Amnesty Report Kuba 29. März 2022

Kuba 2021

Das Bild zeigt mehrere schwer ausgerüstete Polizeibeamte, die hinter einander her gehen

Berichtszeitraum 01. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021

Im Zuge der massiven landesweiten Proteste im Juli 2021 inhaftierten die kubanischen Behörden Hunderte Demonstrierende, von denen knapp 700 Ende des Jahres noch immer in Haft waren. Zudem verschärften die Behörden die Maßnahmen zur Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, indem sie Menschenrechtler_innen, Künstler_innen und Journalist_innen beschatteten, unter Hausarrest stellten, willkürlich inhaftierten, ihre Verfahrensrechte missachteten und sie in einigen Fällen misshandelten. Zugleich wurde das Internet regelmäßig blockiert. Die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich weiter, und die US-Behörden erhielten ihr Wirtschaftsembargo aufrecht.

Unterdrückung Andersdenkender

Bei den größten Demonstrationen seit Jahrzehnten gingen Tausende Menschen am 11. Juli 2021 auf die Straßen, um friedlich gegen die Wirtschaftspolitik, die Arzneimittelknappheit, den Umgang der Regierung mit der Coronapandemie und die weitreichenden Einschränkungen der Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung zu protestieren.

Als Reaktion auf die Proteste nahmen die kubanischen Behörden Hunderte Demonstrierende fest, von denen laut Angaben des Rechtsberatungszentrums Cubalex Ende des Jahres noch knapp 700 in Haft waren. Aktivist_innen und Journalist_innen wurden zudem von den Behörden beschattet, unter Hausarrest gestellt, willkürlich inhaftiert, in ihren Verfahrensrechten verletzt und in einigen Fällen auch misshandelt. Zugleich wurde das Internet regelmäßig blockiert.

Die meisten Inhaftierten wurden auf der Grundlage von Straftatbeständen angeklagt, die seit Langem dazu genutzt werden, um Kritiker_innen zum Schweigen zu bringen, und die häufig gegen internationale Menschenrechtsnormen und -standards verstoßen. Dazu gehörten "öffentliche Unruhe", "Widerstand gegen Staatsbedienstete", "Missachtung von Amtspersonen", "Anstiftung zu einer Straftat" und "Schadensverursachung".

Nach den Protesten wurden viele der aus dem Gefängnis Entlassenen bis zu ihrem Prozess unter Hausarrest gestellt. Zudem wurden Aktivist_innen und Journalist_innen beschattet, indem Sicherheitskräfte vor ihren Häusern postiert wurden und ihnen mit Inhaftierung drohten, wenn sie das Haus verlassen wollten. Diese Maßnahmen kamen willkürlicher Inhaftierung gleich.

Angehörige der Inhaftierten sowie später freigelassene Häftlinge berichteten häufig über zahlreiche Verletzungen ihrer Verfahrensrechte und über Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt. Gleichzeitig bestritt die Generalstaatsanwaltschaft, dass die Gefangenen keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand hätten oder ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten würden.

Auf die Massenfestnahmen folgten zudem zahlreiche Berichte über Misshandlungen. Die Behörden leugneten, dass im Zuge der Niederschlagung der Demonstrationen Menschenrechtsverletzungen begangen worden seien, und verbreiteten unter Ausnutzung ihres Medienmonopols über das Fernsehen ausgewählte Aufnahmen von gewaltsamen Vorfällen während der Proteste, um diese insgesamt als gewalttätig darzustellen. Der Präsident des Obersten Gerichtshofs betonte, dass Justiz und Richter_innen unabhängig arbeiteten, und gab an, dass einige Medien falsche Informationen veröffentlichten, die von "Feinden der institutionellen Ordnung und der kubanischen Revolution" verbreitet würden. Gleichzeitig störten die Behörden während der Proteste den Internetempfang und blockierten immer wieder Instant-Messaging-Apps wie WhatsApp, Telegram und Signal.

Im November 2021 wiesen die Behörden Anträge der Zivilgesellschaft für die Durchführung eines "Marschs für den Wandel" zurück und stellten damit erneut ihre Intoleranz gegenüber Protesten unter Beweis.

Menschenrechtsverteidiger_innen

Im Laufe des Jahres ließ die Regierung zahlreiche Künstler_innen, Journalist_innen und politische Aktivist_innen inhaftieren.

Im April 2021 inhaftierten die Behörden in der Altstadt von Havanna den für ADN Cuba tätigen Journalisten Esteban Rodríguez und die Menschenrechtsverteidigerin Thais Mailén Franco Benítez zusammen mit etwa zwölf weiteren Personen. Sie alle hatten mit einem friedlichen Protest ihre Unterstützung für den kubanischen Künstler Luis Manuel Otero Alcántara zum Ausdruck gebracht, der sich zu dieser Zeit aus Protest gegen die ständige polizeiliche Überwachung seines Hauses im Hungerstreik befand. Sowohl Esteban Rodríguez als auch Thais Mailén Franco Benítez wurden von Amnesty International als gewaltlose politische Gefangene eingestuft. Thais Mailén Franco Benítez wurde später freigelassen und muss ihre restliche Strafe unter Hausarrest verbüßen. Esteban Rodríguez befand sich zum Jahresende noch im Gefängnis.

Im Mai 2021 inhaftierten die Behörden Maykel Castillo Pérez, einen der Verfasser des regimekritischen Liedes Patria y Vida, das zu einer Protesthymne geworden war und für das er und andere Künstler_innen im November mit dem Latin Grammy Award ausgezeichnet wurden. Maykel Castillo Pérez wurde wegen "Körperverletzung", "Widerstand gegen Staatsbedienstete", "Flucht vor Festnahme und Inhaftierung" und "öffentlicher Unruhe" angeklagt.

Im Juni 2021 wurde der Künstler Hamlet Lavastida, ein ehemaliger gewaltloser politischer Gefangener, inhaftiert, weil er in einer privaten Nachricht eine regierungskritische künstlerische Aufführung vorgeschlagen haben soll, die jedoch nie stattfand. Er wurde später unter der Bedingung freigelassen, dass er Kuba verlässt.

Am 11. Juli 2021, dem Tag der landesweiten Proteste, inhaftierten die Behörden Luis Manuel Otero Alcántara, ein Mitglied der San-Isidro-Bewegung, die als Reaktion auf ein Gesetz zur Zensur von Künstler_innen gegründet worden war. Seine Inhaftierung erfolgte, nachdem er in den Sozialen Medien angekündigt hatte, dass er sich den Protesten anschließen wolle. Später im Jahr erkrankte er im Gefängnis an Covid-19 und trat aus Protest gegen seine anhaltende Inhaftierung in den Hungerstreik. Er befand sich Ende 2021 noch immer in Haft.

Auch José Daniel Ferrer García, Aktivist und Sprecher der inoffiziellen politischen Oppositionsgruppe Unión Patriótica de Cuba (UNPACU), wurde von Angehörigen der Staatssicherheit festgenommen, als er versuchte, mit seinem Sohn an den Demonstrationen in Santiago de Cuba teilzunehmen. Die Behörden verheimlichten später seinen Aufenthaltsort, was unter Umständen den Tatbestand des Verschwindenlassens erfüllt haben könnte. Trotz der anhaltenden repressiven Politik der Behörden setzten Künstler_innen und Aktivist_innen im Laufe des Jahres ihre solidarische Zusammenarbeit und innovative Arbeit fort. Der Künstler Erik Ravelo rief zusammen mit Amnesty International die Kampagne "Ewige Flamme" (La Llama Eterna) ins Leben, ein digitales konzeptionelles Mahnmal zur Unterstützung der künstlerischen Freiheit in Kuba.

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich weiter, und die Medien berichteten über erhebliche Engpässe bei der Versorgung mit Lebensmitteln, wichtigen Medikamenten und anderen Artikeln des Grundbedarfs. Im Mai 2021 äußerte sich die Interamerikanische Menschenrechtskommission besorgt über die "akute und anhaltende Lebensmittelknappheit in Kuba", insbesondere während der Coronapandemie. Das ganze Jahr über kam es zu Stromausfällen.

Zu verschiedenen Zeitpunkten des Jahres 2021 wurde berichtet, dass die Krankenhäuser durch die vielen Coronapatient_innen überlastet seien. Zur Jahresmitte hatten die Behörden jedoch ihr Impfprogramm ausgeweitet.

Die kubanische Regierung machte weiterhin ausschließlich das US-amerikanische Wirtschaftsembargo für die Engpässe verantwortlich. Obwohl das Embargo zweifelsohne die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte in Kuba verletzt, entbindet dieser Umstand Kuba nicht von seiner Verpflichtung, diese Rechte so weit wie möglich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen zu gewährleisten.

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