach wie vor das einzige Land in der Region Amerika, das Amnesty International und die meisten anderen unabhängigen Menschenrechtsbeobachter_innen nicht besuchen durften, um dort die Menschenrechtssituation zu überprüfen.

Unterdrückung Andersdenkender

Kubas neue Regierung benutzte 2019 weiterhin eine Reihe unterschiedlicher Kontrollmechanismen zur Unterdrückung kritischer Stimmen und abweichender Meinungen.

Nach Angaben der Betreiber_innen der App zum Aufspüren von Internetzensur OONI (Open Observatory of Network Interference) blockierten die kubanischen Behörden im Februar während des Verfassungsreferendums mehrere unabhängige Medien-Webseiten und begannen, komplexere Techniken zur Internetzensur einzusetzen.

Medienberichten zufolge sperrte Twitter im September 2019 vorübergehend die Konten etlicher hochrangiger staatlicher Funktionäre, so auch das Konto des ehemaligen Präsidenten Raúl Castro. Daneben wurden auch die Konten mehrerer staatlicher Medien gesperrt. Während die kubanischen Behörden Twitter Zensur vorwarfen, verwies Twitter auf seine Regeln, die es verbieten, durch die Nutzung mehrerer Konten Online-Konversationen erhöhte Aufmerksamkeit zu verschaffen oder sie zu stören. Twitter griff zu dieser Maßnahme infolge der anhaltenden Berichte unabhängiger kubanischer Blogger_innen und Medien, dass die kubanischen Behörden gefälschte Konten und automatische Computerprogramme (Bots) einsetzten, um Online-Debatten zu kontrollieren.

Unabhängige Medienprojekte funktionierten zwar weiterhin, doch liefen Personen, die für alternative Online-Nachrichtendienste arbeiteten, Gefahr, schikaniert und willkürlich inhaftiert zu werden. Im Oktober 2019 veröffentlichten mehr als zwölf unabhängige kubanische Medienseiten eine Erklärung, in der sie forderten, die "Welle der Repression" gegen die unabhängige Presse zu beenden.

Gleichzeitig schikanierten und inhaftierten die Behörden während des ganzen Jahres unabhängige Künstler_innen, die sich gegen das Dekret 349 wehrten. Das im April 2018 verabschiedete Gesetz verpflichtet Künstler_innen, vor Beginn ihrer Arbeit eine Genehmigung einzuholen.

Im Oktober 2019 wurde José Daniel Ferrer García, führender Kopf der inoffiziellen politischen Oppositionsgruppe Patriotische Union Kubas (Unión Patriótica de Cuba  ̶ UNPACU) festgenommen. Seine Inhaftierung, die zum Jahresende noch andauerte, löste internationale Kritik aus.

Gewaltlose politische Gefangene

Gut ein Jahr nach dem Amtsantritt von Präsident Miguel Díaz-Canel erklärte die in Madrid ansässige NGO Cuban Prisoner Defenders, die Verbindungen zur UNPACU unterhält, dass mindestens 71 Personen aufgrund politisch motivierter Anschuldigungen inhaftiert seien.

Nach der Untersuchung einer kleineren Anzahl dieser Fälle, stufte Amnesty International im August 2019 fünf Personen als gewaltlose politische Gefangene ein, die sich nur deshalb in Haft befanden, weil sie Mitglieder politischer Oppositionsgruppen waren, die die Regierung nicht anerkannte. Sie alle waren aufgrund von "Delikten" angeklagt, die nach internationalem Recht nicht strafbar sind, wie z. B. Missachtung (desacato) oder Gefährlichkeit (peligrosidad). Auch wurden weitere "Vergehen" herangezogen, die in Kuba schon seit Jahrzehnten genutzt werden, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.

Im September 2019 wurde Roberto Quiñones Haces, Journalist der unabhängigen Online-Zeitung Cubanet, des Widerstands (resistencia) und Ungehorsams (desobedencia) beschuldigt und zu einem Jahr Haft verurteilt. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der nur wegen der Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert wurde. Neben Amnesty International verurteilten auch der Ausschuss zum Schutz von Journalisten und die Menschenrechtsorganisation Article 19 seine Inhaftierung.

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Vor dem Hintergrund dieser Repressionen und im Kontext der erneuten Verschärfung des US-Wirtschaftsembargos durch die Trump-Regierung sowie dem gleichzeitigen Rückgang der Finanzhilfe, die Kuba von seinem wichtigsten Verbündeten Venezuela erhielt, nahm laut Medienberichten die wirtschaftliche Not auf der Insel zu.

Am Jahresende litten die Kubaner_innen unter der Knappheit an Nahrungsmitteln, Medikamenten und Treibstoff. Viele Kommentator_innen verglichen die Situation mit der als "Sonderperiode" bezeichneten wirtschaftlichen Krise der 1990er Jahre, die mit dem Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion einherging.

Veröffentlichungen von Amnesty International

Veröffentlichungen von Amnesty International

'We are continuity’: What the president’s hashtag tells us about human rights in Cuba today (News story, 14 August 2019)

Cuba: Opposition leader detained (AMR 25/1163/2019)

Cuba: A snapshot of prisoners of conscience under the government of President Miguel Diaz-Canel (AMR 25/0936/2019)

Cuba: Independent Journalist Arrested (AMR 25/1047/2019)

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